"Polizeiruf 110" aus München Bessie - dringend gesucht
15.05.2022, 21:42 Uhr
Bessie (Verena Altenberger) ist noch immer vor allem auf der Suche nach sich selbst.
(Foto: BR / Bavaria Fiction GmbH / Hendrik Heiden)
Fünf Fälle hat Kriminaloberkommissarin Elisabeth Eyckhoff (Verena Altenberger) bisher gelöst, die Nachfolge von Matthias Brandt alias Hanns von Meuffels überzeugend geschultert. So langsam jedoch könnte die Figur der Bessie mal ein paar Konturen vertragen.
Gut dreieinhalb Jahre ist der Start jetzt her. Mit "Der Ort, an dem die Wolken wohnen" hatte Verena Altenberger in der Rolle der Elisabeth Eyckhoff, genannt Bessie, die nicht ganz einfache Nachfolge der Lichtgestalt Hanns von Meuffels (Matthias Brandt) angetreten und sie mit Bravour geschultert. "Streifenhörnchen mit Tiefgang", so hatten wir an dieser Stelle getitelt, 9 von 10 Punkten gegeben, eine "bravouröse Premiere" attestiert, in Verbindung mit einem "bitte weiter auf diesem Qualitätslevel".
Mit "Die Lügen, die wir Zukunft nennen" wurde mutig fortgesetzt, eine Hommage an den 70er-Klassiker "Zabriskie Point", mit 8 von 10 Punkten wurde dieser "abgedrehte Trip" für "Experimentierfreudige und Cineasten" bewertet. "A bisserl mehr Tempo könnt' er haben, der "Polizeiruf" aus Minga, ansonsten aber passd's scho", lautete das Fazit im letzten Jahr über die Vier-Pfoten-Schnurre "Frau Schrödingers Katze", auch mit "Bessie und der alte Sack" wurde das Level gehalten, 9 von 10 Punkten, so unsere Einschätzung.
Und nun? Tja, das ist eine gute Frage. Mit "Das Licht, das die Toten sehen", was immer dieser Titel auch bedeuten mag, verliert sich zwischenzeitlich das Momentum rund um die Persona Eyckhoff. Von ihrer besonderen Empathie war schon im ersten Fall die Rede, auch diesmal ist es vor allem ihrer Anteilnahme, der unvoreingenommenen Aufmerksamkeit gegenüber den Menschen geschuldet, dass der Fall um die getöteten Teenager-Mädchen nach und nach enträtselt wird. Lange Gespräche, Stille zulassen, Wärme ausstrahlen, alles unbestreitbare Qualitäten im Portfolio der guten Bessie.
Fragen über Fragen
Nur: Was macht die eigentlich sonst so? Gibt es eine Katze oder einen Hund? Mag sie Rotwein oder lieber einen Weißen? Was für Bilder hängen in ihrer Bude, steht da ein Plattenspieler herum, ein Fernseher, räkelt sich vielleicht ein Lover oder eine Geliebte in den Laken? So famos Verena Altenberger der Kommissarin Eyckhoff eine so menschliche Gestalt geben mag, mehr als eben diese vielbeschworene Empathie und ein offenes Ohr stehen da, grob gesagt, nicht zu Buche. Gab es nicht mal einen Halbbruder in der ersten Folge? Wo ist der denn wohl abgeblieben? Hat sie eine beste Freundin, was machen ihre Eltern und wo, verdammt nochmal, isst sie eigentlich ihre Currywurst? Oder ist sie doch vegan unterwegs? Fragen über Fragen. Zumindest wissen wir, dass sie gern mal ein schnelles Bier trinkt, oder zwei.
Viel mehr geben Sebastian Brauneis und Roderick Warich, die für das Drehbuch von "Das Licht, das die Toten sehen", nicht preis, scheinen kaum an Bessies Background interessiert, reduzieren sie vielmehr zu einer Art dramaturgischer Schablone. Überhaupt sind die Figuren des Falles symbolhaft, ja, schemengleich angelegt. Die Mutter (Anna Grisebach) als Tankstellen-Trinkerin, Stefanie (Zoë Valks) und Patrick (Aniol Kirberg) in ihrer Messie-Bude, Dennis Eden als knuffig-kauziger Kollege, mehr Abziehbilder ihrer selbst, als tatsächliche Protagonisten. Auch diese Handy-Jonglage, die Eyckhoff schließlich auf die Lösung des Falles bringt, wirkt konstruiert, in einer überlangen Montage zum Logik-Coup hochgejazzt. Sei es drum, nach vier tollen Fällen ist ein Knick in der Kurve zu verkraften, womöglich geht es mit dem nächsten Einsatz schon wieder bergauf, findet sich im (fiktiven) Leben der guten Bessie doch noch das eine oder andere erzählenswerte Detail. Schön wär's.
Quelle: ntv.de