Panorama

Epidemiologe Ulrichs bei ntv "Dänemarks Weg ist sehr gewagt"

Der Epidemiologe Timo Ulrichs - hier im Gespräch mit ntv-Moderatorin Tamara Bilić - ist Professor für Medizin, Mikrobiologie und Katastrophenhilfe an der Akkon-Hochschule in Berlin.

Der Epidemiologe Timo Ulrichs - hier im Gespräch mit ntv-Moderatorin Tamara Bilić - ist Professor für Medizin, Mikrobiologie und Katastrophenhilfe an der Akkon-Hochschule in Berlin.

Dänemark feiert "Freedom Day" - und das trotz hoher Infektionszahlen. Epidemiologe Ulrichs hält das für riskant, auch wenn es im Fall unseres Nachbarn funktionieren könnte. Im ntv-Interview erklärt er auch, wie sehr uns BA.2 noch zu schaffen machen könnte.

ntv: Österreich führt in dieser Woche die generelle Impfpflicht ein. Ist das auch bei uns nötig?

Timo Ulrichs: Das ist ein letztes Mittel, das wir anwenden sollten, um wirklich auf die sichere Seite zu kommen. Es ist zwar ein schlechtes Instrument, aber immerhin, wenn wir es anders nicht hinkriegen, ist das unser Weg aus der Pandemie. Es wäre auch bei uns sinnvoll, das durchzusetzen, und zwar möglichst so, dass wir es für den Sommer beschließen, sodass wir für den Herbst gut aufgestellt sind.

Gibt es einen Weg vorbei an der Impfpflicht?

Es wird ja immer wieder gesagt, jetzt käme die Omikron-Variante und die könnte das dann schon für uns erledigen. Aber das ist zu kurz gedacht. Die kann dazu beitragen, dass die Immunität in der Bevölkerung verstärkt wird. Aber das geht nur mit einer guten Immunisierung durch das Impfen, sodass beides zusammenkommen kann. Man kann nicht damit rechnen, dass die Omikron-Variante alleine so eine hohe Immunität hervorruft, dass dann, wenn sie im Herbst noch mal kommen sollte, die Immunität so gut ist wie ohne Impfung. Man kann sich nochmal infizieren oder möglicherweise auch krank werden. Nur die Kombination ist sinnvoll - Impfung und eine mögliche Durchseuchung.

Die Impfpflicht für Pflegeberufe soll ab dem 15. März gelten. Daran gibt es jetzt aber schon die ersten Zweifel. Wie stehen Sie dazu?

Die Impfpflicht für Pflegekräfte ist sehr sinnvoll, weil sie einen vulnerablen Bereich sicherer machen kann. Natürlich sollten alle, auch Pflegebedürftige und Patienten in Krankenhäusern gut geimpft sein, sodass die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung möglichst reduziert ist. Aber es gehört sich eben einfach, dass alle, die in diesem Bereich tätig sind, geimpft sind, und zwar dreimal - auch angesichts der Omikron-Variante. Die Frage ist natürlich, wie wird das nachgehalten und können die Einrichtungen das auch dokumentieren? Wer überprüft das? Die Gesundheitsämter haben ja schon gesagt, sie könnten das nicht ohne weiteres machen.

Sollte an dem Startdatum 15. März trotzdem festgehalten werden?

Ja, denn das ist ja eine grundsätzliche Vereinbarung. Wer in der Pflege oder im medizinischen Bereich tätig ist, sollte darauf achten, dass er keine Gefahr darstellt. Und das ist etwas, was durchgehalten werden und auch überprüfbar sein sollte durch die Einrichtungen und - wie auch immer das geregelt werden sollte - durch eine Behörde.

Dänemark lässt heute trotz hoher Inzidenz alle Maßnahmen fallen. Ist das der richtige Weg?

Es ist sehr gewagt. Es kann funktionieren. Wenn eine gute Grundimmunität durch das Impfen vorhanden ist, kann das mit der Omikron-Weitergabe noch mal zu einer Verstärkung führen. Aber wenn viele noch gar nicht geimpft sind, dann besteht das Risiko, dass auch mehr Patienten auftreten, die ins Krankenhaus müssen, weil die Covid-19-Erkrankung so schwer verläuft. Wenn das in Dänemark einigermaßen überschaubar ist, kann das funktionieren. Bei uns würde es sicherlich noch nicht so funktionieren.

Die Untervariante von Omikron BA.2 könnte das Abflachen der Welle in Deutschland verzögern. Geht eine Gefahr aus von dieser Untervariante?

Eine Gefahr nicht direkt, denn die Untervariante hat ähnliche Eigenschaften, die wir von Omikron mittlerweile so einigermaßen kennen. Aber es kann sein, dass durch die höhere Dynamik noch mal mehr betroffen sind, bevor die ganze Sache wieder abflaut. Und dann kann es sein, dass sich die Welle verbreitert und uns noch längere Zeit in Atem hält. Auch hier wäre das ein gutes Argument, um zu sagen: Wir sind noch vorsichtig mit Öffnungen und würden das erst machen, wenn wirklich sicher die Zahlen nach unten gehen.

Mit Timo Ulrichs sprach Tamara Bilić

(Dieser Artikel wurde am Dienstag, 01. Februar 2022 erstmals veröffentlicht.)

Quelle: ntv.de

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