"Massen-Opfer-Gebiet" Ärzte nach Erdbeben in Myanmar komplett überlastet
28.03.2025, 16:53 Uhr Artikel anhören
Patienten liegen vor dem Krankenhaus auf dem Boden.
(Foto: Sai Aung Main/AFP)
In Myanmar kommt es zu einem schweren Erdbeben. Etliche Menschen werden verletzt. In der größten Klinik des Landes herrscht Chaos: Ärzte sind überlastet, der Platz reicht nicht aus. Und es kommen immer mehr Opfer in die Einrichtung.
Sie werden in Autos, auf den Ladeflächen von Lieferwagen oder auf Tragen herbeigebracht. Für viele gibt es keine Betten mehr, sie liegen aufgereiht auf dem Boden. Nach dem schweren Erdbeben in Myanmar sind so viele Verletzte zu behandeln, dass selbst eines der größten Krankenhäuser in der Hauptstadt Naypyidaw völlig überlastet ist. "Das ist ein Massen-Opfer-Gebiet", ruft ein Krankenhausmitarbeiter, als er versucht, Platz für die Verletzten und das medizinische Personal zu schaffen.
Auch die 1000-Betten-Klinik selbst hat das Erdbeben der Stärke 7,7, das Myanmar und das benachbarte Thailand erschütterte, nicht unbeschadet überstanden. Der Eingang der Notaufnahme stürzte ein, unter dem Beton ist ein Auto begraben. Zahlreiche Verletzte werden nun unter freiem Himmel behandelt, so gut es eben geht. Ein Arzt, der anonym bleiben will, sagte am Abend (Ortszeit), es seien schon etwa 20 der Verletzten gestorben. Insgesamt sind in dem gesamten Land bisher 144 Tote und 732 Verletzte gezählt worden.
Viele Menschen auf dem Krankenhausgelände sind blutverschmiert und mit Staub bedeckt. Einige sitzen auf dem Boden, den Kopf zwischen den Armen verborgen. Manche winden sich oder schreien vor Schmerzen, andere liegen in Schockstarre da und warten auf Hilfe. Angehörige versuchen zu trösten.
Arzt: "Habe so etwas noch nicht erlebt"
"Hunderte verletzte Menschen kommen hier an", sagen die Sicherheitsleute des Krankenhauses. "Ich habe so etwas noch nicht erlebt", berichtet ein Arzt. "Wir versuchen, mit der Situation klarzukommen. Ich bin jetzt so erschöpft." Doch der Strom der Hilfsbedürftigen reißt nicht ab.
Die Krankenwagen haben Mühe, zu den Ärzten durchzukommen. Die Zufahrtsstraße ist voller Fahrzeuge. Ein Sanitäter schreit, die Fahrer sollten Platz machen, damit die Verletzten behandelt werden könnten.
Auch der Chef von Myanmars Militärregierung, Min Aung Hlaing, macht sich auf dem Krankenhausgelände ein Bild von der Lage. Angesichts des Ausmaßes der Katastrophe bittet seine Regierung noch am Tag des Bebens um internationale Hilfe.
Im Innern des Krankenhauses laufen derweil Menschen durcheinander. Manche weinen, andere sind verzweifelt auf der Suche nach ihren Angehörigen.
WHO mobilisiert Logistikzentrale
Die Weltgesundheitsorganisation hat inzwischen ihr Katastrophenmanagementsystem aktiviert. WHO-Sprecherin Margaret Harris sagt, das Erdbeben wurde als Ereignis eingestuft, das eine "sehr, sehr große Bedrohung für Leben und Gesundheit" darstelle. Die Organisation mobilisiert deshalb ihre Logistikzentrale. Insbesondere Ausrüstung zur Behandlung von Verletzungen wie Knochenbrüchen soll angesichts der "vielen, vielen Verletzten" bereitgestellt werden, so Harris. Aufgrund der Erfahrungen nach dem schweren Erdbeben 2023 in der Türkei und Syrien wisse die WHO "sehr gut, was zuerst geliefert werden" müsse.
Mit Myanmar traf das Erdbeben ein Land, das ohnehin durch Kämpfe zwischen verschiedenen Rebellengruppen und der Repression durch die im Land herrschende Militärjunta destabilisiert ist. Die WHO hatte deswegen schon vor dem Erdbeben ein Team aufgestellt, das sich mit Myanmar befasst. Erst vor einigen Wochen war geprüft worden, auf welchem Weg Hilfslieferungen am besten in das südostasiatische Land gebracht werden können.
Die WHO sei für schnelle Lieferungen in die Erdbebenregionen bereit, sagte Sprecherin Harris. "Aber wir müssen jetzt genau wissen, wo, was und warum", fügte sie hinzu. Informationen von vor Ort seien "jetzt entscheidend".
Weiteres Beben nach kurzer Zeit
Das Erdbeben ereignete sich am frühen Nachmittag nordwestlich der Stadt Sagaing, rund 250 Kilometer nördlich von Naypyidaw, in geringer Tiefe. Es dauerte etwa eine halbe Minute, bis die heftigen Erschütterungen aufhörten. Wenige Minuten später gab es ein weiteres Beben, dieses mit einer Stärke von 6,4. Die Erschütterungen brachten zahlreiche Mauern und Gebäude zum Einsturz.
Auch in Thailand hatte das Beben gravierende Folgen. In der Hauptstadt Bangkok, rund tausend Kilometer vom Epizentrum entfernt, brach Panik aus. Menschen rannten aus Wohnungen und Geschäften. "Es war chaotisch", sagt Hotel-Rezeptionistin Baitoey Pradit Sa On, "selbst aus dem Pool spritzte das Wasser". Besonders schlimme Folgen hatte das Beben in der Nähe des auch bei Touristen beliebten Chatuchak-Marktes.
Ein im Bau befindliches 30-stöckiges Hochhaus stürzte ein. Nun suchen Einsatzkräfte unter einem Berg aus Beton und Stahl nach den mehr als 80 Verschütteten. Mindestens drei von ihnen haben das Unglück nach Regierungsangaben nicht überlebt.
"Als ich hierhergekommen bin, um mir den Ort anzuschauen, habe ich Menschen um Hilfe rufen gehört", sagt der Vize-Polizeichef des Bangkoker Stadtbezirks Bang Sue, Worapat Sukthai. Er geht von Hunderten Verletzten durch das Erdbeben aus und fürchtet den Verlust "vieler Leben", wie er sagt. "Wir waren noch nie zuvor mit einem Erdbeben von solch zerstörerischem Ausmaß konfrontiert."
Quelle: ntv.de, mpa/AFP