Panorama

Aus der Schmoll-Ecke Mit teuren Radwegen gegen Russland und China

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Das mit den Radwegen für Peru ist natürlich Unsinn.

Das mit den Radwegen für Peru ist natürlich Unsinn.

(Foto: picture alliance / imageBROKER)

Der preußische König Friedrich Wilhelm III. ließ die Gegner Napoleons mal schön machen, bis es für ihn und seine Neutralitätspolitik ein böses Erwachen gab, und er aufrüsten musste. Wir Deutschen bauen in Peru Radwege und schauen ansonsten zu, was die anderen so treiben - bis es ein böses Erwachen gibt.

Wäre die Welt doch nur etwas freundlicher, ich hätte mehr Spaß an ihr. Ich finde, das ist ein hübscher erster Satz für diese Kolumne. Applaus! Apropos Satz. Heute ist so ein Tag gewesen, wo ich beim Schreiben - einer melancholischen Stimmung folgend - ein Dutzend Mal hintereinander den 3. Satz von Beethovens 9. Sinfonie hörte, dessen erhabene Schönheit (mich) süchtig zu machen scheint. Wie kann man Weltschmerz und die Sehnsucht nach Ruhe, Heilung und Frieden musikalisch in etwas mehr als 15 Minuten Musik vermitteln? Das schafft nur ein Genie.

Ich würde gerne so schreiben können, wie Beethoven komponieren konnte. Immerhin, eine Gemeinsamkeit haben wir: Wie er höre ich den begeisterten Beifall nicht für meine Oden an die Freudlosigkeit des Daseins. Beethoven war schon vollständig taub, als er die Uraufführung seiner Neunten 1824 erlebte. Er konnte nur sehen, dass das Publikum nach dem Finale mit "Freude, schöner Götterfunken" (4. Satz) frenetisch jubelte. 1824? Richtig! Ein Jubiläum. Vor 200 Jahren hörte man erstmals Beethovens Vertonung von Schillers Ode "An die Freude": "Deine Zauber binden wieder, Was die Mode streng geteilt, Alle Menschen werden Brüder, Wo dein sanfter Flügel weilt."

Träumer gab es halt schon immer. 200 Jahre sind seither vergangen und die Welt steckt da, wo sie schon zu Beethovens Zeit war: im Krieg. En vogue ist es, streng zu teilen, zu polarisieren, noch nicht mal Ost- und Westdeutsche sind Brüder und Schwestern (geworden), von "seid umschlungen Millionen! Diesen Kuss der ganzen Welt!" keine Spur. Ich würde eher vom Gegenteil sprechen. Wenigstens darf man die Neunte noch ungeniert hören, was aber auch nur eine Frage der Zeit sein dürfte. Denn schwer in Mode ist schließlich ebenfalls, Geschichte mit den Augen von heute zu betrachten. Und da sieht es wenig freudvoll aus für Beethoven.

Schluss mit Freude

Sobald Claudia Roth und ihre Mitkämpfenden - Mitkämpfer soll man in diesen Kreisen nicht mehr sagen, weil es Frauen ausschließt und kleine Mädchen sonst denken, dass sie nicht das Zeug zum Mitkämpfen haben - entdecken, wem der Komponist seine 9. Sinfonie gewidmet hat, ist Schluss mit Freude. "Seiner Majestät, dem König von Preußen Friedrich Wilhem III., in tiefster Ehrfurcht." Oje - einem Preußen-König, einem Feldherrn und Kriegstreiber. Und dann auch noch in "tiefster Ehrfurcht". Erst nehmen wir uns die Straßennamen mit Preußen-Bezug vor, dann widmen wir uns Beethoven. Denn differenziert wird nur auf den Islam geschaut, nicht aber auf Preußen und seine Mohren.

Friedrich Wilhelm III. machte erst volle Kanone auf Friedenskönig (hahahaha, der war gut), weil er keine Lust hatte, ähnlichen Salat anzurichten wie sein Vorfahr Friedrich der Große, was man verstehen kann. Seine "Freude am militärischen Leben beschränkte sich auf die Musterungen des Friedensheeres und nicht dessen Ausrüstung, auf Paraden und nicht auf Gefechtsausbildung", schrieb Fontane über Friedrich Wilhelm III. Ich weiß, das kommt Ihnen bekannt vor, sie denken an unseren König Olaf den Unklaren und seine Gefolgschaft, die hier noch zu Wort kommen wird. Doch bleiben wir zunächst in Preußen und in der guten alten Zeit, in der nichts besser war als heute, aber das soll die seligen Erinnerungen nicht trüben.

Friedrich Wilhelm III. ließ die Gegner Napoleons mal schön machen, fiel allerdings mit seiner Neutralitätspolitik brutalstmöglich auf die Schnauze. Sein Deal mit dem Pariser Aggressor funktionierte nicht. Napoleon teilte ihm mit: "Glauben Sie mir, ich habe so mächtige Streitkräfte, dass alle die Ihrigen den Sieg nicht lange schwankend machen können!" Er behielt recht. Viel zu spät erkannte der preußische König die Zeichen der kriegerischen Zeit, ehe er sein Friedensheer auf Vordermann brachte, 1806 erst die Schlacht bei Jena und Auerstedt und ein Jahr später weite Teile Preußens verlor und bald darauf von Frankreich in einen Krieg gegen Russland gezwungen wurde.

Obwohl Napoleon erkennbar nicht genug vom Krieg und von Europa kriegen konnte, dauerte es noch mehrere Jahre und Hunderttausende Tote, ehe Friedrich Wilhelm III. raffte, dass der Franzose nicht aufhört, bis er geschlagen ist. 1813 gab der Herr König seinen Militärexperten nach und führte die allgemeine Wehrpflicht in Preußen ein, rüstete auf, zeigte Napoleon den Stinkefinger und schloss sich der Allianz gegen die französische "Fremdherrschaft" an: "Ihr wisst, was Ihr seit sieben Jahren zu erdulden habt, Ihr wisst, was euer trauriges Los ist, wenn wir den beginnenden Kampf nicht ehrenvoll enden", ließ er das deutsche Volk wissen.

Napoleons Truppen wurden bekanntlich geschlagen und Europa befreit vom Joch des größenwahnsinnigen Franzosen. So erklärt sich auch, warum Beethoven, der den Pariser Kaiser erst bewunderte, später verachtete, zu Friedenszeiten in deutschen Landen seine 9. Sinfonie dem preußischen Potentaten vermachte. Und nun, Frau Staatsministerin Claudia Roth und Mitstreitende, wie bewerten wir das? Gut oder böse? Dürfen wir weiter Beethoven hören? Herr Schmoll, nicht diese Töne! Oh, doch, muss sein.

"Seid umschlungen, Millionen!"

"Freunde, nicht diese Töne!" So heißt es im 4. Satz der Neunten, ein Ausruf, den wir aus der fortschrittlichsten Fortschrittskoalition der Welt kennen. Kühnerts Kevin, ein Knappe von König Olaf dem Unklaren, warnte kürzlich Schatzmeister Lindner, Einsparungen bei der Entwicklungshilfe mit "einem in letzter Konsequenz nationalistischen Zungenschlag" zu begründen. "Damit bedient er ein Weltbild, demzufolge humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit bloß Geschenke sind, die wir der Welt in guten Zeiten machen können. Wir können uns sonntags nicht darüber beklagen, dass wir im Vergleich zu Russland und China zu wenig geopolitisches Gewicht auf die Waagschale bringen, nur um montags mit populistischem Tamtam die Entwicklungszusammenarbeit zusammenzustreichen. Es geht hier um unsere strategischen Interessen in der Welt und nicht um Charity."

Ich fasse zusammen: Wir Deutschen bauen in Peru Radwege, bezahlen "ökofeministische Entwicklungsalternativen in Südafrika und ein Projekt zu positiver Maskulinität in Ruanda" und geben Geld für Klimaschutzprojekte, um "unsere strategischen Interessen in der Welt" zu untermauern und schauen ansonsten zu, was die anderen so treiben. Wow, was für eine außenpolitische Cleverness. Da haut's nicht die Miez vom Baum, sondern den Panda, würde ich sagen. Mit Radwegen gegen Chinas und Russlands Expansionspläne. Das ist mal ein geostrategischer Ansatz, wie es ihn noch nie gab.

Gegen Entwicklungshilfe habe ich überhaupt nichts, bei dummer populistischer Argumentation bin ich feinfühliger. Die Autonation Deutschland errichtet in Lima Radwege, der Rest der Welt investiert Milliarden in Peru in Industrieprojekte. China baut den 3,5 Milliarden US-Dollar teuren Hafen von Chancay im Rahmen der "Neuen Seidenstraße" als Umschlagplatz für seine Auto-Exporte überall in Lateinamerika. Der Zufall will es so, dass gleich um die Ecke eine der größten Lithiumreserven Perus liegt. Der chinesischen Cosco Shipping gehört mit 60 Prozent die Mehrheit an dem Hafen. Erst unter dem neuen Präsidenten Perus ging dem Land das Licht auf, ob es wirklich gescheit war, den Chinesen das Exklusivrecht für den Hafenbetrieb in Chancay zu gewähren. Nun versucht man es, mittels "Verwaltungsfehlern" rückgängig zu machen.

Aber meinetwegen, bauet nur Radwege ohne Unterlass. In Peru und anderswo. Macht nur, Strategen der deutschen Politik. Es ist Ihr Job, Sie wollten regieren, ich schreibe lediglich darüber. Und höre jetzt noch einmal Beethovens Neunte. "Seid umschlungen Millionen! Diesen Kuss der ganzen Welt!"

P.S. Ich empfehle die grandiose CD-Einspielung der Neunten mit dem Freiburger Barockorchester. Besser geht es nicht.

Quelle: ntv.de

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