Grenzenlos musikalisch Joni Mitchell wird 65
07.11.2008, 08:12 UhrSie hat "eine der geschliffensten Stimmen der Pop-Musik". Joni Mitchell begeisterte insbesondere in den 70er Jahren eine ganze Generation. Mit Songs wie "Hejira" schuf sie Meisterstücke.
Joni Mitchell ist so schwer einzugrenzen wie das Land, aus dem sie kommt. In der kanadischen Prärie, der endlosen Weite von Saskatchewan aufgewachsen, wurde sie in den 60er Jahren als Folksängerin bekannt. Den "weiblichen Bob Dylan" nannte man sie damals. Für die Guinness-Enzyklopädie entwickelte sie "eine der geschliffensten Stimmen der Pop-Musik". Die Rock' n' Roll Hall Of Fame erklärte, Mitchell sei "unmöglich zu kategorisieren" und führte sie 1997 schlicht als "Künstlerin" bei sich ein. "Brillant" rühmt Herbie Hancock die Jazzambitionen seiner Kollegin. Wenn man Mitchell höre, "denkt man unwillkürlich an Billie Holiday oder Abbey Lincoln", sagt er. Am 7. November wird die Frau, die sich in so viele Genres traut und so viele Talente in sich vereint, 65 Jahre. Joni Mitchell, die Sängerin, Liederschreiberin, Gitarristin, Dichterin und erfolgreiche Malerin.
Ihre Karriere begann sie in Torontos Folk- und Rockszene, aus der auch Gordon Lightfoot hervorging. Dabei hatte sich die Tochter einer Lehrerin und eines Fliegeroffiziers mit dem bürgerlichen Namen Roberta Joan Anderson das Gitarrespielen mit einer Lehrschallplatte des Folk-Giganten Pete Seeger selbst beigebracht. Ihre Ehe mit dem Kollegen Chuck Mitchell holte sie 1965 in die USA, hielt aber gerade ein Jahr. Danach war New York angesagt. Dort half ihr David Crosby von den "Byrds" ihre erste LP zu produzieren - "Joni Mitchell" (1968). Bereits das dritte Album, "Ladies of the Canyon" mit dem bekannten "Big Yellow Taxi" schafft es 1970 unter die Top 30.
Stimme über vier Oktaven
"Court and Spark" (1974), ein lebhaftes Jazz-Pop-Album, macht Mitchell richtig populär. Es landet zwei Singles in den Top 40 und wird millionenfach verkauft. Zwei Jahre später gelingt ihr mit "Hejira" ein Meisterstück. Das ungewöhnlich freie Gitarrenspiel und ihre Stimme über vier Oktaven finden weithin Bewunderung. Neben der eigenen Arbeit beteiligt sie sich mit Joan Baez, Roger McGuinn und Allen Ginsberg an Bob Dylans "Rolling Thunder Tour" zugunsten des wegen Mordes verurteilten Boxers "Hurricane" Carter. Außerdem schreibt sie mit "Woodstock" einen Hit für Crosby, Stills, Nash & Young und die Hymne des legendären Festivals.
Mit ihrem achten Album "The Hissing Of Summer Lawns" (1975) wendet sich Mitchell unverkennbar dem Jazz zu. In "The Jungle Line" vereint sie Synthesizerklänge mit dem ekstatischen Rhythmus burundischer Trommeln und "Shadows And Light" hat beinahe religiösen Charakter. Die Juroren des Deutschen Schallplattenpreises erklären Mitchell zur "Künstlerin des Jahres". Ein sehr ergreifendes Werk gelingt ihr 1979 mit "Mingus". Es enthält vier Kompositionen des damals todkranken Jazzbassisten und -komponisten Charles Mingus, für die er Mitchell um Texte bat. Sie fügt zwei eigene Kompositionen hinzu, "God Must Be A Boogie Man" und "The Wolf That Lives In Lindsey" und ergänzt das Album durch Ausschnitte aus Gesprächen mit Mingus und seinen Freunden.
Hinwendung zum Jazz
Doch je weiter sie sich vom Mainstream entfernt, desto weniger Absatz findet ihre Musik. Mit dem Ausflug in den Jazz verscherzt sie es sich mit Rockfanatikern, und unter Jazzpuristen erntet die frühere Folkmusikerin eher Argwohn als Anklang. Doch das stimmt sie nicht um. Mit Unterstützung ihres Bassisten und zweiten Ehemannes Larry Klein entstehen künstlerische Höhenflüge wie "Turbulent Indigo" und "Taming The Tiger" mit fast orchestralen Gitarrenparts. Parallel widmet sich Mitchell der Malerei und gibt Ausstellungen in Tokio, Toronto und London.
Ende der 90er Jahre geht die Sängerin Mitchell, wie sie sagt, "in Rente". Doch Herbie Hancock gelingt es 2007, sie ins Studio zurückzulocken. Mit Stars wie Tina Turner, Norah Jones und Leonard Cohen produziert er ein Album zu ihren Ehren: "River: The Joni Letters". Das Projekt inspiriert Joni, neue Songs zu schreiben und eine eigene CD herauszugeben. In "Shine" klingt das "Prärie Girl" zwar noch tiefer, dunkler und melancholischer, aber ihre Musik kann sich mit ihrer besten aus den 70er Jahren durchaus messen.
Quelle: ntv.de, Gisela Ostwald, dpa