Panorama

Bücher über die Wechseljahre Heißer Scheiß? Oder doch lieber in Balance?

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Immer einen Fächer zur Hand - wie Marlene Dietrich in "Der Teufel ist eine Frau".

Immer einen Fächer zur Hand - wie Marlene Dietrich in "Der Teufel ist eine Frau".

(Foto: imago images/Everett Collection)

Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs oder: "Wahnsinn und Wechseljahre". Die eine ist Peggy Reichelt und hat einen klugen Ratgeber verfasst, der sich auf dem Nachttisch jeder schlaflosen, mittelalten Frau befinden sollte. Die andere ist Lisa Ortgies - sie hat ein bittersüßes Buch über den ganzen "heißen Scheiß" geschrieben. Die Dritte ist die Autorin des Textes.

Die Wechseljahre. Wie unsexy. Menopause klingt aber auch nicht viel besser. "Alt, schwitzend, zickig und mangelnd belastbar", schreibt Autorin und Menopausen-Expertin Peggy Reichelt dann auch im Vorwort ihres erfolgreichen Ratgebers über die wohl bekanntesten schlechten Attribute dieser Lebensphase. Pubertäre Rolle rückwärts wäre vielleicht am passendsten, denn genauso bekloppt, wie man sich als Pubertier fühlt und in die Welt des Erwachsenenlebens hineintaucht beziehungsweise getaucht wird - ob man will oder nicht - genauso krass ist doch der Ausstieg aus der ganzen Fruchtbarkeitsnummer. Ob man will oder nicht. Oder nicht?

Gilt übrigens in ganz großem Maße nur für Frauen, denn Fortpflanzung für das weibliche Geschlecht ist dann irgendwann eben nicht mehr angesagt - während die Männchen weiterhin ungehindert ihr kostbares Erbgut verstreuen, selbst wenn sie der Großvater des neuen DNA-Trägers sein könnten.

Hitzewallungen treffen die einen früher, die anderen später.

Hitzewallungen treffen die einen früher, die anderen später.

(Foto: IMAGO/Hasenkopf)

Gleichgültig, ob Männer ebenfalls "eine Art Menopause" haben, ist das doch etwas ganz anderes! Finden die Männer. Und auch manche Frauen. "Es" passiert meist schon etwas früher bei den Herren, gern vor 40, hat mit weniger Haaren und mehr Bauch zu tun, wird aber niemals so richtig medizinisch eingeordnet, sondern eher in der Kategorie "Ach Gottchen, ja, da muss er nun durch, besser er kauft sich 'ne Harley oder einen Porsche, als seine Familie zu verlassen." Um dann nämlich, zwei, drei Jahre später, dasselbe mit einem jüngeren Modell Frau doch noch einmal durchzuexerzieren. Viel Spaß! Egal, es soll ausnahmsweise gar nicht um den Mann gehen, jedenfalls nicht vordergründig, sondern um die Frau. Besser gesagt: die mittelalte Frau.

Frauen, die wahrgenommen werden - in den Medien, auf Partys, im Job - sind heutzutage entweder sehr jung und schön, manchmal auch schlau, oder sehr alt. Dann am besten auch schlau - von Schönheit wird mit zunehmendem Alter ja immer weniger gesprochen. Obwohl Frauen wie die im März mit 102 Jahren verstorbene Iris Apfel oder die gerade 103 Jahre gewordene Margot Friedländer uns doch das Gegenteil lehren.

Die Schreckenskammer des hormonellen Wandels

Naja, es gibt sie jedenfalls, die breite Masse von Babyboomer-mittelalten Frauen, sie sind nicht zu leugnen. Und doch zu übersehen. Aber sie werden lauter, immer lauter, sie wollen viel und sie verschaffen sich Gehör. Gut so. Zwölf Millionen Frauen in Deutschland sind momentan zwischen 40 und 60, die Autorin dieser Zeilen gehört dazu und obwohl sie nicht direkt eine Boomerin ist, ist ihre Timeline auf Instagram und Co. voll mit Ratschlägen, Produkten und Kaufhinweisen, wie dieses Leben, bei dem die Hormone verschwinden oder zumindest komplett verrückt spielen, etwas besser zu ertragen ist.

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Warum also nicht in ein, zwei Ratgeber hineinschauen? Bei Peggy Reichelt, der Autorin von "Women in Balance", rufe ich gleich mal an, als ich ihr so liebevoll gestaltetes Buch in den Händen halte und frage: "Haben Männer eigentlich auch eine Menopause?" Sie lacht. Sie lacht mich aber nicht aus, sondern antwortet: "Nein, haben sie so nicht, da bei ihnen die Hormone langsamer abnehmen und nicht so erratisch und mit so einem Chaos wie bei Frauen."

Chaos, ja, das beschreibt den Zustand, den ich anfangs mit "Rolle rückwärts" meinte, auch ganz gut. Symptome, die kein Mensch braucht - Schlaflosigkeit, Hitzewallungen und unkontrollierbare Zunahme von Körpergewicht trotz weniger Nahrungsaufnahme sind nur einige davon, die man, oder besser gesagt frau, nun in den Griff bekommen möchte. Aber wie?

Ernährungs- und Menopausen-Expertin Reichelt beruhigt: "Es wirkt erst einmal so, als wäre man in der Falle, aber das stimmt nicht. Frauen müssen sich nur darauf einstellen, dass es sie früher oder später erwischen wird. Und sie sollten ihren Körper kennen - dann kann man das alles sehr gut durchstehen."

Raus aus der Tabu-Ecke

Es ist wirklich hilfreich, in dieses Buch zu schauen, denn dort stehen neben vielen Erklärungen hauptsächlich extrem kluge Ratschläge, wie mit dem Ganzen am besten umzugehen ist. Sicher, Peggy Reichelt sieht top aus, auch wenn sie selbst mitten in der Peri-Menopause ist, und sie sagt: "Von nichts kommt nichts, das ist leider so."

Sport ist also wichtig, Ernährung und ein gutes Mindset. Es reicht also nicht, den Ratgeber im Regal zu haben? Nein, lacht sie, und verweist auf ihre praktikablen, durchaus machbaren Fitnessübungen und die leckeren Rezepte - die so konzipiert sind, dass der Mann der Frau, die gerade unter den Symptomen der Menopause leidet, sehr gern mitessen würde, wenn es Chili sin Carne, Blaubeersmoothie oder eine Buddha Bowl mit Kichererbsen gibt. "Männer haben nun mal nur das Testosteron und verstehen vielleicht nicht, was bei ihrer Partnerin abgeht. Aber sie haben auch Mitgefühl und je mehr sie wissen, was da passiert bei der Frau, die sie lieben, die sie morgens aber neuerdings aus heiterem Himmel anfaucht oder auf dem Sofa vor sich hin schwitzt, desto besser", glaubt Peggy Reichelt. Egal, ob Frau, Mutter, Schwester, Freundin oder Mitarbeiterin - Aufklärung ist wichtig, auch für die Herren der Schöpfung. Damit wirklich alle diese Phase gut verstoffwechseln.

Sich öfter mal eine Pause gönnen, das ist wichtig.

Sich öfter mal eine Pause gönnen, das ist wichtig.

(Foto: imago images/Artokoloro)

Dr. med. Susanne Esche-Belke, Fachärztin und Expertin für Hormon- und Autoimmunstörungen, sagt daher: "Danke für dieses wichtige und wunderbare Buch, das Frauen in dieser herausfordernden Zeit begleitet und hilft, ein gesundes Leben in Balance zu führen." Oder wie Peggy Reichelt sagen würde: "Du stehst nicht an einem Ende, sondern an einem neuen Anfang."

Liebe, Wut und Leben

Mehr oder weniger dasselbe Thema, aber aus einer anderen Warte betrachtet: Was bei Lisa Ortgies so gut gefällt, ist ihr extrem entspannter, fast schnoddriger Tonfall, mit dem sie diese Phase ihres Lebens zu bewältigen gedenkt, auch, "(...) weil sie mit einem ausgewachsenen, selbst verschuldeten Filmriss zu kämpfen hat" - und der hat Gründe. Nicht unbedingt das, was man von einer Endfünfzigerin erwartet. Im Gegenteil: Aber Lisa Ortgies gibt sich dem hin, worauf sie Bock hat - vegane Mortadella mit Gewürzgürkchen, "Murder on the Dancefloor", Cocktails, Dating-Burn-outs, ihrem Hass auf Fotorückblicke aller Art und der Frage, ob sie loslassen kann. Um nur einige wenige Beispiele zu nennen.

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Bei Ortgies muss man einfach immer wieder lachen - wenn sie Frauen, die zu Depressionen neigen, weil ihre Waage morgens 200 Gramm mehr anzeigt als am Tag zuvor, dazu rät, einfach erstmal ordentlich abzuführen. Sie lässt die Lesenden daran teilhaben, was sie mit ihrer Therapeutin bespricht - zum Beispiel die Frage, ob sie ihre eigenen Ängste auf ihre Tochter projiziert (findet sie lächerlich) -, widmet ihr Buch "Mama" und macht sich entschieden zu viele Gedanken über Scham. Das aber sehr lustig. Aber auch darüber, ob getrennte Paare einen eher stabilisierenden Effekt auf andere Pärchen haben oder wie ein todbringender Tsunami wirken, findet sich in "Heißer Scheiß".

Ein Bestseller, den Ortgies bereits früher geschrieben hat, trägt den Titel "Ich möchte gern in Würde altern, aber doch nicht jetzt". Das beschreibt das Dilemma, das auch in "Heißer Scheiß" die tragende Rolle spielt.

Bittersüße Gefühle

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Fast schon gnadenlos - mit sich selbst - stellt sie fest, dass sie eine Art "unsichtbare Mutter" war, und auch, wenn sie den Zustand, endlich wieder machen zu können, was sie will, denn die Kinder sind aus dem Haus, so sehr genießt, so sehr, krampft sich doch ihr Herz zusammen, wenn sie auf alte Fotos schaut oder alte Filmaufnahmen. Was hat sie nicht alles verpasst? Aufnahmen, auf denen sie nicht zu sehen ist, denn sie hat ja gefilmt oder fotografiert, irritieren sie besonders: "Man könnte denken, da war ein alleinerziehender Vater mit den Kindern im Urlaub, was die heimischen Verhältnisse allerdings vollkommen umkehrt", konstatiert sie deswegen am Ende ihres Buches.

Nicht ohne festzustellen, dass das dennoch "ihre Bilder" sind: die ihrer albernen, klugen und wunderschönen Kinder. Kann ihr keiner nehmen. Aber so bittersweet muss man erstmal damit umgehen können, mit dem Alter, dem Älterwerden, dem nicht Anerkennen dieser Tatsache, dem Erkennen, dass es dennoch so ist, und dem Thema "Wechseljahre und alles, was dazu gehört". Das ist übrigens irre sexy.

Quelle: ntv.de

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