Sondergipfel zur Flüchtlingspolitik EU berät auch über Militäreinsatz
23.04.2015, 07:13 Uhr
Eine Gruppe geretteter Flüchtlinge sitzt auf einem Schiff der italienischen Küstenwache.
(Foto: dpa)
Von starken Signalen und mehr Maßnahmen ist vor dem Treffen der EU zu den Flüchtlingskatastrophen die Rede. Mehr Geld könnte es geben - und einen Militäreinsatz gegen Schleuser und deren Schiffe.
Nach den verheerenden Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer wollen die EU-Staats- und Regierungschefs bei einem Sondergipfel umfangreiche Hilfsmaßnahmen beschließen. Die EU will offensichtlich auch Pläne zu Militäreinsätzen gegen Schlepperbanden weiterverfolgen.
In einem Entwurf für die Abschlusserklärung wird die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini aufgefordert, sofort mit Vorbereitungen für eine mögliche militärische Operation zu beginnen. Demnach soll der Militäreinsatz das Ziel haben, Schlepper-Schiffe zu identifizieren und zu zerstören. Wo Schiffe angegriffen werden könnten, ist noch unklar. Nach Angaben aus EU-Kreisen könnte es gezielte Aktionen auf Grundlage von Geheimdienstinformationen geben. Ein ranghoher EU-Beamter verwies auf entsprechende Erkenntnisse Italiens.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière machte deutlich, dass auf dem Treffen auch eine Verdreifachung der Mittel für die Seenotrettung auf den Weg gebracht werden könne. Menschenrechtsorganisationen hatten zuvor einen für das Treffen vorbereiteten Zehn-Punkte-Plan als unzureichend kritisiert. In diesem ist von einer Verdoppelung der Mittel die Rede.
Kommt "Mare Nostrum" zurück?
De Maizière sagte am Mittwoch im Bundestag: "Seenotrettung ist das erste und dringlichste, was unverzüglich beginnen muss." Die EU könne aber auch nicht jeden aus Afrika aufnehmen. Außenminister Frank-Walter Steinmeier warnte davor, schnelle Lösungen zu erwarten. Die Opposition im Bundestag fordert zusätzlich legale Einreisewege für Schutzsuchende nach Europa.
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz forderte konkrete Entscheidungen von dem Brüsseler Treffen. "Derzeit nehmen drei Staaten - Deutschland, Frankreich und Schweden - rund 50 Prozent der Flüchtlinge auf. Das kann nicht so bleiben." Schulz bezeichnete die Wiederauflage eines Rettungsprogramms wie "Mare Nostrum" als einen der notwendigen Schritte. Zudem müssten in Libyen Strukturen aufgebaut werden, mit denen man gegen Schleuser vorgehen könne.
Der Vize-Präsident des Europäischen Parlaments, Alexander Graf Lambsdorff, hat allerdings nur geringe Erwartungen an den Gipfel. "Die Strukturen sind so verkrustet, und alles was nach vorne geht, wird gerade von den Innenministern, namentlich Thomas de Maizière, so blockiert, dass ich in dieser Situation wirklich keinen Optimismus empfinden kann", sagte er dem Inforadio des RBB. Die Mitgliedsstaaten seien nicht bereit, Europa eine echte Handlungsfähigkeit zu geben.
Amnesty kritisiert reine Sicherheitspolitik
In südeuropäischen Ländern kommt eine zunehmende Zahl verzweifelter Menschen an, die sich in überladenen Booten auf die lebensgefährliche Überfahrt über das Mittelmeer machen. Immer wieder kommt es zu Unglücken. Am Wochenende waren vermutlich 800 Menschen ums Leben gekommen, als ihr Flüchtlingsboot vor Libyen kenterte.
Der Zehn-Punkte-Plan umfasst grob vier Bereiche. Neben einer besseren Seenotrettung und den Kampf gegen Schleuser geht es um mehr Hilfe für Ankunftsländer und eine Kooperation mit afrikanischen Staaten. EU-Parlamentspräsident Schulz sagte der Zeitung "Bild": "Erstmal müssen alle verfügbaren Schiffe dorthin, wo die Lage derzeit am schlimmsten ist - ins Seegebiet vor Libyen." Und dann müssten sich die EU-Staaten endlich darauf verständigen, mehr Flüchtlinge aufzunehmen und diese gerechter in der EU zu verteilen.
Amnesty International kritisierte das bisherige EU-Konzept: Die Pläne "sind allein motiviert von Sicherheitspolitik und Kriminalitätsbekämpfung und nicht von Menschenrechtspolitik", sagte die geschäftsführende Direktorin des EU-Büros der Organisation, Iverna McGowan, der "Berliner Zeitung". Es gebe einen rein militärischen Ansatz, der kein Ersatz für eine angemessene Flüchtlingspolitik sei.
Quelle: ntv.de, mli/dpa/AFP