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Verheerender Unfall in Thüringen Wie schnell gehen Autos in Flammen auf?

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Drei Männer und zwei Frauen im Alter von 19 Jahren - sowie ein 60 Jahre alter Fahrer verbrannten in ihren Fahrzeugen.

Drei Männer und zwei Frauen im Alter von 19 Jahren - sowie ein 60 Jahre alter Fahrer verbrannten in ihren Fahrzeugen.

(Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild)

Zwei vollständig ausgebrannte Autowracks, verkohlte Fahrzeugtrümmer auf der Straße: Bei dem schweren Unfall am Wochenende in Thüringen sterben sieben Menschen - sechs von ihnen verbrennen in ihren Fahrzeugen. Wie schnell ein Auto Feuer fangen kann, erklärt Unfallexperte Brockmann.

Dunkle Flecken auf der Fahrbahn zeugen auch noch Tage später von dem schweren Unfall am Wochenende in Thüringen: In einer langgezogenen Kurve der B247 bei Bad Langensalza krachen drei Fahrzeuge ineinander. Zwei der Autos fangen Feuer und brennen bis zur Unkenntlichkeit aus. Sieben Menschen sterben - sechs von ihnen verbrennen in ihren Fahrzeugen. Angesichts dieser Bilder stellt sich die Frage: Wie schnell können Autos in Flammen aufgehen?

"Wenn Unfälle die Ursache für Brände sind, dann sind es meist sehr schwere Unfälle", sagt Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer (UDV), im Gespräch mit ntv.de. Dennoch sei es ungewöhnlich, dass Fahrzeuge so heftig in Flammen aufgehen wie in Thüringen. Dafür brauche es bestimmte Voraussetzungen.

Nach einem Unfall breitet sich der Brand in der Regel vom Motorraum in den Innenraum aus. Das dauert meist mehrere Minuten.

Nach einem Unfall breitet sich der Brand in der Regel vom Motorraum in den Innenraum aus. Das dauert meist mehrere Minuten.

(Foto: picture alliance/dpa/Polizeiinspektion Marktredwitz)

"Beim Unfall besteht die Gefahr, dass die Kraftstoffleitungen abreißen", erklärt der Unfallexperte. Benzin laufe dann auf heiße Autoteile, wie zum Beispiel den Auspuff. "Durch einen Funken brennt das Fahrzeug sofort und sehr schnell." So ein Funke könne auch durch die Aufprallwucht entstehen, wenn Metall auf Metall trifft.

Explosionen gibt es nur in Actionfilmen

"Es explodiert nicht, es brennt", betont Brockmann. "Explosionen wie im Actionfilm sind de facto unmöglich." Für Explosionen brauche es einen geschlossenen Behälter, in dem sich ein Überdruck aufbaue, der sich dann explosionsartig entlade. "Das kann in einem Auto aber nicht passieren, denn solange der Kraftstoff im Tank ist, ist es kein zündfähiges Gemisch, da er zu wenig Sauerstoff enthält."

Kraftstofftanks seien bewusst in crashgeschützten Bereichen untergebracht und würden auch bei Unfällen nur höchst selten beschädigt, teilt auch der ADAC auf Anfrage von ntv.de mit. "Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem explosionsfähigen Kraftstoff-/Sauerstoffgemisch und gleichzeitiger Zündquelle kommen könnte, ist extrem gering." Das passiere nur, wenn der Tank fast leer sei und beispielsweise eine brennende Zigarette als Zündquelle hinzukomme.

"Hingehen und die Menschen rausholen"

Dennoch sind durch einen Unfall verursachte Brände lebensgefährlich, denn Feuer greife durch den auslaufenden Brennstoff schnell auf den Innenraum über. "Dadurch entstehen giftige Gase, die die Insassen noch eher erreichen als die Flammen", sagt Brockmann. Durch sie könne man innerhalb einer Minute bewusstlos werden. Bleibe man jedoch bei Bewusstsein, hätte man auch bei einem Brand die Chance, das Auto rechtzeitig zu verlassen - allerdings nur, wenn die Türen frei sind.

Die Aufprall-Geschwindigkeit ist nicht immer ausschlaggebend für das Brandrisiko bei einem Unfall. "Es gibt auch Unfälle mit nur 50 oder 60 Kilometern pro Stunde, bei denen trotzdem die Benzinleitung abreißen kann", sagt Brockmann. Aber je höher die Geschwindigkeit, desto größer sei die Deformation der Karosserie im Falle eines Unfalls. Und eine Beschädigung der Schläuche oder des Tanks würde wahrscheinlicher. Und: Je mehr Benzin austrete, umso schneller breite sich das Feuer aus.

Für Ersthelfer am Unfallort bleibt meist nur wenig Zeit, zu reagieren. Vor allem, wenn das Feuer noch nicht groß ist, sollte man unbedingt die Person aus dem brennenden Wagen holen. Erneut betont Brockmann: "Keine Sorge, es wird nicht explodieren." Eine kleine Flamme sei kein Problem: "Hingehen und die Menschen rausholen." Allerdings könne ab einem gewissen Zeitpunkt das brennende Fahrzeug nicht mehr angefasst werden - nämlich dann, wenn das Feuer das Metall zu stark aufgeheizt hat. Dann sei es unmöglich, den Türgriff zu berühren. Ohne Feuerwehrausrüstung sei die Rettungsaktion dann nicht mehr möglich.

Bei Löschversuchen droht Verletzungsgefahr

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Auslöser eines Fahrzeugbrandes muss nicht unbedingt ein Unfall sein: Ein Feuer könne während der Fahrt etwa auch durch einen technischen Defekt ausgelöst werden, erklärt der Unfallforscher. In diesem Fall hätten die Insassen in der Regel genügend Zeit, um aus dem brennenden Auto herauszukommen. "Wenn sich etwas im Motorraum entzündet, zum Beispiel ein Kabel, das auf dem Motor liegt, dann fängt das erstmal an zu schmoren", sagt Brockmann. Da kein Benzin mit im Spiel ist, brauche es dann sehr lange, bis der Brand auf den Innenraum übergreife. "Bis das Fahrzeug lichterloh in Flammen steht, dauert das sicherlich 10 bis 15 Minuten."

Wie sollte man sich am besten verhalten, wenn das eigene Auto brennt? Brockmann sieht den Einsatz von Feuerlöschern durch Laien skeptisch. "Wenn Sie einen Schwelbrand im Motorraum haben und die Motorhaube hochreißen, dann kriegt das Feuer natürlich schlagartig Sauerstoff und die Flamme schlägt hoch", warnt der Experte. Es drohe Verletzungsgefahr. Daher sollte - wenn überhaupt - die Motorhaube nur einen Spalt breit geöffnet und durch diesen gesprüht werden. Aber Vorsicht: Die Motorhaube könnte schon sehr heiß sein. "Daher meist besser das Auto verlassen und nichts machen", rät Brockmann. "Bevor man sich selbst in Gefahr begibt, sollte man das Auto lieber abbrennen lassen und auf die Feuerwehr warten."

Quelle: ntv.de

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