Unterhaltung

Islamfeindlichkeit und Pornofilm Michel Houellebecq geht für viele zu weit

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Michel Houellebecq ist ein Typ, der aneckt und provoziert - mit seinem Auftreten, seinem Werk, seinen öffentlichen Äußerungen.

(Foto: imago images/Manuel Cedron)

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Der französische Bestsellerautor Michel Houellebecq provoziert einfach gern. Mit islamfeindlichen Aussagen und einem vermeintlichen Porno-Trailer sorgt er kurz vor seinem 65. Geburtstag wieder mal für viel Kritik. Die Presse in Frankreich ist entsetzt, für viele ist er bald nicht mehr tragbar.

Zuerst sein Interview, in dem er von einem nationalen Aufstand gegen die Musliminnen und Muslimen des Landes fabuliert, die Frankreich unterminieren würden. Dann ein Porno-Trailer, in dem Michel Houellebecq mit einer jungen Frau im Bett liegt. Das Enfant terrible der Literaturszene, das am 26. Februar 65 Jahre wird, provoziert wieder. Nur ist er diesmal für viele zu weit gegangen. Die französische Tageszeitung "Libération" fragt sich sogar, ob er den Verstand verloren habe.

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Anfang 2022 erschien Houellebecqs Roman "Vernichten".

(Foto: picture alliance/dpa/Dumont)

Gewöhnlich erregt Houellebecq um diese Jahreszeit mit seinen neuen Romanen Aufsehen. So wie im Januar 2022, als "Vernichten" erschien, in dem er den Wahlkampf 2026/2027 in Frankreich thematisiert, und 2019 "Serotonin" über die Depression einer typischen Houellebecq-Figur. Diesmal jedoch macht er wegen eines vermeintlichen Porno-Films von sich reden, der am 11. März ins Netz gestellt werden soll. Ein Trailer zeigt den Autor im Bett mit einer jungen Frau.

"Kirac 27" - pornografisch?

Houellebecq hat schon mehrere Filme gedreht, darunter "Thalasso" mit Gérard Depardieu und "Die Entführung von Michel Houellebecq". Darin spielt er mehr sich selbst, als dass er schauspielert. Doch "Kirac 27" ist der erste, der als pornografisch gilt. Er erzählt Berichten zufolge von Houellebecqs sexuellen Abenteuern in Amsterdam. "Michel Houellebecq. Die Geschichte eines Untergangs", titelte "Libération" nach der Veröffentlichung des Trailers. Und das Magazin "Marianne" fragte: "Warum tut er sich das an?" Nun wollen seine Anwälte das Verbot des Films und das Löschen des Trailers erwirken.

Wie der Autor auf seiner Homepage schreibt, schade der Trailer seinem Privatleben, seiner Ehre und vor allem seiner Frau Qianyum Lysis Li. Mit der Chinesin ist er seit 2018 verheiratet. In dem Trailer zu "Kirac 27" erzählt der niederländische Regisseur Stefan Ruitenbeek aus dem Off, wie es zu dem Film mit Houellebecq gekommen sei, mit dem er seit geraumer Zeit per E-Mail kommuniziert habe. Demnach hatte der Autor ihm erzählt, dass er eine Sextourismusreise absagen musste. Es gäbe genügend Mädchen, die mit dem Star-Literaten Sex haben wollten, habe Ruitenbeek daraufhin geantwortet. Und das Ganze organisieren lassen, mit dem Ziel, daraus einen Film zu machen. Houellebecq selbst war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Seine Themen: Sex, Prostitution, "Islamisierung des Westens"

Die ganze Aufregung kann Ruitenbeek nicht verstehen. Er habe mit ihm einen Vertrag unterschrieben, sagte er dem Wochenmagazin "L'Express". Er finde es weder lächerlich noch unvernünftig, dass seine Figur Sex mit Prostituierten habe. Er selbst spreche darüber in seinen Büchern, erklärte er. Wie in dem 2001 veröffentlichten Roman "Plattform", in dem er den Sex-Tourismus in Thailand thematisiere.

Sex, Prostitution und eine behauptete "Islamisierung des Westens" gehören zu seinen bewährten Themen. Dabei handelt es sich am Ende natürlich immer noch um Fiktion. Doch Houellebecq äußert sich auch als öffentliche Figur. Ende November fabulierte er in dem rechtspopulistischen Magazin "Front Populaire" von einer nationalen Rebellion gegen die muslimische Bevölkerung des Landes. "Wenn ganze Gebiete unter islamistischer Kontrolle stehen, denke ich, dass es zu Widerstandsaktionen kommen wird. Es wird Anschläge und Schießereien geben in Moscheen, in von Muslimen frequentierten Cafés, kurz: umgekehrte Bataclans."

Bei dem Terroranschlag 2015 auf den Pariser Konzertsaal kamen 90 Menschen ums Leben. In dem langen Interview äußerte er rassistische Verfehlungen. Die Aussagen haben für ihn nun ein juristisches Nachspiel. Wegen Aufstachelung zum Hass gegen Muslime hat die Vereinigung der Moscheen in Frankreich Klage gegen ihn erhoben.

Anzeige wegen "Anstiftung zum Rassenhass"

Bereits 2001 wurde er wegen "Anstiftung zum Rassenhass" angezeigt. Als islamfeindlich wurde auch sein Roman "Unterwerfung" bezeichnet. Darin wird Frankreich von einem islamischen Präsidenten regiert. Das Buch erschien am 7. Januar 2015, jenem Tag, an dem der blutige Anschlag auf die Redaktion des Satiremagazins "Charlie Hebdo" verübt wurde.

Woher seine Islam-Besessenheit kommt? Die Zeitung "Libération" vermutet, dass sie aus seiner Kindheit in Algerien stammt, über die er nie spricht. Houellebecq wurde als Michel Thomas am 26. Februar 1958 auf der französischen Überseeinsel La Réunion als Sohn eines Bergführers und einer Ärztin geboren. Im Alter von sechs Jahren wurde er seiner Großmutter väterlicherseits anvertraut, deren Namen er annahm. Nach der Scheidung heiratete seine Mutter einen Muslim und konvertierte zum Islam.

Das Weitere ist bekannt. Im Jahr 1980 schloss er sein Studium als Agraringenieur ab und heiratete. Ein Jahr später kam sein Sohn Étienne auf die Welt. Dann folgten Scheidung, Depressionen und sein Roman "Elementarteilchen" über eine geklonte Gesellschaft, mit dem er 1998 international für Furore sorgte.

Immer mehr wenden sich von Houellebecq ab

Für Frankreichs Intellektuelle und Politiker wird Houellebecq langsam nicht mehr tragbar. Denn der Schriftsteller, der lange als Mann der Linken galt, ist unaufhaltsam nach rechts gerutscht. Immer mehr Menschen wenden sich von ihm ab.

Nach seinem Essay-Band "Interventions 2020", in dem er gegen Europa hetzt und Gegner der multikulturellen Gesellschaft unterstützt, hat sich die linksgerichtete Kulturzeitschrift "Les Inrocks" von ihm distanziert. Und nun auch das Satiremagazin "Charlie Hebdo". Mit dem größenwahnsinnigen Interview habe er die Grenzen überschritten, schrieb es. Im Namen der Meinungsfreiheit hatte es den Literaten lange unterstützt.

Quelle: ntv.de, Sabine Glaubitz, dpa

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