130 Tote durch Starkregen Ruanda bekommt Klimawandel tödlich zu spüren
05.05.2023, 19:48 Uhr Artikel anhören
Es sind die schwersten Regenfälle in der Region seit Jahren.
(Foto: dpa)
Der Klimawandel ist in Afrika schon im vollen Gange. In Ruanda und Uganda sterben 130 Menschen durch Überschwemmungen und Erdrutsche. Das Extremwetter trifft auf eine zutiefst verwundete Landschaft.
Als Lucia Ingabire am Dienstagabend gegen 21 Uhr mit ihrer Familie ins Bett ging, hatte es gerade zu regnen begonnen, berichtet die Ruanderin der lokalen Tageszeitung The New Times. Über Nacht nahm der Niederschlag so zu, dass der Hang oberhalb ihres Hauses in der nordwestlichen Provinz Rubavu in Ruanda aufweichte und zu rutschen begann.
Ingabrire lag mit ihrem Mann und den vier Kindern schlafend im Bett als das Haus, das sich an die Seite eines steilen Hügels klammert, von den Schlammmassen mitgerissen wurde. Sie fand sich begraben unter Geröll und Brettern ihres kleinen Hauses. Glücklicherweise konnte ihr 15-jähriger Sohn sich befreien und die Nachbarn zur Hilfe holen. "Sie kamen an, als meine drei Kinder und mein Mann bereits tot waren", berichtet Ingabire unter Tränen: "Ich versuchte weiter, um Hilfe zu rufen, aber ich wurde fast ohnmächtig. Ich habe versucht, ihnen zu sagen, dass sie sanfter graben sollen, damit sie unsere Köpfe nicht verletzen."
Die hügelige Landschaft im Ruandas sieht aus, als wäre ein Tornado durchgezogen. Ganze Dörfer wurden durch Erdrutsche die Hänge hinuntergespült. Die Bäche und Flüsse in den Tälern zwischen den Hügeln sind zu Strömen angewachsen, die Straßen, Brücken, Schulen und Kirchen mit sich rissen und die Straßen überschwemmten. Bäume sind umgestürzt und begruben weitere Infrastruktur unter sich.
Kaum Zugang für Retter
Nach derzeitigem Stand der Suche nach den Verschütteten starben insgesamt rund 130 Menschen in Ruanda durch Fluten und Erdrutsche, über 100 wurden schwer verletzt, 36 von ihnen mussten ins Krankenhaus eingeliefert werden. Rund 5000 Häuser wurden zerstört. Mindestens sechs Menschen starben im Nachbarland Uganda durch die starken Regenfälle, auch dort wurde ein Haus den Hang hinab gespült, die ganze Familie wurde in den Trümmern verschüttet, so das Rote Kreuz. Zahlen aus der angrenzenden Demokratischen Republik Kongo sind noch nicht bekannt. Die von den Regenfällen betroffene Region entlang der ruandischen Grenze ist ein Kriegsgebiet. Rettungsteams kommen dort schier nicht hin.
Die bergige Region im Dreiländereck zwischen Ruanda, Uganda und dem Osten der Demokratischen Republik Kongo rund um die Kette aktiver und erloschener Vulkane ist bekannt und berüchtigt für ihre Regenfälle. Zweimal im Jahr, wenn während der Regenzeit Tropenstürme wüten, rutschen ganze Lawinen an Schlamm und Geröll die steilen Hänge hinab. Durch die enorme Waldrodung sind die Böden in dieser Gegend für Erosion anfällig.
Das kleine Land Ruanda ist besonders in der nordwestlichen Region geprägt durch Überbevölkerung und landwirtschaftlichen Anbau. Selbst an steilen Hängen, die bei Starkregen leicht zu Rutschbahnen für die Schlammlawinen werden, pflanzen die Bauern noch Bohnen und Kartoffeln an. Sie haben fast alle Bäume verfeuert. Die Regenzeit setzte in diesem Jahr im Herzen Afrikas spät ein, dafür mit voller Wucht. Als der Starkregen in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch begann, die Erde aufzuweichen, lagen die Anwohner schlafend in ihren Betten - die meisten konnten sich nicht aus ihren Häusern mehr retten.
"Mein tiefstes Beileid gilt den Familien und Angehörigen der Opfer der Erdrutsche und Überschwemmungen", twitterte Ruandas Präsident Paul Kagame und versprach den Opfern: "Wir tun alles in unserer Macht Stehende, um diese schwierige Situation zu bewältigen." Es seien Nothilfeunterkünfte eingerichtet worden für diejenigen Überlebenden, deren Häuser zerstört wurden. Rettungsteams seien nun rund um die Uhr im Einsatz, versicherte der Präsident und dankte allen Zivilisten, die derzeit ihren Nachbarn helfen.
Viele Überlebende, deren Häuser und Habseligkeiten zerstört wurden, kommen jetzt bei Nachbarn und Verwandten unter. Das Katastrophenschutzministerium meldet, es habe zur Erstversorgung 60 Tonnen Hilfsgüter bereitgestellt, davon 30 Tonnen Maismehl und 30 Tonnen Bohnen. Auch Grundbedarfsartikel wie Hygieneartikel und anderes wurden verteilt. Zahlreiche Ruander unterstützen die Opfer durch private Spenden: Einige haben eine Gofundme-Seite organisiert, über die Geld gesammelt wird.
Es ist zu befürchten, dass es im Mai zu weiteren Katastrophen kommen wird. Ruandas Wetterdienst warnt vor weiteren, heftigen Niederschlägen und erklärt, Ruanda sei eines der am meisten betroffenen Länder Afrikas durch die Folgen des Klimawandels. "Wir verzeichnen besonders in den nordwestlichen Provinzen einen deutlichen Anstieg der Temperatur und der Regenfälle", so Aimable Gahigi, Direktor des ruandischen Wetterdienstes. Allein seit Beginn des Jahres wurden in Ruanda 408 wetterbedingte Katastrophenfälle registriert: darunter 107 Stürme, 66 Regenfälle, drei Grubenunglücke, 77 Blitzfälle, sieben Erdrutsche, 13 Häusereinstürze, acht Hagelstürme, 29 Überschwemmungen sowie 98 Brände.
Quelle: ntv.de