Lawrow: "Keine Perversionen" Russland freut sich auf seinen Anti-ESC
17.09.2025, 12:11 Uhr Artikel anhören
Wenn er dafür wirbt, wird es bestimmt ein richtig fröhliches Fest: Russlands Außenminister Sergej Lawrow.
(Foto: picture alliance / TASS)
Beim Eurovision Song Contest darf Russland nicht mehr mitmachen. Daher soll nun ein eigener Gesangswettbewerb für Stimmung sorgen. Mit dabei sind Länder wie China, Kuba - und die USA. Russlands Außenminister Sergej Lawrow verspricht, dass es züchtig zugehen wird.
Russland will zurück auf die internationale Bühne und versucht das am kommenden Samstag ganz wörtlich: Der Intervision Song Contest in Moskau soll eine Konkurrenz zum millionenfach geschauten Eurovision Song Contest (ESC) werden, aus dem Russland wegen seines Angriffskriegs ausgeschlossen worden ist.
Wie so vieles im flächenmäßig größten Land der Erde ist der Wettbewerb ein Auftrag von ganz oben: Kremlchef Wladimir Putin ordnete ihn Anfang Februar per Dekret an. Angesetzt sind dreieinhalb Stunden für den Abend.
Neu ist die Idee nicht, ein Pendant zum ESC gab es schon während des Kalten Krieges zu Sowjetzeiten. Nun sollen mehr als 20 Acts in der Moskauer Konzerthalle Live Arena mit Platz für bis zu 11.000 Menschen auftreten.
US-Sänger kommt "privat"
Anders als beim ESC ist keine Publikumsabstimmung vorgesehen, über den Gewinner-Act entscheidet eine Jury. Noch vier Tage vor dem Wettbewerb veröffentlichte der Veranstalter neue Teilnehmer. In welchem Maße die Auftritte der Musiker für ihre Länder offiziell sind, ist unklar.
So soll für die USA laut Veranstalter der Sänger B Howard (Brandon Howard) singen. Schlagzeilen machte er bislang vor allem durch Gerüchte, dass er ein Sohn von Michael Jackson sei. In der Jury würden die USA nicht vertreten sein, sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow bei einer Pressekonferenz vor der Veranstaltung. Die US-Amerikaner würden auch keine Delegation schicken. Lawrow zufolge erklärte die US-Administration, dass es sich um eine private Teilnahme des Künstlers handele.
Das einzige Land, das den Angaben des Veranstalters zufolge sowohl beim ESC als auch in Moskau antritt, ist Serbien. Weitere Teilnehmer beim Intervision Song Contest sind unter anderem Belarus und China sowie Musiker aus Indien, Südafrika, Ägypten und Kuba.
"Ohne jede Zensur"?
Für Russland soll der ultranationalistische Sänger Jaroslaw Dronow alias Shaman auftreten. Bekannt wurde er in seiner Heimat vor allem durch das nationalistische Lied "Ja Russki" ("Ich bin Russe"), das wenige Monate nach Kriegsbeginn veröffentlicht wurde. Er ist klarer Befürworter der Invasion und erklärter Anhänger von Kremlchef Wladimir Putin. Häufig tritt er bei von der russischen Obrigkeit organisierten Konzerten wie dem zum Jahrestag der Krim-Annexion auf. Er steht auf der EU-Sanktionsliste.

Vertritt den Gastgeber: der russische Ultranationalist Jaroslaw Dronow.
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Der Rauswurf aus dem lange auch in Russland sehr beliebten ESC schmerzt die Russen. Mit seinem Sieg 2008 brachte Dima Bilan den ESC im Folgejahr nach Moskau. Nach vier Ausgaben ohne einen Vertreter soll der eigene Wettbewerb die Sache nun richten. Bilan ist dabei offizieller Botschafter.
Intervision biete allen Ländern die Chance, "ohne jede Zensur" ihre besten musikalischen Traditionen vorzustellen, erklärte Außenminister Lawrow. Und er versprach: "Ich garantiere, dass es dort keine Perversionen und Verhöhnungen der menschlichen Natur geben wird."
"Bewahrung von Traditionen"
Bei der Pressekonferenz wenige Tage vor dem Ereignis sprach er davon, dass es bei Intervision keine Einschränkungen gebe, lediglich "Kriterien", wonach die nationale Kultur und Tradition präsentiert werden müsse. Der Wettbewerb ist Teil von Russlands konservativer Kulturpolitik. "Das ist gerade auf die Bewahrung von Traditionen - kulturellen, religiösen, spirituellen, ethischen - gerichtet, wenn Sie so wollen", sagte Lawrow.

Das Podium der russischen PK war nicht gerade unpolitisch besetzt: Staats-TV-Generaldirektor Konstantin Ernst, Außenminister Sergej Lawrow, Vize-Ministerpräsident Dmitri Tschernyschenko und Sergej Kirijenko, Vizechef der Präsidialverwaltung (v.l.n.r.).
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Bei der Pressekonferenz wurde mehrfach der angeblich offene, unpolitische Charakter der Veranstaltung betont, doch die Besetzung des Podiums sprach eine andere Sprache. Sergej Kirijenko, einflussreicher Vizechef der Präsidialverwaltung, rechnete vor, dass die Intervision-Teilnehmerländer 4,3 Milliarden Menschen zählten - mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung.
Konstantin Ernst, Generaldirektor des Ersten Kanals im russischen Fernsehen, brachte wiederum das Stichwort Multipolarität aufs Tapet - Russland und seine Mitstreiter wollen eine Welt, die nicht mehr von den USA dominiert wird. Ansonsten versprach Ernst den Zuschauern einen Abend auf der Höhe moderner Fernsehkunst.
Belarussin: Keine "Freakshow"
Der ESC ist bekannt für bunte Auftritte, auch von queeren Künstlern. Nemo, der Schweizer Gewinner-Act von 2024 zum Beispiel identifiziert sich selbst als non-binär, weder nur dem weiblichen noch männlichen Geschlecht zugehörig. 2014 gewann für Österreich der schwule Sänger Tom Neuwirth als Sängerin Conchita Wurst.

Möchte nicht neben Männern in hohen Schuhen auftreten: Nastja Krawtschenko aus Belarus.
(Foto: IMAGO/ZUMA Press)
In Russland sind die Rechte von Menschen, die von der vorgeblichen Norm abweichen, stark eingeschränkt. Die öffentliche Darstellung von Homosexualität etwa ist verboten. "Wir bestreiten nicht das Recht der Jury und der Zuschauer beim ESC für einen bärtigen Mann im Frauenkleid oder anderen Modifikationen seines Organismus zu stimmen", sagte Lawrow - nur in Russland soll so etwas nicht vorkommen.
Auch die belarussische Teilnehmerin Nastja Krawtschenko sagte in einem Interview zur Abgrenzung vom ESC, sie sei sicher, dass die Veranstalter keine "Freakshow" zulassen würden. Und sie sei ganz sicher, dass es so etwas wie Männer in hohen Schuhen nicht geben werde.
Quelle: ntv.de, Katharina Schröder, dpa