Chrysler Grand Voyager Diesel Amerikanisches Familien-Schiff
14.10.2004, 08:48 UhrVon Axel F. Busse
Chrysler nimmt für sich in Anspruch, vor 20 Jahren das Segment des Mini-Vans kreiert zu haben. Mag sein, aber wenn sein Modell Grand Voyager dazu gehört, was ist dann ein Opel Zafira oder ein Fiat Idea? Die Bezeichnung hat mit dem amerikanischen Verständnis von Größe zu tun. Ein "Van" ist nach englischem Sprachgebrauch ein Liefer- oder Möbelwagen und zum Beispiel ein 12 Meter langer geschlossener Sattelauflieger ein "Box-Van".
Das stattliche Familienmobil aus Auburn Hills misst dagegen "nur" 5,10 Meter – der Zusatz "Mini" scheint also lediglich aus europäischer Sicht unangebracht. Was die Großraumlimousine mit dem neuen 2,8-Liter-Common-Rail-Dieselmotor in der Praxis bringt, klärte ein 2000-km-Test.
Der Grand Voyager ist nicht nur so lang, dass die Anschaffung einer Einparkhilfe dringend geboten erscheint, sondern mit Dachreling auch mehr als 1,80 Meter hoch. Die Befestigungsmöglichkeit für Dachlasten ist im Grundpreis von 43.900 Euro enthalten, der Parkpilot jedoch nicht. Sonst muss man kaum auf Annehmlichkeiten verzichten, denn die Liste der Serienausstattungen ist lang: Navigationssystem, 6-fach-CD-Wechsler, Zwei-Zonen-Klimaautomatik, ein 8-fach elektrisch verstellbarer Fahrersitz, automatisch abblendender Innenspiegel und vieles mehr gibt es ohne Aufpreis.
Dafür muss man allerdings in Kauf nehmen, dass die Zentralverriegelung die Tankklappe nicht erfasst und der Verschlussdeckel nur umständlich mit dem Zündschlüssel zu öffnen ist. Auch die Entriegelung für die Feststellbremse sitzt unpraktisch am Rande der Reichweite des Fahrerarms. Chrysler bietet in diesem Modell erstmals einen Dieselmotor in Verbindung mit einem Automatikgetriebe an. Das passt gut zu einem Reisemobil dieser Bauart, jedoch dürfte der dann obligate Lenkrad-Schalthebel für den mitteleuropäischen Geschmack eine Idee zu amerikanisch sein.
Wichtigstes Kaufargument für einen Van ist von jeher die große Variabilität. Auch im Voyager gibt es an dieser Eigenschaft im Prinzip nichts zu bemängeln. Wer allerdings in seinem Exemplar die 3-fach-Sitzbank in der dritten Reihe bestellt, sollte sich zum Ein- und Ausbau schon mal Verstärkung sichern: Mit 65 Kilogramm ist das Möbel so massiv geraten, dass die Schaffung zusätzlichen Laderaums nicht von einer Person allein bewältigt werden kann. Mit rund 18 Kilo sind die ebenfalls ausbaubaren Einzelsitze auch nicht gerade Leichtgewichte, liegen aber im Durchschnitt dessen, was auch andere Hersteller bieten.
Ist der Kraftakt erst einmal vollbracht, bietet der Grand Voyager das sagenhafte Transportvolumen von mehr als vier Kubikmetern. Die elektrischen Schiebetüren sind praktisch und erlauben bequemen Zugang zum Innenraum, obwohl die Öffnungen nur 75 cm breit sind. Mit 480 Kilogramm ist die maximale Zuladung der Limited-Version für einen 7-Sitzer allerdings etwas knapp bemessen. Das Rechenexempel: Sieben erwachsene Männer bringen locker 500 Kilo auf die Waage, ihr Gepäck müssten sie in dem Fall eigentlich anderswo transportieren lassen
Der Common-Rail-Diesel hinterließ beim ausgiebigen Cruisen auf der Autobahn einen soliden Eindruck. Zwar klingt das bullige Aggregat im Kaltlauf fast wie das eines Lkw, ist er erstmal auf Betriebstemperatur, läuft er kultiviert und bietet harmonisches Zusammenspiel mit der 4-Stufen-Automatik. Mit 150 PS ist das mehr als zwei Tonnen schwere Gefährt sicher nicht übermotorisiert, doch offenbarte es mehr Fahrdynamik als diese Daten erwarten ließen. Mit einem Testverbrauch von 8,5 Litern je 100 km blieb auch der Durst im vorgesehenen Limit.
Von kontinentalen Einflüssen weitgehend unbehelligt, kann dieser amerikanische Freund seine etwas betagte Grundkonstruktion nicht vollständig verbergen. Als Nobelkombi mit hohem Nutzwert und viel Bequemlichkeit dürfte er aber weiterhin seine Kunden finden.
Quelle: ntv.de