Auf Schiffen und über Land 30.000 Urlauber und Einwohner fliehen vor Großfeuer auf Rhodos
22.07.2023, 20:29 Uhr Artikel anhören
Seit fünf Tagen wütet auf der griechischen Ferieninsel Rhodos ein Großbrand. Zigtausende Menschen müssen deshalb in Sicherheit gebracht werden, mehr als 2000 mit Schiffen. Unter ihnen sind auch Deutsche. Acht Menschen wurden mit Atemwegsbeschwerden ins Krankenhaus gebracht.
Rund 30.000 Menschen sind auf der griechischen Ferieninsel Rhodos vor einem seit Tagen tobenden Waldbrand in Sicherheit gebracht worden. Der staatliche Rundfunk berichtete am Abend in einer Sondersendung, dass 8000 Menschen den Süden der bei Touristen beliebten Insel auf dem Landweg verlassen hätten. Die Zahl könne noch höher liegen, hieß es. Offizielle Angaben gibt es noch nicht. Zuvor hatte ein Sprecher der Feuerwehr mitgeteilt, dass bislang 2000 Menschen mit Booten von den Küsten südlich von Lindos in Sicherheit gebracht worden seien.
Die Evakuierungen wurden in der Nacht zum Sonntag fortgesetzt. "Das ist kein Feuer, das morgen oder übermorgen vorbei ist", sagte Feuerwehr-Sprecher Vassilis Varthakogiannis dem Sender Skai TV. Der Brand auf Rhodos werde "uns tagelang zu schaffen machen". Laut dem griechischen Sender ERT mussten Feuerwehrleute nahe Lardos im Ypseni-Kloster Schutz suchen. Dort hätten sie wiederum versucht, die Mönche zum Verlassen der Anlage zu bewegen.
Die seit drei Tagen tobenden Waldbrände auf Rhodos gerieten am Nachmittag außer Kontrolle. In der Region von Rhodos wehen Winde der Stärke sechs. "Die Rauchbildung ist so stark, dass man kaum atmen kann", sagte Konstantinos Traraslias, stellvertretender Bürgermeister von Rhodos, dem Athener Nachrichtensender Skai. Wie die Regierung in Athen am Abend mitteilte, wurden acht Menschen mit Atemwegsbeschwerden ins Krankenhaus gebracht. Der Brand nahm wegen der Änderung der Windrichtung eine Drehung Richtung Küste und überraschte die Feuerwehr, wie ein Sprecher mitteilte.
Die Urlauber und auch einige Einheimische wurden für die Nacht in Turnhallen, Schulgebäuden und Hotel-Konferenzzentren untergebracht. Regionalgouverneur George Hadjimarkos sagte Skai, dass die Evakuierungen durch von den Flammen abgeschnittene Straßenverbindungen erschwert worden seien. "Das Ziel ist es, menschliches Leben zu schützen", sagte er. In manchen Fällen mussten sich die Urlauber wegen der durch das Feuer versperrten Straßen zu Fuß in Sicherheit bringen.
Nach Einschätzung des Deutschen Reiseverbands sind auch Deutsche betroffen. "Auf der Insel halten sich derzeit insgesamt rund 20.000 deutsche Urlauber von Reiseveranstaltern auf, betroffen von den Evakuierungen ist nur ein kleinerer Teil", teilte eine Sprecherin am Abend mit. Nach ihren Angaben werden betroffene Gäste vom griechischen Katastrophenschutz auch per Boot in Sicherheit gebracht. "Für die Evakuierten sind Sammelpunkte im Norden der Insel geplant, bis die Feuer gelöscht sind. Oberste Priorität hat der Schutz von Leib und Leben", erklärte die Sprecherin. Reiseveranstalter wollen sich ihr zufolge an ihre Kunden wenden, die in den nächsten Tagen eine Reise nach Rhodos planen. Sie würden dann die Information erhalten, ob die Reise stattfinden könne.
Flüge wegen der Flammen verpasst
Von den Stränden Kiotari und Lardos im Osten der Mittelmeerinsel wurden nach Angaben der Küstenwache mehr als 2000 Menschen von Schiffen abgeholt und zu einem anderen, sicheren Strand der Insel gebracht. An dieser Evakuierungsaktion waren mehr als 30 private Schiffe beteiligt. Der Schiffskonvoi wurde von drei Schiffen der Küstenwache angeführt. In Kiotari beschädigte der Brand drei Hotels.
Ein Schiff der griechischen Marine befand sich auf dem Weg in das Katastrophengebiet, um bei den Rettungsaktionen zu helfen, wie die Küstenwache ferner mitteilte. Seit am frühen Morgen der Evakuierungsalarm ausgegeben worden war, hatten sich Touristen zu Fuß an die Strände begeben. Videoaufnahmen zeigen, dass manche unter der sengenden Sonne mit kleinen Kindern unterwegs waren.
Laut Medienberichten hatten manche der jetzt evakuierten Urlauber ihre Flüge von der Insel verpasst, da die Flammen die normalen Verkehrsverbindungen abgeschnitten hatten. Der Großbrand auf Rhodos wütete seit fünf Tagen. Er war auf einem Berg im Zentrum der Insel ausgebrochen. Bei der Bekämpfung des Feuers waren fünf Hubschrauber und rund 200 Feuerwehrleute im Einsatz.
46 neue Brände innerhalb von 24 Stunden in Griechenland
Griechenland leidet derzeit unter einer extremen Hitzewelle. Für dieses Wochenende wurden Temperaturen von über 44 Grad erwartet. In dem Land wüten aktuell zahlreiche Waldbrände. Nach Angaben der Feuerwehr brachen zuletzt innerhalb von 24 Stunden 46 neue Brände aus.
Im Zuge der globalen Erwärmung steigt in vielen Regionen die Waldbrandgefahr, wie etwa der Weltklimarat IPCC festgestellt hat. Zwar kann ein wärmeres Klima dazu beitragen, dass mehr Wasser vom Himmel fällt, auch häufiger in Form von Starkregen. Die Zeiträume ohne Niederschläge werden aber teils länger. Und gerade in ohnehin trockenen Gebieten steigt die Gefahr von Dürreperioden. In extrem trockener Vegetation können sich Waldbrände schneller ausbreiten. "Es ist der schwierigste Brand, mit dem wir kämpfen müssen", sagte ein Sprecher der griechischen Feuerwehr.
Die Küstenwache sprach am Nachmittag von 1500 Menschen, die von den Stränden aus in Sicherheit gebracht worden seien, weil Fluchtwege abgeschnitten waren. Die meisten von ihnen waren Touristen. Auch Fischer und Privatleute nahmen mit ihren Booten Menschen mit. Hunderte Einwohner von Rhodos meldeten sich freiwillig, um den Touristen zu helfen, wie das Staatsfernsehen berichtete.
Feuerwehr: "Uns stehen noch schwierigere Zeiten bevor"
Auf Rhodos hat es schon längere Zeit nicht mehr geregnet, es ist sehr trocken - und ein Ende der Hitzewelle zeichnet sich nicht ab. Wie das Meteorologische Amt mitteilte, werden für Sonntag im Süden des Landes Werte bis 45 Grad Celsius erwartet. In der mittelgriechischen Stadt Larisa zeigte das Thermometer am frühen Samstagnachmittag 44 Grad.
Auch im Norden Griechenlands gab es am Samstag vielerorts Werte um die 40 Grad. Sogar auf den meisten Inseln der Ägäis herrschen Temperaturen über 38 Grad. Einer der führenden griechischen Meteorologen, Konstantinos Lagouvardos, schätzte im Staatsfernsehen, dass diese Hitzewelle, "wenn es so weitergeht", die längste werden könne, seitdem es Messungen in Griechenland gebe. Im Juli 1987 waren in Griechenland bei einer ähnlichen Hitzewelle nach Schätzungen 1300 Menschen ums Leben gekommen.
Die Feuerwehr warnte abermals vor großer Waldbrandgefahr. "Uns stehen noch schwierigere Zeiten bevor", sagte ein Sprecher im Staatsfernsehen. Die Brände im Raum Athen und auf der Halbinsel Peloponnes seien unter Kontrolle gebracht worden. Sie flammen aber immer wieder auf, weil alles vertrocknet sei, hieß es. Auch die italienischen Meteorologen erwarten für Anfang kommender Woche eine neue Hitzewelle. Dann seien zwischen Sardinien und Sizilien Spitzentemperaturen von 47 bis 48 Grad möglich, schrieb der Wetterdienst Ilmeteo.it.
Heftige Gewitter in Emilia-Romagna
Der Wetterdienst der italienischen Luftwaffe registrierte am frühen Samstagnachmittag 40 Grad aus Palermo, der Hauptstadt Siziliens. In Rom waren es 37 Grad. Dort waren am vorigen Dienstag schon 41,8 Grad gemessen worden. Unterdessen richteten schwere Unwetter in Nord- und Mittelitalien zum Teil erhebliche Schäden an. Betroffen waren unter anderem die Gegend um Bologna und die Adriaküste.
Der Wetterdienst der Region Emilia-Romagna, deren Hauptstadt Bologna ist, meldete heftige Gewitter auch aus den Provinzen Reggio Emilia, Ferrara und Ravenna. Fotos zeigten umgeknickte Strommasten, eingestürzte Häuser, auf dem Boden verstreute Dachziegel und zerstörte Autos. Auf einem Video waren Badegäste zu sehen, die in Lido di Classe bei Ravenna in Massen vom Strand flohen. Das genaue Ausmaß der Schäden war noch nicht klar.
Quelle: ntv.de, lve/chl/AFP/dpa