"Jetzt gibt es die dummen Antworten" Oliver Polak darf auf Tour
17.03.2012, 13:42 Uhr
Der Panda aus Papenburg: Oliver Polak.
Papenburg und Judentum - das ist die Grundlage für den Humor von Oliver Polak. Der jüdische Comedian und Autor von "Ich darf das, ich bin Jude" träumt nicht davon, das deutsch-jüdische Verhältnis zu verbessern, er träumt lieber von jiddischen Pornos mit dem Titel "Analtevka". Aber erstmal geht Polak mit seiner Live-Show auf Tour.
"Vertreter der neuen jüdischen Kultur", "tabubrechender Sohn eines Holocaust-Überlebenden", ein "Schlussstrich-Prophet in Jogginghosen": Wenn Oliver Polak über die ganzen Etiketten nachdenkt, die ihm von den Medien aufgeklebt werden, sieht er dem "Panda aus Papenburg", als den er sich gerne selbst bezeichnet, gleich ein bisschen ähnlicher. Ein etwas müder Panda. "Es geht mir in erster Linie um Comedy", erklärt er dann geduldig und offensichtlich nicht zum ersten Mal. "Es geht nicht um das deutsch-jüdische Verhältnis, es geht nicht darum, die Leute zusammenzuführen oder was weiß ich. Es geht um Unterhaltung. Wie Udo Jürgens einmal sagte, steckt in dem Wort Unterhaltung 'Haltung' drin. Darum geht es."
Aber offensichtlich ist das ein Berufsrisiko, wenn man sich als erster jüdischer Stand-Up-Comedian in Deutschland auf die Bühne wagt und dort aufgeräumt erklärt, dass die Zuschauer nicht gleich Antisemiten seien, wenn sie ihn nicht witzig fänden. Da wird man schnell zum Anschauungsobjekt einer seltenen Gattung, wie die Pandas im Zoo eben: "Es ist ja wirklich so, dass in meinen Shows Menschen sitzen, die noch nie einen Juden gesehen, einen Juden angefasst oder mit einem geschlafen haben. Letzteres können sie dann bei mir machen", schlägt Polak vor und verliert bei dieser Aussicht gleich den Faden.
Ach ja, richtig, die neue jüdische Generation, die er angeblich verkörpert. "Ich bin ja gar nicht mehr so jung. Ich bin 35 Jahre alt. Und für mich verbirgt sich hinter diesem Schlussstrich-Geschwafel, ehrlich gesagt, irgendetwas Komisches." Natürlich freue er sich, wenn das Publikum auch berührt sei. Wenn die Leute aus seiner Show gingen und über bestimmte Sachen nachdenken würden. "Aber das ist nicht meine Hauptintention."
Darf man das?
Dass sich hierzulande auch viele Juden fragen, ob man Witze über Schäferhunde, die Deutsche Bahn und gelbe Sterne unbedingt auf einer Bühne machen muss, kann Polak verstehen. Auch die Sorge, damit Vorurteilen noch Vorschub zu leisten. Sein Buch und seine DVD heißt "Ich darf das, ich bin Jude", trotzdem. "Judentum in Deutschland hat verständlicherweise lange Zeit hinter Mauern stattgefunden, unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Ich verstehe auch die Ängste. Aber mein Buch heißt, wie es heißt, weil ich das lustig fand. Ich gehe da nach amerikanischem Vorbild vor, mein Alltag und meine Wurzeln sind einfach die Basis für meine Comedy-Programme. Ich setze mir keine Perücke auf. Ich bin nun mal jüdisch und ich komme aus Papenburg. Mir wurden 35 Jahre lang dumme Fragen gestellt und jetzt gibt es in den Shows die dummen Antworten."
Polak orientiert sich dabei an US-Comedians wie Sarah Silverman oder Judah Friedlander, weniger an den deutschen Kollegen: "Deutsche Comedy funktioniert oft über Ressentiments: Frauen können nicht einparken, Türken essen alle Döner, das ist dann schon die Pointe und der Gag. Aber zum einen stimmt das alles nicht und zum anderen ist das nicht lustig. Bei mir richtet sich der Humor in erster Linie gegen mich. Ressentiments ja, aber um sie zu zerschlagen."
Gegen platte Vorurteile als Pointen
Manchmal fände er in diesen Zusammenhang fragwürdig, was in Deutschland als Comedy geboten werde. "Wenn zum Beispiel Oliver Pocher in der Max-Schmeling-Halle vor Tausenden Zuschauern loslegt: 'Ey, Mensch, was wäre Berlin ohne Türken? Sicher, sauber und man würde wieder deutsch sprechen.' Und dann klatschen alle auf 1 und 3 und johlen", ärgert sich Polak. "Es gibt da keine Doppelbödigkeit, keinen Dreher. Und das ist für mich in diesem Moment eine Form von Rassismus."
In Deutschland habe man zwar in den 1990ern von den USA den Begriff der Political Correctness übernommen, aber ohne ein Bedürfnis, ohne ein Anliegen. "Der Begriff wird nur noch ironisch verwendet, auch weil viele Leute gar nicht wissen, was er im Grunde bedeutet", so der Comedian.
Wie eine Udo-Jürgens-Show

Wunsch-Duett-Partner Dirk von Lowtzow (l.) und Daniel Richter (r.), der eigentlich mal bei den Scorpions Keyboard spielen wollte.
Einen deutschsprachigen Künstler gibt es allerdings, vor dem Oliver Polak größten Respekt hat: Udo Jürgens. Weder Frank Sinatra noch Harald Juhnke waren das Vorbild für die Big-Band-Einlage in der neuen Live-Show, sondern alleine Udo Jürgens. "Seit ich mit zehn Jahren auf dem Konzert in der Weser-Emshalle in Oldenburg war, hat mich Udo Jürgens mit seiner Musik und seinen Texten berührt und begleitet", erzählt Polak.
Udo Jürgens sei für ihn ein bisschen wie das Judentum: "Als ich klein war, musste ich das immer hören, als ich über die Landstraße mit meiner Mutter nach Osnabrück zum Bar-Mizwa-Unterricht gefahren bin. Und das Konzert hat mich dann überzeugt. Aber im Alter von 18, 20, 22 Jahren habe ich das so ein bisschen versteckt, wie das Judentum auch. Irgendwann ist man dann halt emanzipiert und dann darf man auch jüdisch sein und Udo Jürgens hören", sagt Polak und beweist sogleich, dass er sich mit dem Sänger wirklich gut auskennt. Entspannt zurückgelehnt, die Füße mit den Adiletten auf den Tisch, holt Polak aus zu einem größeren Diskurs über Jürgens, seine Lieder, seinen Bademantel, die Zusammenarbeit mit Sammy Davis jr. und Shirley Bassey und seine Lebensenergie: "Der Mann ist 77 Jahre alt und gegen ihn fühle ich mich schon mit 35 Jahren gebrechlicher." So wie er selbst in Jogginghose zum Interview komme, würde sein Vorbild wahrscheinlich im Smoking kommen.
Neben der Bigband ist für Polak das Duett mit Dirk von Lowtzow, Front-Sänger der Band Tocotronic, ein weiteres Highlight: "In meiner Isolation in Papenburg, wo es auf Radio FFN nur Dire Straits, die Scorpions und Genesis gab, war es für mich als 15-Jähriger ganz wichtig, Tocotronic und Blumfeld zu hören. Die haben plötzlich Gedanken ausgesprochen, die ich immer in meinem Kopf hatte." Er habe dann in einem Interview von seinem Lied "Ich möchte Teil einer Judenbewegung sein" erzählt und sich Dirk als Duettpartner gewünscht, Dirk habe das gelesen und ihm eine nette Mail geschrieben. Nun wünsche er sich, dass die "Sendung mit der Maus" irgendwann mal Komiker erklärt und dass er das dann machen dürfe (imitiert die Sprecherstimme): "Was ist eigentlich ein Komiker?"
Sonst noch ein Wunsch? "Ich frage mich ja schon lange, ob es so jüdische Pornos gibt, wo Jiddisch geredet wird: "Kommse rein, Herr Rohrverleger, ich habe schon die Matze-Bällchen gemacht, haben Sie Lust, mir den Fish zu fillen?" Titel wären dann so "Schindlers Fist" oder "Analtevka".
Oliver Polak ist mit seiner Live-Show auf Tour. Die nächsten Termine: Saarbrücken (18.03.), Völklingen (19.03.), Köln (20.03.), Osnabrück (22.03.), Potsdam (29.03.), Magdeburg (30.03.), Zwickau (01.04.), Dresden (02.04.), Frankfurt (17.04.), Wiesbaden (18.04.), Düsseldorf (19.04.), Essen (20.04.), München (08.05.), Karlsruhe (24.05.), Mainz (25/26.05.), Papenburg (28.09.)
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Quelle: ntv.de