Ex-Profi Tom Nütten fiebert mit "Super Bowl ist mehr als ein Sportereignis"
05.02.2017, 16:27 Uhr
Quarterback Tom Brady (silberner Helm) von den New England Patriots spielt seinen siebten Super Bowl.
(Foto: AP)
In der Nacht von Sonntag auf Montag sitzen Millionen Zuschauer vor dem Fernseher, nehmen stundenlange Zeitverschiebungen in Kauf: Die New England Patriots und die Atlanta Falcons treffen im Super Bowl aufeinander. Der in Deutschland aufgewachsene Tom Nütten (45) hat dieses Spektakel zweimal als Spieler miterlebt. Im Januar 2000 gewann er sogar die Trophäe. Im exklusiven Interview mit n-tv.de erklärt der Ex-Profi, warum die Sportwelt beim Super Bowl kopfsteht.
n-tv: Herr Nütten, warum strahlt der Super Bowl so eine Faszination aus?
- geboren am 8. Juni 1971 in Toledo, Ohio - aufgewachsen im nordrhein-westfälischen Oelde
- Nütten spielte zunächst Handball, Rugby und Eishockey bevor er zum American Football wechselte.
- Er war von 1995 bis 2005 aktiv, gewann 2000 den Super Bowl und wurde zwei Mal NFC-Meister.
- Nütten arbeitet als Kolumnist sowie als Moderator und betreibt ein Restaurant in seinem Wohnort Florida.
Nütten: Für mich steht der Sport im Vordergrund: American Football ist brutal. Männer gehen auf den Platz und messen sich kräftemäßig miteinander. Zudem ist Football der ultimative Mannschaftssport. Ein Team kann nur erfolgreich sein, wenn auf allen Positionen gut gearbeitet wird. Hier in Amerika ist der Super Bowl das größte Sportereignis – größer als die NBA-Finals oder die World Series im Baseball. Das liegt auch daran, dass die Meisterschaft in einem einzigen Spiel entschieden wird. Im Basketball oder Baseball kann sich das Finale über sieben Spiele hinziehen.
Wie schwierig ist es für einen normalen Fan, Tickets für den Super Bowl zu bekommen?
Das ist extrem schwierig, fast schon unmöglich. Gerade wenn eine Mannschaft wie die New England Patriots im Finale steht, die in ganz Amerika Fans hat, steigen die Ticketpreise in die Höhe. Man hört von Preisen über 10.000 Dollar. Zum Glück gibt es hier in den USA genügend andere Möglichkeiten, um den Super Bowl zu genießen.
Zum Beispiel?
Einmal gibt es natürlich die großen organisierten Veranstaltungen. Jede größere Party-Marke, ob nun Smirnoff oder Playboy, veranstaltet eine Super Bowl Party. Ehemalige Spieler werden eingeladen, und Superstars wie zum Beispiel Jay-Z machen Musik. Auch hier benötigt man Kontakte oder muss viel Geld bezahlen, um hineinzukommen. Die meisten Familien feiern den Super Bowl daher privat. Man macht sich ein kleines Buffet zurecht und lädt Freunde und Familie ein. Die meisten Amerikaner wetten untereinander. Welche Mannschaft macht die ersten Punkte? Wird das ein Touchdown oder ein Field Goal sein? Das Wetten gehört dazu, damit alle richtig mitfiebern.
Die Familie kommt zusammen, ein Buffet wird hergerichtet – das klingt wie an einem Feiertag.
Absolut. Der Super Bowl ist mehr als nur ein Sportereignis. Auch das Rahmenprogramm ist wichtig. Alleine schon die Werbespots: Das sind 30-sekündige Blockbuster, die extra für den Super Bowl produziert werden. Manche sind lustig, andere gehen unter die Haut oder sind voller Spezialeffekte. Das sind die teuersten Reklamen des Jahres. In Las Vegas wird sogar gewettet, welches Unternehmen die meisten Werbespots bringt oder wer den besten Spot hat. Hinzu kommt die Halftime Show...
… bei der diesmal Lady Gaga auftreten wird.
Das ist ein wichtiger Bestandteil des Super Bowls und sicherlich ein Grund dafür, dass auch Menschen einschalten, die sich eigentlich gar nicht für Football interessieren.
Zurück zum Sport: Die Finalteilnehmer der vergangenen Saison haben sich diese Saison nicht einmal für die Playoffs qualifiziert. Fast alle Mannschaften erleben in der NFL ein Auf und Ab. Warum ist die NFL ausgeglichener als der europäische Fußball?
Der Hauptgrund sind die Drafts, wo die schlechtesten Mannschaften die besten Nachwuchsspieler verpflichten können. Zudem unterliegen alle Teams einer Gehaltsobergrenze. Das sorgt für Ausgeglichenheit. Im Fußball hingegen haben Vereine wie Bayern München oder FC Barcelona einfach mehr Geld zur Verfügung als die Konkurrenten und können beliebig hohe Gehälter zahlen. Das ist ein wesentlicher Unterschied zwischen dem amerikanischen und dem europäischen Profisport.
Sie standen zweimal im Super Bowl. Wie erlebt ein Spieler die Tage vor diesem Event?
Das Medieninteresse ist riesengroß. Es gibt den Media Day, wo beide Mannschaften für Interviews zur Verfügung stehen müssen. Auch an den übrigen Tagen gibt es viele Interviewrunden. Selbst ich als Offensive Lineman, der ansonsten nicht so im Fokus stand, habe so viele Interviews gegeben wie sonst vielleicht ein Quarterback.
Verspürten Sie auch während des Spiels noch ein besonderes Prickeln?
Für mich war das nach drei Minuten Spielzeit ein ganz normales Football-Spiel. Das ist bei dem ganzen Trouble herum extrem wichtig. Man muss auf das eigene Spiel fokussiert sein. Ich habe oft nicht einmal auf das Spielfeld geguckt, wenn unsere Defense auf dem Platz stand.
Nicht einmal im Super Bowl des Jahres 2000, als der Sieg im letzten Spielzug auf der Kippe stand? Den Tenneessee Titans fehlten damals nur wenige Zentimeter bis zum Ausgleich.
Auch da habe ich nicht auf das Spiel geguckt. Für mich war es wichtig, die Konzentration beizubehalten. Hätte Tennessee den Touchdown erzielt, wäre das Spiel in die Overtime gegangen und ich hätte wieder auf das Feld gemusst. Als der Spielzug ausgespielt war und der große Jubel ausbrach, wusste ich im ersten Moment nicht einmal, ob wir jubeln oder der Gegner.
Es war Ihre Mannschaft, die damals siegte. Wie wurde der Super-Bowl-Sieg danach gefeiert?
Nach jedem Super Bowl findet eine Party statt – auch für den Verlierer. Immerhin ist es eine große Leistung, überhaupt das Finale erreicht zu haben. Wenn die Sieger-Mannschaft in die Heimat zurückkehrt, findet dort eine große Parade statt. Bei uns in St. Louis waren damals knapp eine Million Menschen auf den Straßen – und das bei einer Temperatur von etwa 0 Grad. Da kapiert man erst so richtig, was man geleistet hat.
Zwei Jahre später unterlagen Sie im Super Bowl den New England Patriots...
Das war ganz bitter. Ich habe die Erinnerungen daran komplett verdrängt. Ich habe mir das Spiel nie im Fernsehen angesehen, nicht einmal Ausschnitte. Ich kann mich kaum noch daran erinnern, habe maximal drei Spielzüge im Kopf.
Der Quarterback der Patriots war damals Tom Brady, der nun am Sonntag erneut im Super Bowl steht. Er zählt zu den größten Sportstars der USA. Ist er weiterhin der beste Quarterback der Welt? Oder ist Falcons-Quarterback Matt Ryan genauso stark?
Das Beeindruckende an Tom Brady ist, wie lange er schon ganz oben dabei ist. Er ist total cool und ein richtiger Anführer. Matt Ryan spielt auch schon lange auf hohem Niveau, stand aber immer im Schatten, weil er mit den Falcons nie den Super Bowl erreicht hat. Das ist auch der Grund, warum die Patriots viel mehr Fans haben. Die sind seit 15 Jahren oben dabei.
Was für ein Spiel erwarten Sie?
Beide Mannschaften sind in der Offensive sehr gut besetzt. Besonders die Falcons haben viele starke Wide Receiver (Passempfänger, Anm.d.Red.). Aber auch die Offensive der Patriots ist eine Maschine, die immer weiterläuft. Ich denke, dass es viele Punkte geben wird.
Mit Tom Nütten sprach Oliver Jensen
Quelle: ntv.de