Als Mensch ein Rätsel Milan Kundera wird 80
01.04.2009, 07:00 UhrMilan Kundera will vor allem als Verfasser von Romanen gesehen werden. Als Privatmann jedoch wünscht der im tschechischen Brünn (Brno) geborene und in Frankreich lebende Erfolgsautor unbekannt zu bleiben. So versteckt er sich hinter seinen Werken, scheut die Öffentlichkeit und hat seit mehr als 20 Jahren keine Interviews mehr gegeben. Selbst als vor weniger Monaten in seinem Heimatland schwere Vorwürfe gegen ihn wegen Verrats eines Regimegegners an die kommunistische Staatssicherheit der damaligen Tschechoslowakei laut wurden, begnügte sich Kundera mit einem schlichten Dementi. Der Bestsellerautor von "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins", der am 1. April 80 Jahre alt wird, bleibt als Mensch auch weiterhin ein Rätsel.
Kundera gleicht einem Phantom. In den vergangenen Jahren ist es ihm gelungen, in seiner Wahlheimat Paris fast inkognito zu leben, was nicht einfach ist. Denn Kundera lebt mitten im Herzen der Stadt, im sechsten Arrondissement, dort wo sich in den traditionellen Literatencafs auch heute noch die in Paris lebenden Autoren ein Stelldichein geben. Doch Kundera misstraut der Öffentlichkeit und vor allem den Journalisten. Ein wirklicher Romancier scheue das Rampenlicht, um sein œuvre nicht zu gefährden, lautet seine Devise, an die er sich seit Jahrzehnten strikt hält.
Zerrissenes Verhältnis zu Frankreich
Der Franzose, Kundera nahm 1981 die französische Staatsgehörigkeit an, versteht sich als Erforscher der Existenz der sichtbaren Welt, als Beobachter. So veröffentlichte er 1967 mit seinem ersten Roman "Der Scherz" eine literarische Abrechnung mit der stalinistischen Phase in der ehemaligen CSSR. Und in "Das Leben ist anderswo" setzt sich der Autor mit dem Genie-Problem und seiner kommunistischen Vergangenheit auseinander. Für dieses teilweise autobiografische Buch erhielt er 1974 den begehrten französischen Literaturpreis Mdicis. Da Kundera erst ein Jahr später nach Frankreich ausreisen durfte, konnte er die Auszeichnung nicht persönlich entgegennehmen. Kundera hat zu Frankreich ein sehr besonderes Verhältnis. Während in der CSSR nach dem gewaltsamen Ende des "Prager Frühlings", zu dessen Hauptakteure er gehörte, seine Bücher verboten waren, wurden sie in Frankreich zu Bestsellern. "Zu meiner großen Überraschung war ich in meinem Exil in der ersten Minute glücklich", sagte der Romancier, der 1975 mit seinem Renault 5 voller Bücher nach Paris gereist war.
Doch als Frankreichs Kritiker begannen, seine Bücher schlechter zu beurteilen und sein philosophisches Werk "Die Identität" als trockenen Roman für eine Dürrezeit bezeichneten, überschattete sich sein Verhältnis zu seiner Wahlheimat. Aus Protest veröffentlichte er im Jahr 2000 seinen Liebes- und Exilroman "Die Unwissenheit" zuerst auf Spanisch, Italienisch, Englisch und Deutsch, bevor das Buch 2003 in Frankreich auf den Markt kam.
Romane schreiben ist wie Bomben legen
Auch Kunderas Verhältnis zu Tschechien gilt als schwierig. Wiederholt untersagte er Neuauflagen und Übersetzungen seiner Werke in seinem Heimatland, das ihm 1979 wegen Regimekritik die tschechoslowakische Staatsangehörigkeit aberkannt. Sein Welterfolg "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins" erschien in Prag erst im Jahr 2006 - 22 Jahre nach seiner Erstveröffentlichung in Paris.
Kundera bleibt ein Rätsel und ein Mensch, der sich hinter seinen Büchern versteckt. "Meine einzige Waffe ist und bleibt der Roman", sagte der Sohn eines Musikwissenschaftlers und fügte hinzu: Es sei ebenso gefährlich Romane zu schreiben wie Bomben zu legen.
Sabine Glaubitz, dpa
Quelle: ntv.de