Panorama

Lauter Ruf nach ZuckersteuerÄrztepräsident warnt vor "riesiger Welle an Diabetikern"

31.12.2025, 15:57 Uhr
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Wer Diabetes hat, muss regelmäßig den Blutzuckerspiegel überprüfen und sich notfalls Insulin spritzen. (Foto: picture alliance / empics)

Diabetes ist eine Volkskrankheit. Allein in Deutschland leiden rund neun Millionen Menschen nachgewiesen unter einem zu hohen Blutzuckerspiegel, Tendenz steigend. Der Ärztepräsident verlangt einen radikalen Schritt. Der Landwirtschaftsminister lehnt ab.

Ärztepräsident Klaus Reinhardt spricht sich für die Einführung einer Zuckersteuer und eines verbindlichen Gesundheitsunterrichts an Schulen aus. "Schon jetzt ist absehbar, dass durch Bewegungsmangel und ungesunde Ernährung bei Kindern und Jugendlichen eine riesige Welle von Diabetikern auf uns zurollt", sagte Reinhardt dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Es sei eine Frage der Verantwortung, dass die Politik auf Missstände reagiere.

Im "Public Health Index", der den Umsetzungsstand wissenschaftlich empfohlener Präventionsmaßnahmen messe, liegt Deutschland Reinhardt zufolge auf Platz 17 von 18 untersuchten Staaten in Europa. "Zu den Empfehlungen gehören höhere Steuern auf Zucker, Tabak und Alkohol, weil das den Konsum senkt." Empfohlen werde auch ein verbindlicher Gesundheitsunterricht an den Schulen, der mit den Mehreinnahmen finanziert werden könnte.

Kurz vor Weihnachten hatte der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Daniel Günther, für das erste Quartal des neuen Jahres eine Bundesratsinitiative für eine Zuckersteuer angekündigt. Der CDU-Politiker schlägt eine Abgabe auf besonders zuckerhaltige Soft- und Energy-Drinks vor.

Der Landwirtschaftsminister lehnt ab

Bei SPD und Grünen stößt der Vorschlag auf Zuspruch: "Wir wissen seit Jahren, dass übermäßiger Zuckerkonsum maßgeblich zu Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Adipositas beiträgt - und damit Milliardenkosten im Gesundheitssystem verursacht", sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Janosch Dahmen. "Trotzdem tragen bislang fast ausschließlich die Versicherten die Folgen, während die Hersteller hoch verzuckerter Produkte ihre Gewinne behalten. Erst verdienen Konzerne daran, Kinder und Erwachsene mit billigem Zucker krankzumachen - und anschließend verdient die Pharmaindustrie Milliarden daran, die Folgen mit teuren Medikamenten und Abnehmspritzen zu behandeln. Das ist ein System, das Krankheit belohnt, statt Gesundheit schützt."

Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer hält den Ansatz dagegen für falsch. "Wir brauchen keine Zuckersteuer", sagte der CSU-Politiker. "Steuererhöhungen stehen auch nicht im Koalitionsvertrag."

Ihm zufolge ist die Lösung des Problems bereits in Arbeit. "Bei Zucker, Fett und Salz in Fertigprodukten haben wir eine freiwillige Reduktionsstrategie mit der Lebensmittelwirtschaft vereinbart, die wirkt", sagte Rainer weiter. Demzufolge spiele bei Übergewicht von Kindern viele Faktoren eine Rolle: "Zu wenig Bewegung, zu viel elektronische Medien können daran beispielsweise auch beteiligt sein." Zusammen mit dem Gesundheits- und dem Familienministerium wolle sein Haus daher eine Kampagne starten, "damit deutlicher wird, dass gesunde Ernährung und Bewegung zusammenhängen".

Elf Millionen Betroffene

Diabetes - im Volksmund als "Zuckerkrankheit" bekannt - ist eine chronische Stoffwechselerkrankung, deren Hauptmerkmal ein zu hoher Blutzucker ist und die mit Insulin behandelt werden muss. Laut der AOK gibt es landesweit rund neun Millionen Betroffene. Etwa zehn Prozent der Erwachsenen haben eine ärztlich diagnostizierte Diabetes-Erkrankung. Die Diabetesstiftung geht zudem davon aus, dass es eine Dunkelziffer von schätzungsweise zwei Millionen weiteren Menschen gibt.

Die große Mehrheit leidet unter Diabetes Typ-2: 90 Prozent haben diese Form. Etwa 5 Prozent der Betroffenen haben Typ-1-Diabetes. Die übrigen 5 Prozent verteilen sich auf Schwangerschaftsdiabetes und sonstige Diabetesformen.

Das Robert Koch-Institut erwartet, dass die Verbreitung des Typ-2-Diabetes in Deutschland bis 2050 zunimmt. Derzeit werden jährlich etwa 450.000 neue Fälle festgestellt. Laut dem Deutschen Zentrum für Diabetesforschung stehen etwa 16 Prozent aller Todesfälle in Deutschland in Zusammenhang mit Typ-2-Diabetes, das ist jeder sechste Todesfall.

Quelle: ntv.de, chr

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