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Droht die globale Dominanz? "Centaurus"-Variante in Indien auf dem Vormarsch

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Ein Großteil der Neuinfektionen in Indien wird mittlerweile BA.2.75 zugeschrieben.

Ein Großteil der Neuinfektionen in Indien wird mittlerweile BA.2.75 zugeschrieben.

(Foto: IMAGO/ZUMA Wire)

Bisher überraschte Sars-CoV-2 mit seiner Wandlungsfähigkeit. In Indien zeichnet sich der Siegeszug einer neuen Subvariante von Omikron ab: BA.2.75 dominiert dort das Infektionsgeschehen. Auch die Fallzahlen steigen. Doch was bedeutet das für den Rest der Welt?

In Indien ist eine neue Omikron-Subvariante von Sars-CoV-2 auf dem Vormarsch. Sie trägt den Namen BA.2.75, wird inoffiziell jedoch "Centaurus" (Zentaur) genannt. Zuletzt wurden etwa zwei Drittel der neuen Coronavirus-Fälle auf dem Subkontinent BA.2.75 zugeschrieben, berichtete der Virologe Shahid Jameel. Mittlerweile wurde die neue Variante zudem in mehr als 20 Ländern weltweit entdeckt.

Bereits Anfang Juli hatten sich Forscher zum Aufkommen der neuen Subvariante in Indien zu Wort gemeldet und vor einem möglichen Aufstieg zur globalen Dominanz gewarnt. In den folgenden Wochen blieb das befürchtete starke Wachstum außerhalb Indiens allerdings aus. Auf dem Subkontinent jedoch dominiert BA.2.75 mittlerweile. Die Zahl der erfassten Neuinfektionen steigt an, der Anstieg der Krankenhausaufenthalte und Todesfälle halten sich noch in Grenzen.

BA.2.75 scheint in Indien einen "recht beträchtlichen" Übertragungsvorteil gegenüber BA.5 zu haben, schlussfolgerte Tom Wenseleers, Evolutionsbiologe an der Katholischen Universität Löwen in Belgien, welcher den Aufstieg von Centaurus modelliert hat, laut dem Fachmagazin "Nature". "Dies würde definitiv eine Infektionswelle auslösen", sagte er.

Wieso Vorteil in Indien?

Doch warum die Centaurus-Variante in Indien so erfolgreich ist, bleibt bisher ein Rätsel. Denn bisherige Studien haben keinen großen Unterschied zwischen BA.2.75 und der im Rest der Welt dominanten Omikron-Variante BA.5 ausmachen können. Beide besitzen die Fähigkeit, eine durch Infektion oder Impfung erworbene Immunität gegen frühere Varianten zu umgehen - was ihre Verbreitung in Ländern mit hoher Impf- oder Genesenenquote erklärt. Aber ansonsten?

Der Virologe Trevor Bedford von der University of Washington stellte jüngst sogar fest, dass BA.2.75 im Vergleich zu anderen Subvarianten gewisse Startschwierigkeiten habe. So sei ihre Ansteckungsrate, ausgedrückt im R-Wert, in den USA bereits zu Beginn niedriger gewesen, als es bei der Variante BA.5 der Fall war, schrieb er auf Twitter. Diese deute darauf hin, dass BA.2.75 "in den USA eine kleinere Epidemie auslösen wird als die, die wir mit BA.5 erlebt haben", so Bedford. Allerdings sei ein möglicher saisonaler Effekt dabei noch nicht berücksichtigt.

Warum schreitet BA.2.75 dann aber in Indien zur vollständigen Dominanz? Aus Sicht einiger Forscher ein Rätsel, es gibt bisher nur Vermutungen. Ein Hinweis: Die Lage in Indien ist eine andere als im Rest der Welt. Denn das Land hatte bisher keine ausgeprägte Welle durch die Sublinie BA.5 gesehen. Dass BA.2.75 ihr nun zuvorkommt, könne an der massiven Delta-Welle in Indien im Jahr 2021 liegen. Denn BA.2.75 gelingt es laut einem Preprint chinesischer Forscher besser als BA.5, die Immunantwort von Menschen zu umgehen, die bereits mit Delta infiziert waren- ein klarer Wettbewerbsvorteil also.

Andere Subvariante im Spiel

Außerhalb von Indien jedoch könnte dieser Vorteil der Centaurus-Variante gegenüber BA.5 keine so große Rolle spielen. "Wir kommen an einen Punkt, an dem diese Varianten miteinander konkurrieren und fast gleichwertig sind", sagt Virologe Jameel. "Ich denke, dass Menschen, die BA.5 hatten, mit BA.2.75 keine Durchbruchsinfektionen haben werden und umgekehrt."

In Deutschland findet BA.2.75 bisher kaum statt. Hierzulande wurden "seit KW 25/2022 bisher insgesamt fünf Genomsequenzen dieser Sublinie in der Stichprobe identifiziert", schrieb das Robert-Koch-Institut in seinem jüngsten Wochenbericht. Ein Wachstumsvorteil von BA.2.75 gegenüber den in Deutschland dominierenden Varianten BA.4 und BA.5 sei aktuell unbekannt.

Virologe Wenseleers glaubt, dass BA.2.75 zwar die bisherigen Varianten BA.4 und BA.5 in Europa "schlagen" könnte, wie er auf Twitter schrieb. Doch bei einer weiteren Omikron-Subvariante könnte das schwierig werden: BA.46. Diese würde in Europa, dem Nahen Osten und Nordamerika "eine gewisse Konkurrenz" für BA.2.75 darstellen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach teilte den Tweet von Wenseleers mit der Anmerkung: "Leider ist Corona-Pandemie noch nicht zu Ende."

Quelle: ntv.de

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