Ermittlungen in Attendorn-Fall Eingesperrtes Mädchen kann nicht aussagen
15.05.2023, 14:49 Uhr Artikel anhören
Das Mädchen kann über die Zeit seiner Gefangenschaft nicht so berichten, dass es den Ermittlern hilft.
(Foto: picture alliance/dpa)
Der Fall eines Kindes, das fast sein ganzes Leben im Haus der Großeltern in Attendorn eingesperrt war, gestaltet sich äußerst schwierig. Bis jetzt hatten die ermittelnden Behörden auf eine Aussage des Mädchens gehofft. Doch die wird es offenbar nicht geben.
Im Herbst 2022 wird im sauerländischen Attendorn ein Mädchen aus dem Haus seiner Großeltern befreit, in dem es offenbar jahrelang versteckt wurde. Nach monatelangen Ermittlungen müssen die beteiligten Behörden nun einräumen, dass die inzwischen Neunjährige in dem Verfahren keine Aussagen machen kann.
Ein Sprecher der Siegener Staatsanwaltschaft bestätigte entsprechende Berichte des "Sauerlandkuriers". Laut Staatsanwaltschaft hat der vom Gericht bestellte Ergänzungspfleger - ein Anwalt - mitgeteilt, dass das Mädchen nicht aussagen werde. Es sei schwierig, einen Zugang zu dem Kind zu finden. Eine Vernehmung wäre für das Mädchen zudem sehr belastend. Außerdem könne man laut Staatsanwaltschaft von keiner "Aussagekonstanz" ausgehen. So könnte man in kurzer Zeit auf die gleiche Frage zwei verschiedene Antworten bekommen.
Das damals achtjährige Mädchen war am 23. September 2022 aus dem Haus der Großeltern geholt worden, wo es mit seiner Mutter über sieben Jahre versteckt gelebt haben soll. Die Behörden waren davon ausgegangen, dass die Mutter mit dem Kind nach Italien ausgewandert war. Anonyme Schreiben ans Jugendamt hatten von dem Versteck berichtet. Erst Monate später kam durch einen neuerlichen Hinweis Bewegung in die Sache, nachdem die Behörden in Italien nachgefragt hatten, ob das Kind dort wirklich lebt. Als dies verneint wurde, wurde das großelterliche Haus mit richterlichem Beschluss gestürmt.
Fast das gesamte Leben eingesperrt
Die zu diesem Zeitpunkt Achtjährige schlief dort mit ihrer Mutter in einem gemeinsamen Zimmer. Sie wirkte laut den Ermittlern normal, ordentlich angezogen und konnte sich gut ausdrücken. Das Treppensteigen fiel ihr jedoch schwer. Die Ermittler gehen davon aus, dass das Kind fast sein gesamtes Leben, rund sieben Jahre lang, das Haus nicht verlassen durfte. Es besuchte weder Kindergarten noch Schule und wurde auch nicht ärztlich versorgt.
Die Ermittlungen liefen nun weiter. Ob die Beweise am Ende für eine Anklage ausreichen werden, sei offen. Ermittelt wird unter anderem gegen die Mutter und die Großeltern wegen des Verdachts der Freiheitsberaubung. Die damals zuständige Jugendamtsmitarbeiterin steht ebenfalls im Visier der Justiz wegen Körperverletzung im Amt durch Unterlassen. Auch hier liefen die Ermittlungen noch, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft.
Quelle: ntv.de, sba/dpa