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PEN-Festival in New York Heimat im Umbruch

Gerade in den USA hat sich mancher Schriftsteller in den vergangenen Jahren behaglich im Elfenbeinturm eingerichtet. Das amerikanische PEN Center, die vielleicht quirligste Gruppe im internationalen Schriftstellerverband, will der Zunft wieder mehr politisches Gewicht geben. Mit dem dritten Literaturfestival "World Voices" in New York setzten Autoren aus aller Welt ein Signal für den Anspruch, bei den großen Zukunftsfragen der Menschheit mitzureden. "Dieses Festival ist ein Weg, mit dem wir das Fehlen der literarischen Stimmen in der öffentlichen Diskussion korrigieren können", sagte der Schirmherr und indisch-britische Autor Salman Rushdie, der nach den iranischen Todesdrohungen wegen seiner "Satanischen Verse" seit mehreren Jahren in New York lebt.

Der israelische Autor David Grossmann ("Wohin du mich führst") war ausgewählt worden, am Sonntag die renommierte Arthur-Miller-Abschlusslesung zu halten. "Sowohl in seiner Arbeit als auch durch sein persönliches Vorbild hat er immer auf der Verantwortung des Schriftstellers für eine vielfältige und menschliche Gesellschaft bestanden", betonte Rushdie. Der in Jerusalem geborene Grossmann, der sich seit jeher für eine Versöhnung von Israelis und Palästinensern einsetzt, hat erst im vergangenen Jahr seinen 20 Jahre alten Sohn Uri bei einem Militäreinsatz gegen die Hisbollah verloren.

"Heimat und Ferne" - das war das Thema des diesjährigen Festivals, und die Organisatoren wollten den Bogen damit absichtlich weit spannen. Was kann "Zuhause" bedeuten in den Zeiten von Krieg und Vertreibung, Armut und Krankheit, Globalisierung und Klimawandel? Eine der eindrücklichsten Antworten an den sechs prallvollen Programmtagen gab Nobelpreisträgerin Nadine Gordimer. Die südafrikanische Kämpferin gegen die Apartheid las aus ihrer verstörend eindringlichen Erzählung "Die endgültige Safari" -und setzte damit Millionen von Flüchtlingen ein Denkmal.

Das Publikum in New York, selbst in Nationalitäten und Farben so gemischt wie die geladenen Autoren, nahm das Angebot begeistert auf. Die fast 70 Veranstaltungen -Lesungen, Podiumsdiskussionen und Kabarett - waren durchgehend ausverkauft. Insgesamt kamen nach Angaben der Veranstalter etwa 10.000 Menschen, Hunderttausende besuchten das Festival online über die gut aufbereitete Internetseite mit Videoausschnitten ausgewählter Veranstaltungen (www.pen.org).

Seinen Ursprung verdankt das Literaturfest einer Initiative amerikanischer Autoren, die in der Folge des 11. September und auf der Höhe des Irak-Krieges die zunehmende Isolation ihres Landes aufbrechen wollten. "Dass hier so direkt politische Themen diskutiert werden, macht das Festival - zumindest für die USA -ungewöhnlich", befand die "New York Times" anerkennend. Ein deutliches politisches Zeichen sei es allein, so viele internationale Schriftsteller ausgerechnet nach Amerika zu bringen -in ein Land, in dem weniger als drei Prozent der verlegten Bücher Übersetzungen ausländischer Autoren sind.

Mehr als 160 Schriftsteller aus 45 Ländern der Welt waren diesmal vertreten, darunter die irakischen Autoren Nabeel Yasin und Saadi Youssef, die indische Booker-Prize-Gewinnerin Kiran Desai und der mexikanische Romancier und Drehbuchschreiber Guillermo Arriaga ("Babel"). Die USA waren mit Erfolgsautoren wie Paul Auster, Don DeLillo und Jonathan Franzen dabei. Aus Deutschland nahmen Dorothea Dieckmann ("Guantnamo"), Carolin Emcke ("Von den Kriegen"), Michael Wallner ("April in Paris") und der türkisch-deutsche Autor Zafer Senocak teil, der im Programmteil "Zuhause in Europa" über seine neue Heimat in der Fremde sprach.

"Wenn zu Hause das ist, wo man herkommt, sind wir dann nicht immer weg?" fragte Dieckmann. "Du musst von zu Hause weg sein, um einen Weg nach Hause zu finden." Und auch für den britisch-japanischen Schriftsteller Pico Iyer haben Begriffe wie Heimat ihre Selbstverständlichkeit verloren. "Zu Hause ist weniger ein Ort, den wir bewohnen, als einer, den wir uns ausdenken, während wir uns um die Welt bewegen, die sich um uns bewegt, schneller als jemals zuvor."

: Heimat in Zeiten des globalen Umbruchs Von Nada Weigelt, dpa

Quelle: ntv.de

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