Wie Unfällen vorbeugen? Sicheres Wandern: "Apps sind Fluch und Segen zugleich"


Die Bergretter werden häufig bei Sturzverletzungen gerufen, aber auch schon mal wegen eines Schnitts mit dem Brotzeitmesser.
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Immer wieder erleiden Menschen in Gebirgen wie den Alpen schwere Unfälle. Ein Bergretter bescheinigt vielen Wanderern eine zunehmende "Unbedarftheit". Dabei wären viele Unglücke mit der richtigen Vorbereitung vermeidbar.
In den Tiroler Alpen finden Wanderer am Montagmittag im Bereich der Hammerspitze einen herrenlosen Rucksack. Sie setzen einen Notruf ab. Am Abend findet die Besatzung eines Polizeihubschraubers etwa 200 Meter unterhalb des Gipfels einen Menschen. Ein Notarzt wird gerufen, doch der kann nicht mehr helfen. Der 71-Jährige aus der Nähe von Zwickau ist tot.
Immer wieder ereignen sich tragische Unfälle in den Alpen, vor allem bei extrem schwierigen Touren. Doch auch bei vermeintlich leichten Wanderungen kann es zu Notfällen kommen. Viele Notfälle und Unglücke sind jedoch vermeidbar, sagt Roland Ampenberger, Pressesprecher der Bergwacht in Bayern, im Gespräch mit ntv.de.
Bergretter werden aus den verschiedensten Gründen gerufen, erklärt er: "Häufig sind es Sturzverletzungen. Die Menschen stürzen, wie beim normalen Sport auch, verletzen sich an den Sprunggelenken. In nicht zu unterschätzender Zahl kommen aber auch internistische Erkrankungen wie Herz- und Kreislaufstörungen dazu", so Ampenberger. Gerade in heißen Tagen sei zudem Erschöpfung ein Thema.
"Es reicht ein schmaler Steig"
"Aber dann sind es auch Abstürze. Hier reden wir nicht von der senkrechten Wand. Es reicht auch ein schmaler Steig, wo es an der Seite leicht abwärts geht", so der Bergretter. Sie würden aber auch wegen kleiner Missgeschicke gerufen: "Zum Beispiel bei einem Schnitt mit dem Brotzeitmesser auf der Hütte."
In jedem Sommer haben die Bergretter jede Menge zu tun, denn die Zahl der Unfälle steigt von Jahr zu Jahr - mit einer besonderen Spitze im Corona-Jahr 2021, wo viele Menschen sich in den Alpen von den Lockdowns erholen wollten. In diesem Jahr hofft Ampenberger aber auf weniger Unfälle. Grund dafür könnte der verregnete Juli sein.
Bergretter werden jedoch nicht nur bei Unfällen gerufen, sagt Ampenberger. "Wir werden auch gerufen, wenn Menschen in Bergnot geraten. Sie haben den Weg verloren, sind in die Dunkelheit gekommen, haben nichts mehr zu essen oder zu trinken, oder sie sind irgendwo hinaufgestiegen und trauen sich nicht mehr vor und zurück."
"Gewisse Unbedarftheit"
Er spricht von einer "gewissen Unbedarftheit", die in den vergangenen Jahren zugenommen habe. "Wenn man sich früher vielleicht noch nach einer leichten Wanderung nach oben gearbeitet hat, also erst einmal Erfahrungen gesammelt hat, verlassen sich immer mehr Menschen aufs Handy", sagt der Bergretter.
Wer im Gebirge unterwegs ist, sollte seine Tour gründlich planen, heißt es vom Deutschen Alpenverein (DAV). Zunächst sollte man sich den Weg genau anschauen. Dabei können Apps helfen. Doch Ampenberger warnt: "Sie sollten sich auch ein Gesamtbild verschaffen, vor allem, wenn es in die Berge geht. Sie sollten wissen, wo es hinauf oder hinunter geht. Sie sollten sich vorher auch Alternativwege anschauen. Dann können Sie möglicherweise auch eigenverantwortlich handeln, wenn Sie in eine Notsituation kommen sollten."
Neben Wanderschuhen, wetterfester Kleidung und einer Kopfbedeckung zum Schutz vor der Sonne sollte man sich nicht ohne Wegzehrung und genug Wasser auf den Weg machen. Und: Ein Handy sollte immer dabei sein. "Damit können Sie über die 112 Hilfe holen, wenn es nötig ist", sagt Ampenberger.
Eine App ist nicht alles
Auf dem Smartphone sollte eine App mit möglichst aktuellen Daten verfügbar sein, die man auch offline verwenden kann. "Apps sind Fluch und Segen zugleich", sagt Ampenberger. "Noch nie konnte ich so viele Informationen zugleich über die digitalen Medien abrufen." Doch eine App sei nicht alles.
"Eine digitale Information ist nicht der Garant dafür, dass auch alles möglich ist, was ich vorhabe. Der Weg könnte inzwischen durch Regen rutschig geworden oder gar abgerutscht sein", warnt der Experte. Besonders bei schwierigen Touren sollte deswegen immer auch eine richtige Karte aus Papier dabei sein. Sie gibt oft überschaubare Informationen zum Beispiel über Höhenunterschiede. Vor allem: Sie kommt ohne Akku aus.
Ist eine längere Wanderung geplant, sollte man nicht auf einen Biwaksack verzichten. Dann ist auch eine Stirnlampe wichtig, damit man sich orientieren kann, wenn es dunkel ist. Und: Nachts wird es besonders in höher gelegenen Gebieten sehr kalt. Darum gehört auch Ersatzkleidung ins Gepäck, so der Deutsche Alpenverein.
Ein wichtiger Rat des DAV: nicht alleine wandern, sondern immer in kleinen Gruppen. Möglichst einer sollte dabei genug Erfahrung haben, um notfalls helfend einschreiten zu können. "Das Beste ist, wenn es bei einer Wanderung in den Bergen keine Unfälle oder Notfälle gibt", sagt Ampenberger. "Wenn aber doch, dann melden Sie sich besser zu früh als zu spät."
Quelle: ntv.de