Bücher

Good as gold Archäologen des Rock

Von Manfred Bleskin

Es hat eine Zeitlang gedauert, nun haben sich die Jäger der verlorenen Truhen wieder aufgemacht, ein paar Artefakte zu heben. Mit den vorliegenden Editionen wird die Reihe "Gold" fortgesetzt, die vor einiger Zeit schon an dieser Stelle Gegenstand von Besprechungen war.

Da wäre zunächst die doppelte Compact Disc mit 36 Goldstücken aus der Schatzkammer des stillen Mannes aus Tucson/Arizona. Die Scheiben bieten so ziemlich alles, was Jean Jacques Cale in seiner frühen Schaffensperiode gezaubert hat. "Cocaine", "After Midnight". Zum Beispiel. Stücke, die der Engländer Eric Clapton zu Weltruhm führte. Bei J. J. klingen sie aber – mit Verlaub – ungeschliffener, direkter, mehr ins Herz zielend. Ob sie denn besser sind als die Cover, ist schwer zu sagen. Aber ihnen gebührt die eigentliche Ehrbezeugung. Cale hat mit seiner entspannten Gitarre, einem schnöseligen Sprechgesang im Feld des Countryblues musikalische Pflöcke eingeschlagen, an den Mr. Slowhand und Mark Knopfler ihre Pferde angebunden haben. Die Verbeugung vor Cale geht so weit, das beide zusammen Alben aufnahmen oder auf Cales Scheiben mitspielten. Völlig jenseits von Gut und Böse ist die Originalfassung von "Anyway The Wind Blows", die unter anderem von Bill Wyman, Ex-Stones-Bassist, mit seinen Rhythm Kings nachgespielt und sogar zum Titel der Platte wurde. Man kommt, so scheint’s, nicht an J. J. vorbei, wenn man gute Musik spielen will.

Gleiches gilt – wenn auch in weitaus größerem Maße – für Muddy Waters. Nicht nur, dass sich eine der erfolgreichsten Rock ‚n’ Roll-Bands der Welt nach seinem Blues "Rollin’ Stone" benannt hat. Der 1915 in Rolling Fork im Issaquena County des US-Bundesstaates Mississippi als McKinley Morganfield Geborene und 1983 viel zu früh Verstorbene ist gewissermaßen der Übervater des Blues. Ohne Größen wie B. B. King, Lightnin Hopkins, Howlin’ Wolf, Elmor James, Jimmy Reed, John Lee Hooker oder Sonny Boy Williamson unterschätzen zu wollen: Waters war’s, der die Initialzündung auslöste. Das Ergebnis waren – neben den Stones -Gruppen wie die Animals, die Yardbirds, Them, Cream und Led Zeppelin, die zahlreiche Titel aus der Feder von Muddy Waters übernahmen und sich zugleich an seinem Musizierstil ausrichteten.

Das Gitarrespiel von Rory Gallagher, Jimi Hendrix oder Johnny Winter wäre ohne Waters kaum vorstellbar. Ohne ihn hätte Chuck Berry wahrscheinlich keinen Platenvertrag erhalten. Und ohne dessen Ko-Einfluss wiederum wäre in Britanniens Sixties nicht jene faszinierende Musik entstanden, die den Erdball eroberte. Die zwei CDs bieten einen repräsentativen Überblick über Waters’ Werk zwischen 1947 und 1972. "Gypsy Woman" aus 1947 entstand mithin ein Jahr bevor Fats Domino seinen "Fat Man" einspielte, ein Song, der gemeinhin die Geburtsstunde des Rock ‚n’ Roll markiert, auch wenn schon 1934 die Boswell Sisters einen Track mit dem Namen "Rock & Roll" aufgenommen hatten. Fast alle Songs hat er selbst verfasst. Fünf der insgesamt fünfzig Stücke sind Kompositionen von Willie Dixon, der bei vielen Klassikern von Chuck Berry den Bass zupfte. Wer also wissen will, wie die Urklänge klangen, der sollte sich das Goldwasser-Doppelpack nicht entgehen lassen.

Zahlreiche goldene Schallplatten sind auch auf den Classic-Country-Scheiben zu hören. Insgesamt 35 Hits, die zwischen 1951 und 1989 die Charts eroberten. Nicht alle sind Marksteine, aber einige, die man sich drum nicht entgehen lassen sollte. Da ist zunächst das vielkopierte "Hey Good Lookin’' von Hank Williams, einem der wichtigsten Impulsgeber der zeitgenössischen Countrymusik. Der Song ist übrigens nur einer von insgesamt elf Nummer-1-Hits des leider viel zu früh verstorbenen Genies.

Hanks Sohn Randall, der als Hank Williams Jr. firmiert, bietet seinen Hit "Eleven Roses" dar, der aber, bei allem Respekt, nicht an den Papa heranreicht. Zu nennen wäre weiter Tennesssee Ernie Fords Interpretation von "Sixteen Tons", jenem Lied, in dem der durch gnadenlose Ausbeutung Gepeinigte dem heiligen Petrus zuruft, er möge ihn nicht zu sich rufen, denn er habe seine Seele dem Lebensmittelladen seiner Company übereignet. Johnny Cash ist mit dem Klassiker " I Walk The Line" dabei. Auch der "King Of The Road”, die Hymne auf das Leben als Tramp, von Mister Roger Miller fehlt natürlich nicht”. Was aber Jerry Lee Lewis mit seinem Cover von "Chantilly Lace" auf dem Sampler zu suchen hat, bleibt das Geheimnis jener, die das Album zusammengestellt haben. Es hätten sich repräsentativere und tatsächliche Countrysongs vom "Killer" gefunden als der Hit, mit dem J.P. Richardson alias The Big Bopper bekannt geworden war.

Ja, wieder ein paar Schätze gehoben. Aber es sind längst noch nicht alle. Die Jagd auf die verlorenen Truhen kann weitergehen. Wir freuen uns auf die nächste kulturelle Kapitalanlage.

Gold: J. J. Cale, Muddy Waters, Classic Country, 2CDs, Universal

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen