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Penis-, Anal- und Mundkarzinome Krebs durch HPV trifft Männer häufiger als gedacht

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Auch Männer sollten die Gefahr einer HPV-Infektion nicht unterschätzen, sagen Experten.

Auch Männer sollten die Gefahr einer HPV-Infektion nicht unterschätzen, sagen Experten.

(Foto: picture alliance / Bildagentur-online)

HP-Viren werden vor allem beim Sex übertragen. Eine Infektion kann dabei nicht nur für Frauen schwerwiegende Folgen haben. Aktuellen Zahlen zufolge erkranken in Deutschland jedes Jahr rund 2900 Männer an HPV-bedingtem Krebs. Eine Impfung schützt - wird jedoch viel zu wenig genutzt.

Humane Papillomviren, kurz HPV, gehören weltweit zu den häufigsten sexuell übertragenen Erregern. Die meisten Menschen infizieren sich laut Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) mindestens einmal in ihrem Leben mit HPV. In einigen Fällen können die Viren Krebs auslösen - auch bei Männern: am Penis, am Anus oder im Rachen. Zwar geschieht das seltener als bei Frauen, aber deutlich häufiger als bislang angenommen. Eine Impfung würde helfen, doch sie wird immer noch viel zu selten genutzt.

Humane Papillomviren kommen auf der Haut und den Schleimhäuten vor. "Übertragen werden die Erreger hauptsächlich durch Geschlechtsverkehr, aber auch durch engen Körperkontakt", erklärt Norbert H. Brockmeyer, Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten und DSTIG-Präsident, im Gespräch mit ntv.de. Es gibt mehr als 200 HPV-Typen. Die meisten sind für Menschen ungefährlich.

Mund-Rachen-Karzinome nehmen stark zu

Seit Anfang der 1980er-Jahre weiß man aber: Einige HPV-Typen - sogenannte Hochrisikotypen - sorgen für die Entstehung bestimmter bösartiger Tumore. Über Jahrzehnte konzentrierte sich die Forschung zunächst auf den Gebärmutterhalskrebs, der fast ausschließlich auf chronische HPV-Infektionen zurückgeführt wird. 2006 kam dann die erste Impfung und wurde als Schutz gegen Gebärmutterhalskrebs beworben. Eine Impfempfehlung gab es daher erst einmal nur für Mädchen.

Humane Papillomaviren unter dem Mikroskop.

Humane Papillomaviren unter dem Mikroskop.

(Foto: picture alliance / BSIP)

Doch nach und nach entdeckten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass auch andere Tumore mit HPV assoziiert und damit auch Männer betroffen sind. Denn wenn sich die aggressiven Viren-Typen im Genitaltrakt oder in der Rachenschleimhaut einnisten, können sie unter anderem Anal-, Penis- und auch Rachenkrebs verursachen.

Aktuellen Zahlen zufolge erkranken in Deutschland jedes Jahr rund 2900 Männer an HPV-bedingtem Krebs. Das RKI geht von rund 1000 Krebsfällen im Bereich von Anus und Genitalien sowie 1900 Fällen im Rachen aus. Vor allem letztere haben laut Brockmeyer in den letzten 10 bis 15 Jahren stark zugenommen. "Vor 15 Jahren lagen die HPV-bedingten Mund-Rachen-Karzinome bei etwa 10 bis 20 Prozent", erklärt der Experte. "Heute liegen sie bei mehr als 50 Prozent - unabhängig von Mann oder Frau."

Schutz vor Genital- und Analwarzen

Die gute Nachricht ist, dass eine HPV-Impfung auch vor diesen Krebsarten schützen kann. Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt sie daher nicht mehr nur Mädchen, sondern seit 2018 auch Jungen im Alter von 9 bis 14 Jahren. Für einen Schutz sind zwei Impfungen im Abstand von mindestens fünf Monaten notwendig.

Die Impfquoten sind allerdings niedrig - insbesondere bei Jungen. Nur etwa ein Drittel der 15-Jährigen in Deutschland ist dem RKI zufolge vollständig gegen HPV geimpft. "Man hätte von vornherein die Impfkampagne viel breiter anlegen müssen", bemängelt Brockmeyer rückblickend. Eine Impfung könne bis zu 90 Prozent der HPV-bedingten Krebsfälle verhindern - auch bei Männern.

Und nicht nur das. Sie schützt Brockmeyer zufolge auch vor penetranten Genital- und Analwarzen. Denn HP-Viren können unschöne, aber in der Regel gutartige Wucherungen im Anal- und Genitalbereich hervorrufen. "Diese sind ein Riesenproblem und mit einem enormen Kostenaufwand für die Krankenkassen verbunden", erklärt der Dermatologe. "Die Entfernung der Warzen ist oft schmerzhaft und die Rückfallquote ist hoch." Außerdem können sich aus den zunächst harmlosen Genitalwarzen manchmal nach vielen Jahren ebenfalls gefährliche Karzinome bilden.

Schlechte Impfquote - bei Mädchen und Jungen

Ein weiterer wichtiger Punkt, der für eine Impfung bei Jungen spricht. Sie schützen damit auch andere. Denn auch wenn das persönliche Krebsrisiko nicht so hoch ist, sind ungeimpfte Jungen und Männer beim Sex wesentliche Überträger, die Frauen mit HP-Viren infizieren. "Wir haben in unserer Bevölkerung eine ziemlich hohe Zahl an Menschen, die aufgrund eines geschwächten Immunsystems ohne Impfung keinen Schutz vor HPV aufbauen kann", sagt Brockmeyer. Mit einer Impfung könne man diese schützen.

Noch immer erkranken jedes Jahr im Schnitt 4600 Frauen an Gebärmutterhalskrebs. Jede dritte stirbt daran, oft schon im mittleren Erwachsenenalter. Denn auch bei den Mädchen ist die Impfquote hierzulande viel zu niedrig. So sind nur rund 60 Prozent aller 15-Jährigen geimpft.

Ein schlechter Wert im internationalen Vergleich. Da ist Portugal mit einer stolzen Impfquote von 95 Prozent bei jungen Mädchen Europameister. Australien erreicht mehr als 80 Prozent der Mädchen und 75 Prozent der Jungen über seine ambitionierte Impfkampagne. Großbritannien präsentiert zwischenzeitlich ähnlich gute Ergebnisse. In Schottland ist der aggressive Gebärmutterhalskrebs sogar gänzlich verschwunden.

"Wir müssen in Schulen aufklären"

Den Erfolg der Länder begründet Brockmeyer in deren Strategie. "In Australien, England und Portugal gibt es breitangelegte Impfkampagnen an Schulen, teilweise sogar Impfpflichten", sagt er. "Wir müssten ebenfalls deutlich gezielter in Schulen aufklären und dort Kinder und Eltern ansprechen. Ich glaube, das ist das Einzige, was funktioniert."

Schulen sind besonders wichtig, da die Impfung idealerweise vor dem ersten Geschlechtsverkehr erfolgen sollte. Laut Brockmeyer ist eine spätere Immunisierung dennoch sinnvoll. "Wenn man bis zum 18. Lebensjahr impft, bekommt man eine Schutzwirkung von etwa 90 Prozent", erklärt der Mediziner. "Danach sinkt die Wirksamkeit zwar, liegt aber bei 30-Jährigen immer noch bei 60 Prozent." Daher sei eine Impfung auch im Erwachsenenalter maximal sinnvoll. Je früher diese nachgeholt werde, desto besser.

Quelle: ntv.de

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