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"Mit beispielloser Genauigkeit" Macht KI die Wetterdienste demnächst überflüssig?

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Mitarbeiter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) im Leitstand des Großrechenzentrums: Der DWD betreibt seit 1966 ein eigenes Rechenzentrum. Er bekommt zunehmend Konkurrenz von privaten Unternehmen.

Mitarbeiter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) im Leitstand des Großrechenzentrums: Der DWD betreibt seit 1966 ein eigenes Rechenzentrum. Er bekommt zunehmend Konkurrenz von privaten Unternehmen.

(Foto: Andreas Arnold/dpa)

Künstliche Intelligenz wird mittlerweile in fast allen Bereichen des Lebens genutzt - auch bei der Wettervorhersage. Private Angebote wie "Graphcast" von Google machen Behörden wie dem Deutschen Wetterdienst Konkurrenz. Doch die Meteorologen bleiben entspannt: Die KI sei zwar schneller, aber nicht besser.

Schneller, genauer, günstiger - so bewirbt Google sein Produkt "Graphcast". Dahinter steckt eine Künstliche Intelligenz (KI). Das KI-Modell sei in der Lage, "mittelfristige Wettervorhersagen mit beispielloser Genauigkeit zu erstellen", schwärmt Remi Lam vom "Graphcast"-Forschungsteam.

Geschwindigkeit sei bei Wettervorhersagen nicht der Punkt, so der DWD. Es gehe mehr um Vorhersagegenauigkeit.

Geschwindigkeit sei bei Wettervorhersagen nicht der Punkt, so der DWD. Es gehe mehr um Vorhersagegenauigkeit.

(Foto: Andreas Arnold/dpa)

"GraphCast" sei nicht nur schneller, es könne auch früher vor extremen Wetterereignissen warnen, so Remi Lam. "Es kann die Spuren von Wirbelstürmen in der Zukunft mit großer Genauigkeit vorhersagen, atmosphärische Flüsse identifizieren, die mit Überschwemmungsrisiko verbunden sind, und den Beginn extremer Temperaturen vorhersagen. Diese Fähigkeit hat das Potenzial, durch eine bessere Vorbereitung Leben zu retten."

Im November präsentierten die Google-Forscher im Wissenschaftsmagazin "Science" einen Vergleich: Ihre KI prognostizierte dem Artikel zufolge Hunderte von Wettervariablen über einen Zeitraum von zehn Tagen weltweit in weniger als einer Minute. Bei 90 Prozent der Metriken - wie etwa Temperatur, Windgeschwindigkeit oder Luftfeuchtigkeit - schlug sich "Graphcast" besser als die Vorhersagen des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersage (EZMW).

DWD: KI schneller, aber nicht besser

Der Deutsche Wetterdienst (DWD) sieht solche Ankündigungen kritisch - und bleibt gelassen. Ja, KI habe "ein unglaublich großes Potenzial", sagt der Meteorologe Andreas Walter, Experte für Klimamodelle beim DWD. KI sei vielleicht schneller, aber keinesfalls besser. Die größten Defizite sieht er, wenn es darum geht, Extreme vorherzusagen, die bisher noch nicht aufgetreten sind.

Das liegt daran, wie die Maschine arbeitet. "Herkömmliche numerische Wettervorhersagen nutzen erhöhte Rechenressourcen, um die Vorhersagegenauigkeit zu verbessern", erklären die Entwickler von "Graphcast" in "Science". "Sie nutzten jedoch nicht historische Wetterdaten, um das zugrundeliegende Modell zu verbessern.

Genau diese "Reanalyse-Daten", mit denen die KI trainiert wird, sind aus Sicht von Andreas Walter das Problem: "Die KI leitet ihre Lern-Algorithmen aus der Vergangenheit ab. Unsere Modelle lösen die physikalischen Grundgleichungen."

Nach Erfassung des Anfangszustandes der Atmosphäre, bei dem sämtliche Beobachtungsdaten in das Wettermodell einfließen, werden die Gleichungen laut DWD in die Zukunft projiziert, um den zukünftigen Wetterzustand zu ermitteln. Dieses numerische Verfahren kommt zum Beispiel auch zum Einsatz, um Niederschlagsprognosen in der aktuellen Hochwasserlage zu erstellen. "Das ist natürlich ein ganz anderer Aufwand. Aber dafür ist es auch gesicherter als ein KI-Verfahren, das nur auf Ähnlichkeiten beruht", sagt Walter.

"Kein Wettlauf um die schnellste Wettervorhersage"

Geschwindigkeit sei bei Vorhersagen eigentlich nicht der Punkt, ergänzt DWD-Sprecher Uwe Kirsche. "Es ist ja kein Wettlauf um die schnellste Wettervorhersage. Es muss ja immer der Wettlauf um die beste Wettervorhersage sein." Der DWD rechnet zwei Mal am Tag ein globales Modell für sieben Tage im Voraus für 90 Schichten in der Atmosphäre. Das dauert ungefähr eine Stunde. Dazu kommen vier Durchläufe am Tag für Europa und acht für Deutschland.

Ein limitierender Faktor ist die Rechnerleistung. "Meteorologen brauchen und bekommen immer mehr Daten. Also brauchen wir immer größere Rechner, die diese Daten auch verarbeiten können", sagt Kirsche. In etwa zwei Jahren braucht der DWD einen neuen Großrechner. Der aktuelle hat rund 120 Millionen Euro gekostet, der nächste wird wohl nicht billiger werden.

KI sei in der Meteorologie "sicher ein Werkzeug, das unterstützend genutzt werden kann", sagt Kirsche. Der Wetterdienst erprobt KI daher derzeit in nahezu allen Bereichen. "Unser Ziel ist es, die gesamte Prozesskette - von der Datenerhebung bis zum Ausspielen an die Kunden - durch KI zu verbessern", sagt Kirsche und betont: "Nicht zu ersetzen: zu verbessern."

Quelle: ntv.de, Sandra Trauner, dpa

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