Saugmotor im Turbo-Heck Porsche GTS - Noch ein 911er
25.11.2010, 10:00 Uhr
Wie die Modelle Carrera und Turbo ist auch der GTS als Coupé und Cabrio erhältlich.
(Foto: Textfabrik/Busse)
Wer eine Lücke sucht, wird sie auch finden: In das überreichliche 911er-Angebot presst Porsche noch den GTS. Eine Forschungs-Fahrt auf der Suche nach den Unterschieden.
Die überwiegende Zahl der deutschen Autobesitzer sind keine Porschefahrer, weshalb ihnen ein Umstand wahrscheinlich nicht bewusst ist: Es herrschte eine Lücke im Porsche-Modellprogramm. Deren Schließung haben sich nun die Ingenieure mit Erfolg gewidmet: Der 911 Carrera GTS ist da.

Mit 408 PS Leistung liegt der GTS fast genau in der Mitte zwischen Carrera S und GT3.
(Foto: Textfabrik/Busse)
Mal im Ernst: Die Summe der erhältlichen 911-Varianten übersteigt das runde Dutzend deutlich, auch ohne das bereits ausverkaufte Sondermodell Sport Classic schlägt die Zahl der Derivate bei 20 an. Das dort noch ein neues Modell hinein passt, leuchtet wohl nur Experten ein. Aber die immer weitere Spreizung des Angebots hat bisher bestens funktioniert und wird sicher auch bei der nächsten 911er-Generation funktionieren, die zur Frankfurter Automobil-Ausstellung 2011 erwartet wird.
Mit etwas mehr Leistung gewürzt, ein paar wohl abgeschmeckte technische Änderungen, eine Prise mehr Aggressivität in der Optik – fertig ist der neue Schmaus für PS-Gourmets. An der Motorleistung ist das Lücken-Argument sogar nachvollziehbar, denn der GTS verfügt über 408 PS und hat damit genau 23 mehr als der Carrera S und 27 weniger als das nächststärkere Modell, der GT3. Eine Prise Turbo steckt auch im GTS, obwohl er von einem konventionell beatmeten Boxermotor angetrieben wird: Die Spur ist um 32 Millimeter verbreitet, die ausladenden hinteren Kotflügel sind die gleichen, wie beim Allrad-Topmodell.
Nur feine Nuancen spürbar
Im Gegensatz zum Carrera oder Turbo ist der GTS ausschließlich mit Heckantrieb zu bekommen. Vom gleich starken, aber sündhaft teuren Modell Speedster unterscheidet ihn die Tatsache, dass die Stückzahl nicht limitiert ist. Gleichwohl zielt er auf eine Kundschaft, denen Differenzierung wichtig ist, denn die fahrdynamischen Unterschiede zum Carrera S sind gering und die Chancen, sie im Fahrbetrieb zu erleben, noch geringer.

Das Interieur des Porsche-Klassikers wird erst zum Modellwechsel 2011 gründlich renoviert.
(Foto: Textfabrik/Busse)
Wer die Nuancen nicht in der energischen Kraftentfaltung, dem messerscharfen Einlenken oder dem etwas dumpferen Ansauggeräusch erkennt, kann sich statt dessen an Grafiken erfreuen, mit dem Porsche den veränderten Drehmomentverlauf illustriert. Im mittleren Bereich, also zwischen drei- und viertausend Touren, steigt die Durchzugskraft deutlich stärker als beim Carrera S an. Die Kurve zeigt an dieser Stelle wie eine Diagonale steil nach oben, was die Insassen beim Beschleunigen als kräftigen Zuwachs an Schub erleben.
Dank der serienmäßigen Hinterachssperre ist diese Kraft auch gefahrlos am Kurvenausgang einsetzbar, nur sollten Piloten mit weniger Erfahrung den ESP-Rettungsanker stets aktiviert lassen. Wer unbedingt eine der zahlreichen Tasten zur Veränderung des Fahrcharakters drücken will, kann den "Krawall-Knopf" nehmen, dessen aufgeprägtes Auspuff-Symbol keinen Zweifel daran lässt, wo das Crescendo der Begleitmusik für den stürmischen Auftritt entfacht wird.
Suche nach immer neuen Kurven
Der schnelle Wechsel von Längs- und Querdynamik ist, was die Porsche-Fahrt so kost- und unverwechselbar macht – da stellt der GTS keine Ausnahme dar. Auf der Geraden muss man sich ständig gegen die Versuchung wehren, auch dort Kurven fahren zu wollen, wo gar keine sind. Die Zehntel, die das neue Auto in den klassischen Disziplinen gegenüber dem Modell Carrera S heraus holt, rechtfertigen wohl kaum den um mehr als 6000 Euro höheren Grundpreis. Jede Pferdestärke extra würde demnach mit fast 275 Euro zu Buche schlagen. 104.935 Euro kostet das GTS-Coupé, 115.050 die Ausführung mit dem elektrischen Stoffverdeck.
Eher ist der GTS wohl ein Fall für kühle Rechner, denn außer Karosserieheck, Spurbreite und Reifendimension des Turbo verfügt er ab Werk über eine Reihe von Sonderausstattungen, die bei Einzelbestellung am Carrera-Modell viel teurer kämen. So ziert im Innern ein üppiger Alcantara-Look die Ausstattung, geben Sportsitze mit elektrischer Verstellung Halt beim hungrigen "Kurvenfressen", und das neue Sportlenkrad signalisiert mittels in die Speichern eingelegter Leuchtdioden, wann die Launch-Control oder der Fahrmodus Sport Plus aktiviert sind.
Größerer Tank auf Wunsch
Für den Brückenschlag zu den noch sportlicher positionierten GT-Modellen der Elfer-Reihe sorgen die 19-Zoll-Räder mit Zentralverschluss. Sie kann der spätentschlossene Carrera-Kunde zum Beispiel auch nicht als Sonderausstattung nachordern, weil sie einen speziellen Radträger erfordern. Geschaltet wird im GTS wahlweise mit einem Sechsgang-Hand- oder dem aufpreispflichtigen PDK-Getriebe.
Der nie verstummende Kritik am eigentlich überflüssigen Männer-Spielzeug Sportwagen begegnet Porsche mit immer neuen Meldungen über Effizienzsteigerungen. So verbraucht der GTS trotz der Steigerung von Motorkraft und Fahrleistungen nicht mehr als der Carrera S. Das sind im Schnitt nach EU-Normtest 10,2 Liter Super je 100 Kilometer. Wem der 67 Liter große Standardtank nicht reicht, kann aufpreisfrei einen 90 Liter großen Vorratsbehälter einbauen lassen.
Alle Anzeichen sprechen dafür, dass der GTS als 20. Mitglied der Modellfamilie das letzte Derivat sein wird, das Porsche seinen Kunden anbietet. In den USA, wo die Marke gerade ihre 60-jährige Präsenz auf dem Markt zelebriert, ist schon spürbar, dass die Kundschaft sehnsüchtig auf den neuen 911er wartet. Zwar liegt der Absatz schon wieder auf dem Niveau des Jahres 2008, doch der Elfer liegt in der Beliebtheitsskala der Amerikaner nur noch an dritter Stelle: Von Cayenne und Panamera verkaufte Porsche jenseits des Atlantik mehr Autos als von der Marken-Ikone.
Quelle: ntv.de