Äther und Schuhe Ermittler bringen Dominique Pelicot mit Mord in Verbindung
10.02.2025, 15:24 Uhr Artikel anhören
Dominique Pelicot drohen möglicherweise noch weitere Prozesse.
(Foto: picture alliance/dpa/France Bleu Vaucluse)
Der Prozess gegen Dominique Pelicot löst weitere Ermittlungen aus. Die Polizei vermutet, dass er in ungelöste Verbrechen der 90er und 2000er Jahre verwickelt sein könnte. Darunter sind sexuelle Übergriffe - und ein Mord.
Im Dezember wird Dominique Pelicot in einem aufsehenerregenden Prozess in Avignon zur Höchststrafe verurteilt. Er hatte gestanden, seine frühere Frau Gisèle fast zehn Jahre lang immer wieder mit Medikamenten betäubt, vergewaltigt und in Internetforen auch anderen Männern zur Vergewaltigung angeboten zu haben. Doch so ungeheuerlich die Taten auch sind, möglicherweise werden sie noch von weiteren des inzwischen 72-Jährigen übertroffen.
Denn die Ermittlungen, die im Zusammenhang mit Pelicots Taten erfolgten, förderten weitere Verdachtsmomente zutage. Inzwischen steht Pelicot wegen zweier bislang ungelöster Fälle aus den 90er Jahren im Visier der Strafverfolgungsbehörden. In beiden Fällen geht es jeweils um eine junge Immobilienmaklerin, die von einem Mann angegriffen wurde, der unter falschem Namen eine Wohnung besichtigen wollte. In einem Fall hat Pelicot den Übergriff bereits gestanden, nachdem ihm DNA-Spuren eindeutig zugeordnet werden konnten.
Der Fall ereignete sich 1999 im Großraum Paris. Eine damals 19-Jährige wurde bei einem Besichtigungstermin Opfer einer versuchten Vergewaltigung. Mit den DNA-Spuren konfrontiert, sagte Pelicot schließlich: "Das war ich. Ich habe ihr das T-Shirt, die Schuhe und die Hose ausgezogen, aber ich habe nichts gemacht, weil ich Angst hatte, dass sie sich befreit."
Pelicot war damals 46 Jahre alt und hatte zuvor selbst als Immobilienmakler gearbeitet. Die Frau berichtete, er habe angegeben, etwas vermessen zu wollen und sie dann von hinten angegriffen. Der Angreifer habe sie zu Boden geworfen, ihre Hände auf dem Rücken gefesselt und ihr ein mit Äther getränktes Tuch auf Mund und Nase gedrückt. "Ich war eine Gefangene in meinem Körper und hatte das Gefühl, mich nicht bewegen zu können", so das Opfer. Der Angreifer zog der Frau den Ermittlungen zufolge einige Kleidungsstücke aus und stellte ihre Schuhe ordentlich neben sie. Sie berichtete auch, dass er ihr ein Messer an den Hals gehalten habe. Die Frau kam schließlich wieder zu sich und wehrte sich gegen den Angreifer, nach einer Weile schaffte sie es, sich in einem Schrank einzuschließen, der Mann flüchtete.
Cold Case von 1991
Die Ausübung der Tat erinnert an einen Fall von 1991, in dem das Opfer nicht so viel Glück hatte. Damals wollte sich ein Mann, der einen falschen Namen und eine falsche Adresse angab, eine Dachgeschosswohnung in Paris ansehen. Die 23-jährige Sophie Narme nahm den Termin als Immobilienmaklerin wahr. Am Abend des 4. Dezember 1991 entdeckte ihr Arbeitgeber ihren leblosen, teilweise entkleideten Körper in der Wohnung im 19. Arrondissement. Am Tatort und bei der Autopsie wurden Spuren von Äther festgestellt. Narme war geschlagen, unter Drogen gesetzt, erstochen, mit ihrem eigenen Gürtel gewürgt und vergewaltigt worden, wie aus Ermittlungsunterlagen hervorgeht, die im vergangenen Jahr während Pelicots Prozesses vor Gericht verlesen wurden. Narmes Stöckelschuhe wurden sorgfältig hingestellt neben der Leiche gefunden.
Der "New York Times" zufolge hatte die Polizei schon 2004 wegen der Ähnlichkeiten eine Verbindung zwischen den Taten hergestellt. Das nationale französische DNA-Register habe sich aber erst im Aufbau befunden, ein systematischer Datenabgleich fand bisher nicht statt. Erschwerend kam hinzu, dass eine Spermaprobe von dem Fall von 1991 offenbar verloren ging.
In dem Mordfall bestreitet Pelicot bisher jede Schuld. Pelicots Anwältin bestätigte, dass ihr Mandant zu beiden Fällen befragt wurde. "Er hat gesagt, dass er mit dem Fall Sophie Narme, der auf den 4. Dezember 1991 zurückgeht, absolut nichts zu tun hat", so die Anwältin. Pelicot soll demnächst erneut von einem Untersuchungsrichter befragt werden, der sich auf sogenannte "Cold Cases" spezialisiert hat - Fälle, in denen es keine zielführenden Ermittlungsansätze mehr zu geben scheint.
Zwei weitere Fälle?
Laut dem französischen TV-Sender Franceinfo suchen die Ermittlerinnen und Ermittler in mindestens zwei weiteren Fällen nach Verbindungen zu Pelicot. Zum einen geht es um einen Übergriff auf eine 60-Jährige 2004 in einem Immobilienbüro in der Stadt Chelle. Ein Mann, der sich nach einer Wohnung erkundigt hatte, griff die Frau mit einem Messer an, drückte ihr ein Tuch aufs Gesicht und befahl ihr, tief einzuatmen. Als eine andere Person hinzukam, flüchtete der Angreifer. Ein weiterer Hinweis, der derzeit untersucht wird, ist ein Äther-Angriff 1995 auf ein zwölfjähriges Mädchen in Paris durch einen Mann, der sich als Elektriker ausgab.
Antoine Camus, der Anwalt von Gisèle Pelicot, hatte schon während des Verfahrens von Avignon erklärt, dass noch Fragen zum vollen Ausmaß von Pelicots Straftaten bestehen. Die Ermittlungen hätten gezeigt, dass er Verbrechen nur dann zugegeben habe, wenn unwiderlegbare Beweise vorgelegt worden seien, und selbst dann oft nur zögerlich und teilweise.
Quelle: ntv.de, sba