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Lyrische Weltschöpferin Annäherung an Else Lasker-Schüler

Beinahe 65 Jahre nach ihrem Tod ist Else Lasker-Schüler, die Gottfried Benn einst für die größte Lyrikerin Deutschlands hielt, vielen noch ein unbekanntes Dichterwesen.

Die Deutsch-Jüdin, die mit ihrer expressionistischen Lyrik nicht nur Zeitgenossen verstörte, verschließt sich in ihrem kompromisslosen Lebensentwurf auch heute noch der schnellen Erkundung.

Mit "Mein Herz – Niemandem" unternimmt Kerstin Decker, die sich bereits mit Biografien von Paula Modersohn-Becker und Heinrich Heine einen Namen gemacht hat, einen neuen Versuch, der Dichterin, der Weltenschöpferin, der Eigenweltenbewohnerin, aber auch der Eigenweltinhaftierten näher zu kommen. Und auch wenn Lasker-Schüler sich zu Lebzeiten jeder allzu freundlichen Annäherung widersetzte, würde sie Deckers Weg möglicherweise gutgeheißen haben.

Denn Decker geht Lasker-Schülers biografischen Spuren mit großer Behutsamkeit nach. Sie spürt der Herkunft im industriell erstarkenden Elberfeld nach, der Außenseiterposition des Kindes Else, dass nach einer Krankheit zu Hause unterrichtet wird und aus dieser Außenseiterrolle ein Lebensmodell entwickelt. Sie nähert sich einer Sprachalchimistin, deren Lebenswerk eng mit ihrem emotionalen Zuständen verwoben bleiben wird, die in den verschiedensten Identitäten nicht nur durch die literarischen Zirkel Berlins zieht.

Das ist nicht immer leicht zu lesen, bereichernd ist es allemal. Decker schafft es, Lasker-Schülers Gedichte, Briefe, Zeitzeugenberichte und eigene Beschreibungen so miteinander zu verweben, dass die eigenwillige Dichterin Gestalt annimmt, als Person, als Mutter, als Liebende, als Dichterin und Frau. Nach ihrem Tod im fernen Jerusalem, wohin sie vor den Nazis emigriert war, schrieb ihre alte Liebe Gottfried Benn: "Das war die größte Lyrikerin, die Deutschland je hatte. Ihre Themen waren vielfach jüdisch, ihre Fantasie orientalisch, aber ihre Sprache war Deutsch, ein üppiges, prunkvolles, zartes Deutsch; eine Sprache, reif und süß, in jeder Wendung dem Kern des Schöpferischen entsprossen. Immer unbeirrbar sie selbst, fanatisch sich selbst verschworen. Feindlich allem Satten, Sicheren, Netten, vermochte sie in dieser Sprache ihre leidenschaftlichen Gefühle auszudrücken, ohne das Geheimnisvolle zu entschleiern, das ihr Wesen war."

Schon deshalb lohnt es sich, dieses Buch zu lesen.

"Mein Herz - Niemandem. Das Leben der Else Lasker-Schüler" im n-tv shop bestellen.

Quelle: ntv.de

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