Es ist wieder soweit: Deutschland darf sich ein neues Supertalent aussuchen, und das wird gar nicht so einfach. Die Auswahl reicht von singenden Engeln über Hypnotiseure bis zu Frauen mit Abrissbirnen statt Brüsten.

Das Supertalent ist wieder da. Oder besser: Die Suche nach einem Supertalent. Wir alle hoffen natürlich, dass es nicht wieder ein Hund wird, und auch dass Auftritte von furzenden Engländern möglichst im Keim erstickt werden (man kann sich schließlich auch eine Rakete in den Hintern stecken oder mit Brüsten um sich schlagen, doch dazu später mehr). Am Freitagabend ging es los, und der Zuschauer wird sofort in die nächste Sendung gelotst, indem die gute Sylvie van der Vaart am Ende der Show mal eben in Hypnose versetzt wurde und erst in der nächsten Show (Samstagabend, 20.15 Uhr, RTL) wieder geweckt wird. Natürlich wollen wir jetzt alle wissen, was sie in der anderen Dimension erlebt hat.

Und man könnte ja auch getrost wieder einschalten, wenn die Kandidatenauswahl tatsächlich so getroffen werden würde, wie Chef-Juror Dieter Bohlen es versprochen hatte: Eine Familiensendung soll das "Supertalent" sein – und das stimmt auch zu großen Teilen. Der Rest ist jedoch bedenklich. Und nur dann empfehlenswert, wenn Sie über charakterstarke Kinder mit einem Hang zum erwachsenen Humor verfügen. Doch lesen Sie selbst.

O sole Michi

Süß, der kleine Michael, der so herzerweichend "O sole Mio" singt (und auch noch weiß, was das heißt), doch trotz Kinderbonus muss er gehen. Dieter findet nämlich, dass der Kleine noch eher auf den Spielplatz gehört als in eine Casting-Show, und da auch lieber noch "ein paar Jungs" verkloppen sollte. Das wird der kleine Michael garantiert nicht machen, aber einen Grund für sein Ausscheiden hat er gefunden: Schuld ist – wie sollte es anders sein – die Mutti. Die hatte ihn nämlich am Klavier begleitet, doch der Stöpsel fand: "Sie spielt heute nicht gut". Naja, er wird es verkraften, er wirkte ganz stabil.

Zuvor hatten sich die Zuschauer bereits von den Falco-interpretierenden Zwillingen verabschieden müssen, bei denen der später zugeschaltete TV-Konsument erst einmal raten musste, ob sie denn Männlein oder Weiblein sind. Egal, wir haben keine Zeit und machen weiter, wir wollten ja testen, ob das Programm tatsächlich kindertauglich ist.

Dieter und die "Gürken"

Ein smarter Samurai-Kämpfer kam dann, der seinem Kumpel das scharfe Schwert um die Ohren fliegen ließ und auch den Dieter nicht schonte: Ihm wurde kurz mal die Gurke gekürzt, d.h. er hatte sich ein wenig Gemüse auf den Arm legen lassen und der smarte Samurai machte mal eben Gürkensalat (wie Bruce es nennt) aus dem wässrigen grünen Ding. Schön, dabei die Sylvie (wie immer zuckersüß) und den Bruce (unfassbar, wie seine Augen sich mit Wasser füllen können und dann, wenn er seine Lider mit den langen, geschwungenen Wimpern senkt, eine Träne seine Bambi-Augen verlässt), zu beobachten: In ihren Gesichtern stand wirklich die blanke Angst um ihren Diedder, der auch schon jammerte, warum ihm das zu schneidende Gurkending auf seinen linken Arm gelegt werden musste – schließlich sei er Linkshänder UND Genie in Personalunion. Am Ende ging natürlich alles gut, der Samurai war ja vom Fach, und alle konnten sich wieder bequem auf ihre Stühle setzen. Spannung mit "Hände-vors-Gesicht-halt"-Faktor.

Busenwiegen II.

Überhaupt war in der Jury dieses Mal unheimlich viel Bewegung: Als Busty Heart, eine wahrlich mopsfidele Blondine, anfing, auf der Bühne Dosenbier und andere sperrige und harte Gegenstände mit ihren Riesenbrüsten zu zerquetschen oder zu zerteilen, waren sich Bohlen und van der Vaart nicht zu schade, die "Abrissbirnen" selbst anzufassen und zu begutachten. Nur der Bruce flüchtete, weil er nicht anfassen wollte - er rannte einmal durchs Publikum und wieder auf die Bühne. Ein Gentleman, irgendwie. Eine spätere Busen-Wiegung erbrachte wie annodazumal schon bei Naddel, dass jede Brust um die 10 Kilo wiegt. Autsch. Das war grenzwertig, obwohl die Lady aus Amerika glaubhaft zu versichern suchte, es sei alles Fun – nun ja, wir werden sie wieder sehen und dürfen gespannt sein, was die "einzige Blondine mit Brüsten, die man auch aus dem Weltall sehen kann" dann zertrümmern wird. Ach ja, kindertauglich war das jetzt nicht unbedingt.

Magic im Raum

Auf die Tränendrüse wurde natürlich auch wieder gedrückt: Eine 15-Jährige mit, sagen wir mal: nicht idealen Maßen und extrem nervösem Auftreten, wollte es ihrer Mutti, die sie nicht schön genug findet, mal so richtig beweisen: Sie sang "Unbreak my Heart" und der Zuschauer vor dem Bildschirm wünschte sich zwecks Fremdschämgefahr im Anzug, dass sie doch bitte auch mindestens so klingen würde wie Toni Braxton. Aber nichts da, der Auftritt wurde leider recht peinlich, obwohl man ahnte, dass in dem Mädel mehr stecken muss. Das sah auch der Diedder so und bat ungewöhnlich milde um eine zweite Kostprobe, und siehe da: Geht doch! Der zweite Titel passte wie "Arsch auf Eimer", Dieter hatte "sechs Mal Gänsehaut" und fand, dass da "Magic im Raum" war. Wir hoffen, dass die gute noch ein paar Gesangsstunden nimmt, denn die Konkurrenz ist hart. Das war zwar okay für Kinder, aber irgendwie auch wieder nicht: Als Mutter möchte man einfach nie, nie, nie sein eigenes Kind so leiden sehen, weil es als einzige Chance, Aufmerksamkeit zu erreichen, meint, sich beim "Supertalent" zum Löffel machen zu müssen.

Darauf einen Dujardin

Lustig dann die Goldies, eine bunte Truppe von rüstigen Rentnern, die einen Ärzte-Song schmetterten ("Und wie du wieder aussiehst"): Dieter und Bruce finden’s cool, bewundern die Songauswahl: "Gut, Ärzte passt bei euch echt besser als Tote Hosen", findet man, doch die strenge Sylvie sagt nein. Egal, bei zwei zu eins dürfen die Oldies wieder kommen und wir freuen uns jetzt schon auf ihre Interpretation von "Geile Zeit" (oder so), denn "Der Herr Bohlen war ja", laut einem 86-jährigen Chormitglied, "gar nicht mal so unentgegenkommend wie ich dachte". Das geht doch runter wie Doppelherz und deswegen: Kinder und alte Leutchen – das läuft immer.

Es kam noch ein Herr, der sich seinen Körper ziemlich durchlöchert hatte, der sich Gewichte an die Ohrläppchen hing und Sylvie auf einer Bierkiste sitzend an seiner Zunge hängend mittels einem Fleischerhaken über die Bühne zog (Igitt!!!) und der Bruce’ Aussage: "Du bist ja total bekloppt" als Kompliment auffasste. War ja auch so gemeint. Er kommt wieder, und wenn man mit seinen halbwüchsigen Kindern bereits eindringlich über Piercings und Tattoos gesprochen hat spricht nichts gegen diese Art von Entertainment.

Der ist "Bravo-kompatibel"

Aber dann kam ja noch Andrea Renzullo: Was soll man dazu sagen? Der Junge singt wie ein Engel. Eigentlich könnte jetzt Schluss sein, er hat quasi schon gewonnen, okay, aber man will ihn einfach noch einmal hören, wie er für seine als Baby verstorbene Schwester singt. Hat man bei Dieter schon die Dollarzeichen in den Augen gesehen? Hat er ihm bereits einen Plattenvertrag angeboten? Er wäre dumm, wenn nicht. Wegen Andrea, soon-to-be Teenie-Schwarm, wollen wir eigentlich wieder einschalten, aber der Trailer hat uns bereits darauf aufmerksam gemacht, dass heute Abend ein Mann mit seinem Pinsel pinseln wird – und das wollen sich auch Erwachsene eigentlich nicht angucken.

Wir warten übrigens noch auf eine Tier-Nummer, aber da sich ja 40.700 Menschen beworben haben, wird sich schon noch was tierisch Gutes darunter befinden.

Ach ja, und wenn Sie wissen wollen, was Sylvie van der Vaart jetzt denkt, wer sie ist, und wenn wie viele, der muss heute Abend eben doch einschalten.