"Ehrlich und schön" Johnny Cash: Personal File
30.06.2006, 10:34 UhrVon Manfred Bleskin
Wer denkt, der Johnny-Cash-Boom wäre vorbei, der sieht sich - glücklicherweise - getäuscht. Doch ehrlich: Man hätte diesem ganz, ganz Großen des Country schon zu Lebzeiten jene Aufmerksamkeit und Bewunderung gewünscht, die heuer allenthalben Platz greift. Sei's drum.
Selbst wenn der Mann in Schwarz in einem seiner frühen Songs ja mal verkündet hatte, dass es eigentlich wurscht sei, was passiert, wenn er dereinst six feet under" liege, wir sollten ihn so ehren, wie es sich in deutschen Landen eigentlich schon seit Cashs Zeiten bei Sam Phillips' legendären "Sun Records" in Memphis/Tennessee gehört hätte. Denn der 1932 in Kingsland/Arkansas Geborene war ein Mann, der bei allen Höhen und Tiefen, bei allem, was man an Schaffensperioden bei ihm ausmachen kann, stets ein unteilbarer Künstler. Ihm ging es immer um die Menschen, die arm, unterdrückt, gestrauchelt, vom Mainstream der Gesellschaft abgekommen waren.
Bei der Musik auf den vorliegenden CDs handelt es sich um einen Teil des Schatzes, den die Erben nach seinem Tode vor knapp drei Jahren in einem Büro hinter dem "House of Cash"-Aufnahmestudios in Hendersonville/Tennessee entdeckten. Darunter einige Bändern, die mit "Personal Files" gekennzeichnet waren. Die 49 besten davon sind nun veröffentlicht. Zum ersten Mal. Aufnahmen ohne Schnörkel, vieles davon eigentlich kein Lied, sondern Geschichten, zur Gitarre erzählt. In der Art Leonard Cohens. Entstanden zwischen 1973 und 1982. Sage also niemand, der Meister habe mit den "American Recordings I - IV" an der Jahrtausendwende einen neuen Stil gefunden.
Cash erzählt Geschichten, die - wenn der abgewetzte Begriff einmal gestattet ist - aus dem Leben gegriffen sind. Mal aus der eigenen Trickkiste, mal Kompositionen von Kollegen, mal Traditionals. Eine Ode an seine Mutter, den Vater, der alles für seinen Sohn tut, ein Lamento über das sterbende Kind des Lokführers. Auch ein paar religiöse Songs sind dabei. Manches davon vielleicht etwas trivial, aber es rührt einen doch irgendwie an. Nebenbei: Wenn sich der Vatikan über Dan Browns "Sakrileg" und die angebliche Ehe zwischen dem Erlöser und Maria von Magdala mokiert - auf den "Personal Files" hat es mit "If Jesus Ever Loved A Woman" auch einen recht blasphemischen Song. Empfehlung: Die Scheiben auf den Index setzen. Folge: Negativwerbung. Der Rest ist bekannt.
Was bleibt? Ein Tondokument, das einen Menschen zeigt, der über die Welt nachdenkt und sie gern verändern möchte, auch wenn er nicht recht weiß wie. Ein Selbstzeugnis, wie es ehrlicher und schöner kaum sein könnte.
Was kommt? In Kürze die "American Recordings V" und eine Rezension hier auf Ihrer Lieblingswebsite.
Quelle: ntv.de