
Martha Fransworth (Nicole Kidman) entscheidet als Hausherrin, ob der Fremde (Colin Farrell) bleiben darf.
(Foto: Universal Pictures)
Wie gefährlich kann eine Handvoll Frauen in Rüschenkleidern schon sein? Der Soldat John McBurney jedenfalls schätzt die Gefahr eher als gering ein. In Sofia Coppolas neuem Film "Die Verführten" verdreht er allen gleichzeitig den Kopf. Mit Folgen.
Geschichten über Männer im Krieg gibt es viele. Genauso viele gibt es über die Frauen, die sie zurücklassen - nur werden die eben nicht ganz so oft erzählt. "Die Verführten" tut genau das. Der neue Film von Sofia Coppola spielt in der Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs auf einer verlassenen Plantage in den Südstaaten. Die strenge Martha Fransworth (Nicole Kidman) hält dort allen Widrigkeiten zum Trotz eine Mädchenschule am Laufen. Eines Tages erscheint ein verwundeter Söldner und mischt die pastell gerüschte Trostlosigkeit der Frauen auf.
Selbstverständlich ist "Die Verführten" nicht einfach irgendein Historienfilm. Zuweilen lassen sich zwischenmenschliche Phänomene eben durch den Filter vergangener Zeiten besser betrachten. Coppola, die mit Filmen wie "Lost in Translation" und "The Virgin Suicides" als Filmemacherin etabliert hat, verhandelt in "Die Verführten" erneut Einsamkeit. Die Frauen sind verlassen, allein auf sich gestellt und gleichzeitig verschworen wie ein Hexenzirkel - oder wie Internatsmädchen.
Ein Versprechen wird zum Alptraum
Ob es daran liegt, dass ein Außenseiter zu ihnen stößt? Ob sein Geschlecht die entscheidende Rolle spielt? Als Soldat John McBurney (Colin Farrell) auf der Bildfläche erscheint, tritt das feine Machtgeflecht zutage, das die Frauen untereinander gesponnen haben. Am Kranken proben sie Aufbegehren gegen ein System, das sie klein hält.
Soldat John McBurney ist der fleischgewordene Traum der Frauen - intellektueller Sparringspartner für Martha, zärtliches Versprechen für die verklemmte Lehrerin Edwina (Kirsten Dunst), charmantes Testobjekt für die sexuelle Aggression der jungen Alicia (Elle Fanning). Doch was zunächst die Fantasie aller Beteiligten beflügelt, entwickelt sich immer mehr zum Horrorszenario.
Keine Gewinner
Frauen sind nun mal nicht zu unterschätzen und nachdem sich diese Exemplare ein bisschen gegeneinander haben ausspielen lassen, reicht es ihnen. Statt sich ihrem Schicksal zu ergeben, ergreifen sie es. Und unter diesem Gesichtspunkt trifft Coppolas Kostümfilm dann plötzlich den Nerv der Zeit. Wie passend, dass die 46-Jährige für ihre Arbeit in diesem Jahr bei den Filmfestspielen in Cannes mit dem Regiepreis geehrt wurde - als zweite Frau überhaupt.
Wer sich bei "Die Verführten" zu oft die Schuld-Frage stellt, muss verzweifeln. Der Film sucht keinen Verantwortlichen, er hat auch keinen Gewinner. Dafür hat er einen ausnahmslos hervorragenden Cast und den Moment der Überraschung für sich: Selten hat sich vor so harmloser Kulisse so viel Substanz gezeigt.
"Die Verführten" startet am 29. Juni in den deutschen Kinos.
Quelle: ntv.de