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Teures Gut, bezahlbar und sauber Zwei Berliner entsalzen Wasser für die Welt

In Kenia ist Trinkwasser mancherorts ein seltenes Gut.

In Kenia ist Trinkwasser mancherorts ein seltenes Gut.

(Foto: imago/photothek)

Jeder vierte Mensch auf der Welt hat keinen regelmäßigen Zugang zu sauberem Wasser. Ein Berliner Unternehmen will das ändern: Es hat eine solarbetriebene Wasseraufbereitungsanlage für die wasserarmen Regionen der Welt entwickelt - für die Wartung reichen Zange und Schraubenzieher.

2,2 Milliarden Menschen haben keinen regelmäßigen Zugang zu sauberem Wasser, fast 800 Millionen nicht einmal eine Grundversorgung mit Trinkwasser. Dabei ist Wasser ein elementarer Bestandteil des Lebens, ein Menschenrecht: Ohne verdursten wir und wenn es verschmutzt ist, erkranken wir. "Die Nachfrage nach sauberem Trinkwasser ist enorm", sagt Ali Al-Hakim im ntv-Podcast "Wieder was gelernt". Er ist Geschäftsführer des Unternehmens Boreal Light, das er 2014 zusammen mit seinem Partner Hamed Beheshti in Berlin gegründet hat.

Ihre Idee war so einfach wie kompliziert: Sie wollten etwas erschaffen, was die Menschen wirklich brauchen. Keinen Schnickschnack, sondern etwas, das Menschen hilft, die sich wenig leisten können. Sechs Jahre später haben sie Entsalzungsanlagen für Kenia, Somalia, den Jemen, die Philippinen und Indonesien produziert. Anfragen gibt es aus Kolumbien, Mexiko, Chile und vielen anderen Ländern in Afrika, Südamerika, Ostasien und im Mittleren Osten.

Ali Al-Hakim (l.) und Hamed Beheshti arbeiten in ihrer Werkhalle an einer ihrer Aufbereitungsanlagen.

Ali Al-Hakim (l.) und Hamed Beheshti arbeiten in ihrer Werkhalle an einer ihrer Aufbereitungsanlagen.

(Foto: Boreal Light)

Aber Entsalzungsanlagen sind erst der zweite Versuch der beiden Männer, Menschen zu helfen. Ihre erste Idee war eine robuste und wartungsarme Windturbine. Mit der wollten sie Strom in die ärmsten Regionen der Welt bringen. Bis ihnen aufgefallen ist, dass dieses Geschäftsmodell wirtschaftlich nicht tragfähig wäre. Also haben sie von vorne angefangen und sind auf der Suche nach der zündenden Idee für jeweils sechs bis acht Wochen durch ärmere Länder gereist. Hamed Beheshti im Mittleren Osten, Ali Al-Hakim in Nord- und Subsahara-Afrika. Dort haben sie unabhängig voneinander festgestellt: Für die Menschen, die in diesen Regionen leben, ist Wasser kein Grundrecht, sondern teurer Luxus.

Acht Dollar täglich für Trinkwasser

"Wir haben täglich fünf bis acht Dollar alleine für sauberes Trinkwasser ausgegeben. Das können sich die Menschen vor Ort nicht leisten", sagt Ali Al-Hakim. Dabei bestehen drei Viertel der Erde aus Wasser - das ist aber zu 98 Prozent ungenießbar. Deshalb hätten sie es sich zur Aufgabe gemacht, dreckiges Wasser in Trinkwasser umzuwandeln - und zwar so, dass es am Ende bezahlbar ist.

Ein Wasserkiosk im kenianischen Ort Miamba.

Ein Wasserkiosk im kenianischen Ort Miamba.

(Foto: Boreal Light)

Trinkwasser ist auf der Erde sehr ungleich verteilt. Vor allem in ärmeren Regionen in Afrika, Südamerika und Asien herrscht vielerorts dramatische Wasserknappheit, sagt das Kinderhilfswerk Unicef. Insgesamt leben etwa 3,6 Milliarden Menschen in Gebieten, die mindestens einen Monat pro Jahr extrem wasserarm sind. Und wenn es doch welches gibt, ist es entweder salzhaltig oder mit Fäkalien und anderen Abfällen verseucht und verursacht Durchfall und Cholera. In diesen Regionen verbringen die Menschen Stunden, um für ihre Familien Trinkwasser von weit entfernten Wasserstellen zu holen.

Als Ali Al-Hakim und Hamed Beheshti das bewusst wurde, war ihnen klar: Wir müssen bezahlbare und saubere Entsalzungsanlagen bauen. Mit Erfolg: Gerade erst haben sie zusammen mit den Nichtregierungsorganisationen The Zahra Trust und Help Yemen Germany vier solarbetriebene Wasseraufbereitungsanlagen für den Jemen gespendet. Dort leiden Millionen Menschen unter Hunger, Krieg und seit 2017 auch an der schlimmsten Cholera-Epidemie, die bisher weltweit erfasst wurde.

Schraubenzieher und Zange

Vier Anlagen, die kleine technische Wunderwerke sind: Sie sind solarbetrieben und funktionieren deshalb selbst da, wo es keinen Strom gibt. Vor allem aber sind sie leicht zu warten, darauf haben die beiden Männer Wert gelegt. Denn als sie andere Entsalzungsanlagen inspiziert haben, ist ihnen aufgefallen, dass viele nicht mehr arbeiten, weil sie kaputtgegangen sind. Eine habe zum Beispiel einen Riss gehabt, sagt Ali Al-Hakim, den die Menschen vor Ort nicht reparieren konnten, weil sie weder Schweißanlage noch Strom hatten. So habe ein kleines Problem dazu geführt, dass die komplette Anlage nicht mehr verwendbar war.

Um so etwas zu vermeiden, haben die beiden entschieden, ihre Entsalzungsanlagen nur mit einfachsten Materialien und Techniken zu bauen. Es wird nichts verschweißt, sondern nur verschraubt. Es gibt keine Edelstahlrohre, sondern nur Schläuche. 80 Prozent der Wartungsarbeiten können einfach mit Schraubenzieher und Zange erledigt werden.

Trinkwasser nach deutschen Standards

Eine sinnvolle Entscheidung, das haben die Wasser-Unternehmer 2018 festgestellt: Als eine Anlage in Somalia installiert werden sollte, habe die Transportfirma sie aus dreieinhalb Metern fallen gelassen, sagt Ali Al-Hakim. Anderthalb Tage hätten er und Hamed anschließend in lokalen Märkten nach Ersatzteilen gesucht. Sie konnten die Anlage reparieren, sie läuft noch heute.

Hilfe für den Jemen: Staatssekretär Christian Rickerts, Basel Yahya, Ali Al-Hakim, der jemenitische Botschafter Yahya Al-Shuaibi, der ehemalige deutsche Botschafter im Jemen Frank M. Mann, Hamed Beheshti, Ahmad Sandid und David Heinz (v.l.) übergeben vier Anlagen.

Hilfe für den Jemen: Staatssekretär Christian Rickerts, Basel Yahya, Ali Al-Hakim, der jemenitische Botschafter Yahya Al-Shuaibi, der ehemalige deutsche Botschafter im Jemen Frank M. Mann, Hamed Beheshti, Ahmad Sandid und David Heinz (v.l.) übergeben vier Anlagen.

(Foto: Boreal Light)

Das Wasser kann Salz, aber auch Sand, Schleim, Algen und andere Dingen enthalten, die es ungenießbar machen. "Es wird mithilfe einer Brunnenpumpe hochgepumpt. Dann wird es durch Sandfilter und Carbon-Filter gepresst und in einer UV-Anlage gereinigt, damit es komplett keim- und virenfrei, aber auch glasklar und frei von Gerüchen ist", erklärt Ali Al-Hakim den Reinigungsprozess. Erst dann gehe es an die Entsalzung: Dabei werde das Wasser mithilfe einer Hochdruckpumpe durch eine Membran gepresst, die nur von Wassermolekülen passiert werden könne. Ganz zum Schluss wird das Wasser durch einen Re-Mineralisierungsfilter gejagt, in dem ihm wichtige Mineralien zugeführt werden.

Das Ergebnis ist Trinkwasser mit einem Reinheitsgrad von 99,9 Prozent. Der deutsche Qualitätsstandard sei der Anspruch gewesen, sagt der Ingenieur. Ganz egal, wo auf der Welt. Den Prototypen hätten er und Hamed Beheshti für das Tote Meer ausgelegt, erzählt er. Dort ist das Wasser zu 33 Prozent salzhaltig. Wenn ihre Anlage da funktioniert, funktioniert sie überall.

Ein Vierzigstel des Marktpreises

Ware vom Band gibt es bei Boreal Light nicht. "Die Anlagen sind maßgeschneidert", erzählt Ali Al-Hakim. "Wir gucken uns vor Ort die Wasserqualität an, den Salzgehalt, die Einwohnerzahl und berechnen die Fördermenge." So produzieren manche Anlagen nur 500 Liter Wasser pro Stunde, andere 6000 Liter.

Der Bedarf nach sauberem Trinkwasser ist groß.

Der Bedarf nach sauberem Trinkwasser ist groß.

(Foto: Boreal Light)

Dementsprechend unterschiedlich sind auch die Kosten. Manche Anlagen kosten 50.000 Euro, andere 400.000 Euro, wenn die Wassermenge bei mehreren Hundert Kubikmetern pro Stunde liegt. Stolze Preise für Menschen, die teilweise nur wenige Dollar im Monat verdienen. Deshalb haben die beiden Männer ein zweites Geschäftsmodell entwickelt, den Wasserkiosk: Dabei finanzieren sie die Anlage komplett vor, stellen sie auf und verkaufen den Menschen günstig das saubere Wasser, erzählt Al-Hakim. "In Städten wie Nairobi und Mombasa verkaufen wir es zu einem Viertel des Marktpreises, in Dörfern zu einem Vierzigstel. Anstelle von vier Dollar nehmen wir nur zehn Cent für das Wasser."

Ali Al-Hakim und Hamed Beheshti haben ihren Traum erfüllt: Sie haben etwas erschaffen, was die Menschen brauchen und was ihnen hilft. Alleine in diesem Jahr haben sie schon 27 Wasserkioske in Ostafrika und im Jemen installiert. Viele weitere sollen folgen.

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"Wieder was gelernt" ist ein Podcast für Neugierige: Was passiert, wenn US-Präsident Trump eine mögliche Wahlniederlage nicht akzeptiert? Tragen die Wirtschaftsprüfer von EY die Schuld am Wirecard-Betrug? Ist Aids bald heilbar? Hören Sie rein und werden Sie dreimal die Woche ein bisschen schlauer.

Quelle: ntv.de

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