Blickfänge, Holzpuppen und Stalker DSDS geht in die achte Runde
09.01.2011, 15:52 Uhr
Der Oliver Kahn der deutschen Popmusik: Dieter Bohlen.
Es ist mal wieder so weit: Zum achten Mal sucht Deutschland seinen Superstar. Zum Auftakt gibt es neben "Austro-Pop" und einer stimmgewaltigen Puppenspielerin natürlich auch Exzentriker. In der Jury betören zwei Neue die Zuschauer. Dieter Bohlen lebt derweil gefährlich.
DSDS ist eigentlich nicht mein Terrain. Da trällern weichgespülte Männer und aufgestylte Girlies Songs, die ich schon im Original keine zwei Minuten aushalte. Da wird jede Oktave durch eine theatralisch zitternde, sich auf und ab bewegende Hand nochmal verbildlicht. Und am Ende einer Staffel ist dann meistens ein Mann Superstar auf (eine eher begrenzte) Zeit. Die Besiegten bleiben natürlich auch im Business, müssen sich jedoch ganz genau aufeinander abstimmen, damit sie sich auf Kleinstadt- und Shoppingcenter-Festen nicht in die Quere kommen.

Phänomen DSDS: Jedes Jahr aufs Neue besticht die Sendung mit Top-Quoten. Dieses Mal sahen 8,2 Milionen Zuschauer den Auftakt. Der Marktanteil lag bei 36,8 Prozent. Rekord!l
Aber was soll man machen, wenn einen der Kollege in feinster Machiavelli-Manier um Mithilfe bittet? Dann ist der Biss in den sauren Apfel unausweichlich. Und irgendwie wird diese eine Stunde schon vergehen. Vielleicht sind meine Bedenken ja wider Erwarten völlig unangebracht. Vielleicht gibt es für den Kollegen ja auch ein dickes Dankeschön für einen gelungenen Abend.
Heute Abend erwartet den Zuschauer zunächst einmal allerhand Skurriles und so mancher Kandidat wird ihm ein Gefühl von Überlegenheit geben. Womit sich die Frage stellt, mit welcher Motivation die völlig talentlosen unter den "Probanden" vor die Kamera treten. Ist es ein Hang zum Masochismus? Ist es eine Kunstperformance mit tieferem Inhalt? Oder sind diese Kandidaten gar nicht die, für die wir sie halten, sondern nur fiese Personenimitatoren mit Gummimasken à la Fantomas, die mit irgendjemandem eine Rechnung zu begleichen haben? Wie auch immer - dass es für schiefe Töne und stupide Tanzeinlagen auch mal hämische Worte geben kann, sollte jedem Teilnehmer klar sein.
Zwei Giganten für die Jury

Für Dieter Bohlen gibt es zwei neue Kollegen: die feurige Brasilianerin Fernanda Brandao und der geheimnisvolle Frauenschwarm Patrick Nuo.
Mit genauen Vorstellungen von ihrem Arbeitsplatz gingen auf jeden Fall Dieter Bohlens Co-Juroren in die Spur. DSDS verfährt seit jeher nach dem Modell "guter Cop, böser Cop". Wobei die Raubein-Rolle natürlich dem 56-jährigen Sonnenanbeter Bohlen allein vorbehalten ist. Seine Kollegen sind für die sanften Töne zuständig und Fernanda Brandao hat diese Aufgabe schon mal sehr gut verinnerlicht. Schließlich weiß sie selbst, wie einsam man sich im Musikbusiness fühlen kann. Seit 2007 will es mit ihrer Band, den Hot Bandidoz ("Veo, Veo") nämlich nicht mehr so richtig klappen. Zur Leistung der Kosmetikerin Shole Haidari, wegen der ich demnächst wohl meine Ohren einem Spezialisten vorstellen werde, sagt sie dann auch vorsichtig, es würde für die ganz große Bühne nicht reichen. So eine Nette.
Flankiert wird die 27-Jährige neben Bohlen vom Schweizer Hit-Giganten Patrick Nuo, bekannt für ... ähh ... egal – Popularität sagt doch eh nichts über Qualität aus. Während die schöne Brasilianerin wie gemacht für das Bohlensche Beuteschema scheint, gibt Nuo den geheimnisvollen Frauentypen. Halblanges Haar, perfekt getrimmter Dreitagebart, dezenter Brusthaar-Ansatz – eigentlich Wettbewerbsverzerrung, werden die weiblichen "Probanden" durch ihn doch mit einer Extraportion Nervosität ins Rennen gehen. Doch ein Wettbewerbsnachteil durch Nuo könnte auch dem ersten Kandidaten, Ralph Joachim Edler von Goerbitz, ins Haus stehen. Der "Checker aus Alt-Moabit" hat nämlich österreichische Vorfahren – und das Verhältnis zwischen Ösis und Eidgenossen ist traditionell schwierig. Aber keine Sorge, der selbstbewusste Hauptstädter disqualifiziert sich ganz von allein. Das deutet sich schon in seinem Vorstell-Clip an.
"Time to Say Goodbye" oder doch "Mercy"?
Wissen Sie, was Dendrophilie ist? Die liegt vor, wenn sich Menschen sexuell von Bäumen angezogen fühlen. Ich stoße auf das Wort, weil ich nach einer Erklärung für das suche, was Kandidat von Goerbitz im Clip mit seinem Gartengehölz macht. Bei solch laszivem Gehabe verwundert es letztlich, dass der Blaublüter der Jury mit "Time to Say Goodbye" kommt. Weniger überraschend ist sein baldiges Aus – da kann nicht einmal das beherzte Eingreifen von Sarah-Brightman-Imitatorin Maria helfen. Die hat von Goerbitz kurz vor der Sendung kennengelernt. Und so muss er sich wenigstens nicht allein auf den Weg in den heimischen Garten machen.
Die 17-jährige Anna-Carina hat ebenfalls eine Vorliebe für Holz. Denn aus diesem ist ihr "Peterle", eine Marionette, geschnitzt. Anna-Carina ist eine ganz Sympathische. Das liegt einerseits an ihrem Schausteller-Beruf, zum anderen aber auch an ihrer natürlichen Art. Außerdem erinnert ihr Auftritt an Metallicas "Master of Puppets" und lässt kurz von einer angenehmeren musikalischen Untermalung träumen. Sie selbst meistert Duffys "Mercy" mit Bravour und kommt eine Runde weiter.
Überzeugt zeigt sich die Jury auch vom frischgebackenen Austro-Arzt Marco. Der versucht es gar nicht erst mit Falco, sondern setzt auf Paolo Nutinis "These Streets". Um gleich mit einem eigenen Stück nachzulegen. "I lebb lieber bunt, los mi net einlulln und lebb sicher net so wie's ondre wulln", heißt es da. Viel Glück im Musik-Business.
Armer Leandro
Die schon angesprochene Kosmetikerin Shole glänzt dagegen nur in ihrem Gesicht. Findet jedenfalls der Dieter. Aber Bohlen sollte besser aufpassen, mit wem er sich da anlegt. Denn Shole ist bei Myspace mit mehreren Rappern, darunter Bushido, befreundet. Obwohl: Freundschaften bei Myspace sind jetzt auch nicht so aussagekräftig. Da wären sogar die Staatschefs Nord- und Südkoreas relativ schnell Buddies. Mit ihrer Interpretation von Lady Gagas "Paparazzi" kann sich die Jury jedenfalls nicht anfreunden. Stattdessen gibt es schmerzverzerrte Gesichter. Und vielleicht untermauert das unnatürliche Glänzen von Sholes Haut ja auch die schon angesprochene Masken-Theorie.
Herzlichen Glückwunsch zur neuen Stalkerin, lieber Dieter. "Das ist mein geheimer Schwan. Ich würde mich für Dieter sogar von meinem Mann scheiden lassen", sagt Hendrikje allen Ernstes. Für ihren Schatz hat die sportliche Wolfsburgerin sogar ein Bild gemalt. So richtig bizarr wird es dann beim Vorsingen. Da gibt Hendrikje erst die Stalking-Hymne "Er gehört zu mir" zum Besten, flüchtet sich dann ohne jeden ersichtlichen Grund in Gymnastik-Einlagen und zieht schlussendlich auch noch blank (Gott sei Dank waren entscheidende Stellen abgeklebt). Klar, auch … ähh … "Querköpfe" braucht das Land, aber Bohlens neuer Edelfan hat einen Sohn, den kleinen Leandro. Der wird sicher ganz stolz auf die Mama sein und in seiner Schulklasse ein paar Ansehens-Stufen nach oben klettern. Für ihren Mann, der das Geschehen vor Ort an einem Monitor verfolgen darf, ist kein Mitleid übrig. Der sollte seine Ehefrau schließlich kennen und daran interessiert sein, seinen Filius vor einem solchen Desaster zu bewahren. Ein Anruf beim Onkel Doktor und der hätte für die liebe Gattin alles in die Wege geleitet. Nein, nein, lieber Sascha, die nächsten Wochen mit Papiertüte über dem Kopf hast Du dir selbst zuzuschreiben. Allerdings bin ich selbst auch nicht gerade der Hellste. Immerhin habe ich derzeit eine unangenehme Erkältung - ein Anruf beim Arzt und ich hätte mir den Auftritt Deiner Frau ersparen können.
Ist Fernanda schlecht im Bett?
Mit der wundersamen Wolfsburgerin geht die erste Show der achten Staffel dann aber auch zu Ende. Mein Fazit? Es hätte eigentlich schlimmer kommen können! Die eine Stunde verging wirklich wie im Fluge und die erste Werbepause konnte ich nutzen, um mir ein Bier aus dem Kühlschrank zu holen. Zudem muss ich mir, im Gegensatz zu Dieter Bohlen, auch keine "Kap-der-Angst"-Szenarien zu möglichen Stalkerinnen ausmalen. Ich habe gelernt, was Dendrophilie ist und dass die Puppenspieler-Profession doch noch vererbt wird. Da soll noch einer sagen, Privatfernsehen würde nicht bilden.
Vielleicht werde ich ja nächste Woche wieder reinzappen! Die Vorschau macht nämlich irgendwie Lust auf mehr. Das liegt aber weniger am metrosexuellen Straßenkehrer, der die Jury mit seichtem Balladen-Gesang betört. Vielmehr interessieren mich die vier Typen, von denen jeder einzelne wie eine Mischung aus Autoschieber, Türsteher und Zauberer aussieht. Einer hinterlässt doch tatsächlich einen Gruß von Sholes Kumpel Bushido: Fernanda sei nicht so gut im Bett. Zeig's den Kerlen, Zuckerhut-Prinzessin.
Quelle: ntv.de