Panorama

Ertrinken oder verhungern El Niño bringt Ostafrika tödlichen Regen

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Im kenianischen Nairobi kämpfen sich Anwohner über eine durch Regenfälle beschädigte Straße.

Im kenianischen Nairobi kämpfen sich Anwohner über eine durch Regenfälle beschädigte Straße.

(Foto: dpa)

In Ostafrika regnet es derzeit so stark, dass den Menschen das Wasser mitunter bis zum Hals steht. Straßen, Brücken, Eisenbahnlinien werden unterspült und sind unpassierbar, die Ernte der Bauern ist zerstört. In Uganda sind einige Landesteile komplett abgeschnitten. Die Armee rückt aus, um wenigstens einige Straßen zu reparieren.

Erst wenn der Starkregen langsam nachlässt und es wieder aufklart, wird das ganze Ausmaß der Naturkatastrophe sichtbar, die sich derzeit in Ostafrika ereignet. "Ich hatte meine Ziege dort angebunden", berichtet Mussa Kasuja und deutet auf einen Stock, der zwischen dem Ufer des kleinen Flusses und dem Holzverschlag, in welchem er seine Werkstatt untergebracht hat, aus dem Boden ragt. "Am nächsten Morgen war sie weg", seufzt der Tischler: "Auch die Stühle und Tische, die ich gerade fertig gebaut hatte und die zum Trocknen hier standen, wurden weggespült."

Kasujas Tischlerei liegt in einem sumpfigen Gebiet zwischen den Hügeln in einem Vorstadtviertel von Ugandas Hauptstadt Kampala. Wie Millionen von Menschen zwischen dem Horn von Afrika und dem kongolesischen Dschungel, hat der Ugander fast all sein Hab und Gut in den Fluten verloren. Direkt neben seiner Werkstatt fließt ein Strom in Richtung Victoriasee, rund vier Kilometer südlich. In der Trockenzeit ist dies nur ein Bach, manchmal nicht mehr als ein stinkendes Rinnsal. Doch darin häufen sich Plastikflaschen und Plastiktüten.

Wenn dann der Starkregen einsetzt und plötzlich von allen Seiten die Wassermassen die Hügel hinunter donnern und weitere Abfälle aus sämtlichen Abwasserkanälen der Umgebung mit sich reißen, dann wird das Rinnsal zu einem gewaltigen Strom. Der mitgeschwemmte Unrat bleibt dann zwischen den Steinen hängen und staut das Wasser weiter auf, bis es letztlich die Straße, Tischler Kasujas Werkstatt und die umliegende Umgebung überschwemmt. Dann hat auch eine Ziege keine Chance und wird einfach mitgerissen.

Hungergefahr für Millionen

In Ostafrika regnet es derzeit so heftig, dass fast die ganze Region unter Wasser steht. Der Starkregen der vergangenen Wochen hat dazu geführt, dass die ohnehin maroden Straßen, Brücken, Eisenbahnlinien absaufen und dadurch enorme wirtschaftliche Verluste und Schäden zur Folge haben. Grund sind Wetterphänomene wie El Niño, die in diesem Jahr zu Extremwetter führen, sowie der zunehmende Klimawandel, der sich nun bemerkbar macht. Von einer "Jahrhundertflut" sprach vergangene Woche das UN-Koordinierungsbüro für humanitäre Angelegenheiten (OCHA) in Somalia und warnte, dass bald Millionen Menschen von Hunger betroffen sind. Dort sind in den vergangenen Tagen rund 100 Menschen ertrunken. Die Fluten auf den Äckern hat die Ernte vernichtet.

Und auch in Ugandas Hauptstadt Kampala steht den Leuten das Wasser buchstäblich bis zum Hals. Die Fahrt mit dem Auto kann sogar lebensgefährlich sein. Viele trauen sich kaum mehr aus dem Haus. Fotos und Handy-Videos von völlig überschwemmten Straßen sowie metertiefen Schlaglöchern werden derzeit millionenfach in den sozialen Medien geteilt und kommentiert. Ein Video, das viral ging, zeigt ein junges Pärchen in der Dämmerung klatschnass und bis zur Hüfte im Wasser stehend. Sich gegenseitig stützend waten die beiden durch das Zentrum Kampalas. "Unser Auto ist untergegangen", berichten sie entsetzt in die Kamera. Im Hintergrund sieht man Fahrzeuge bis zur Kühlerhaube unter Wasser, viele wurden einfach weggespült.

In Uganda warnt die Regierung nun die Bevölkerung davor, bei Regen nach draußen zu gehen. Das Transportministerium hat zudem öffentlich erklärt: "Während der andauernden Regenfälle sind schnelle Maßnahmen zur Behebung der Schäden nicht möglich." Erst wenn der Regen nachlasse, würden die Ingenieursteams ausrücken, um Straßen, Brücken, Wasser- und Stromleitungen zu reparieren. Zudem werden alle Verwaltungsbezirke angehalten, die ins Budget eingestellten Gelder zur Instandsetzung von Straßen derzeit nicht zu nutzen - aus Angst, dass "alles wieder vom Regen weggespült wird." Transportminister Edward Wamala bittet die Bevölkerung "um Geduld in diesen herausfordernden Zeiten." Die internationale Wetterorganisation (WMO) hat vor wenigen Tagen angekündigt, dass diese Wetterphänomene noch bis zum Frühjahr 2024 anhalten könnten.

Reparaturen als Klimafolgekosten

Als Folge sperrt die Eisenbahnbehörde nun die Innenstadt von Kampala, weil dort die Bahngleise unterspült wurden. Die wichtigsten Überlandstraßen quer durchs Land sind mittlerweile fast unpassierbar, weil Brücken durch die Sumpfgebiete eingebrochen sind. Ein Großteil der Überlandstraßen ist demnach gesperrt. Selbst die wichtigste Lebensader der ugandischen Industrie, die Straße bis zu den jüngst angezapften Ölfeldern im Westen des Landes, wo Lastwagen jeden Liter Rohöl bis zum Indischen Ozean befördern müssen, ist unpassierbar. Einige Landesteile sind komplett abgeschnitten.

Vor diesem Hintergrund erklärte Katastrophenminister Musa Ecweru, dass er aus seinem Budget Geld bereitstellen würde, um Reparaturarbeiten zu finanzieren. Doch auch hier ist das Geld knapp. Uganda ist - wie so viele afrikanische Staaten - mit den Kosten, die durch den Klimawandel verursacht werden, heillos überfordert. Eine interne Kalkulation des Katastrophenschutzes ergab, dass das Land jährlich drei bis sechs Milliarden Dollar ins Budget einstellen müsste, um den Folgen des Klimawandels zu begegnen. Dies übersteigt jedoch die Ausgaben, die die Regierung für Bildung und Gesundheit zur Verfügung hat.

Um zumindest einige Straßen wieder passierbar zu machen, rückte nun vor wenigen Tagen die Armee aus, um Schlaglöcher auszubessern. Die Ingenieursbrigade der Spezialeinheiten soll Notfallreparaturen erledigen. Präsident Museveni gab zu, dass sein Sohn ihm vorgeschlagen habe, Soldaten einzusetzen, um das Land vor dem Ertrinken zu retten.

Quelle: ntv.de

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