Sturm trifft Ölpest Was, wenn der Hurrikan tobt?
22.06.2010, 09:43 Uhr
Hurrikane würden das Öl weiter ins Landesinnere treiben.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Während tausende Helfer einen verzweifelten Kampf gegen die Folgen der Ölpest im Golf von Mexiko führen, braut sich am Himmel nächstes Unheil zusammen. Die Hurrikan-Saison könnte das Drama an der Küste massiv verstärken.
Schon jetzt sind die Verschmutzungen kaum zu beseitigen - zumindest nicht durch Menschenhand.
(Foto: dpa)
Die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko gerät immer mehr zu einem Desaster ungeahnten Ausmaßes. Während Mega-Konzern BP und allen voran sein Chef Tony Hayward von einer Panne in die nächste rutscht, der Wert der Firma an den Börsen massiv abnimmt und immer noch unklar ist, wie viel Öl tatsächlich täglich ins Meerwasser strömt, droht weitere Gefahr, diesmal von Mutter Natur: Die Hurrikan-Zeit an der Ostküste der USA hat begonnen. Experten des nationalen US-Wetterdienstes erwarten eine "aktive bis sehr aktive Saison". Möglich seien bis zu 23 größere Stürme, davon bis zu 14 als Hurrikane. Von diesen 14 wiederum könnten bis zu sieben monströse Formen annehmen. Wind und Meerestemperaturen sprächen zurzeit für eine solche Entwicklung, heißt es.
Für die von der Ölpest betroffene Küstenregion am Golf wird die Lage noch prekärer, wenn es so kommt. "Es kann passieren, dass das Öl noch weiter in die Flussmündungen gedrückt wird und dadurch die Aufräumarbeiten erschwert werden", sagt Greenpeace-Biologe Jörg Feddern n-tv.de. Dabei sei es schon jetzt, so der Experte für Ölunfälle, unmöglich, die Riesenmenge an Öl von Menschenhand einzusammeln. Zudem, ergänzt n-tv Meteorologe Björn Alexander, würde auch vermehrt Öl an die Küste geschwemmt. "Durch den meterhohen Wellengang werden die Küsten aber auf jeden Fall weiter ins Inland mit Öl bedeckt."
Verschmutzte Pelikane in einer Rettungsstation.
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Das allerdings wäre nicht das einzige Problem. Wenn es an der Küste stürmt, müssen auch die Reparaturarbeiten an dem defekten Bohrloch in Küstennähe eingestellt werden. "Normalerweise werden während eines Hurrikans auf Ölplattformen schon die alltäglichen Arbeiten eingestellt und die Bohrlöcher zeitweise verschlossen", so Feddern. Schon in den letzten Tagen seien wegen Sturmwarnungen die Auffangarbeiten immer wieder eingestellt worden. Kurz gesagt: Kommt ein Mega-Sturm, strömt für diese Zeit das Öl wieder in vollem Umfang ins Meer. Dort wird es dann durch den Wind stark durcheinandergewirbelt, sagt Alexander. "Das Wasser im Bereich solcher Stürme wird nicht nur oberflächlich aufgewühlt. Auch in der Tiefe sorgen Hurrikane für Durchmischung." Durch die Abkühlung der Wasseroberfläche werde das oberflächlich treibende Öl wieder in tiefere Schichten geführt. "Dadurch können wir immer weniger abschätzen, wo sich wie viel Öl im Meer befindet. Sowohl an der Oberfläche als auch in der Tiefe."
Saison dauert lange
BP-Chef Hayward steht unter Druck - und verhält sich nicht gerade geschickt.
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Der Wetter-Experte sorgt sich zwar um die Lage an der ölverseuchten Küste, relativiert aber die düsteren Prognosen der US-Meteorologen. "Grundsätzlich kann man sagen, dass derartige Langfristprognosen generell gewisse Ungenauigkeiten besitzen. Das zeigt uns eine Vorhersage für die 2009er Saison. Prognostiziert wurden in etwa neun bis 14 benamte Stürme, davon vier bis sieben Hurrikane. Tatsächlich gab es neun Stürme mit Namen, davon drei Hurrikane." Zurzeit, so Alexander, gebe es noch keine Sturmaktivität in der Region. "In der extrem starken Saison 2005 mit 'Katrina' oder 'Wilma' brachte der Juni bereits zwei Tropenstürme und im Juli folgten alsbald drei Hurrikane." Klar sei aber auch: Die atlantische Hurrikan-Saison gehe offiziell bis zum 30. November. Und gelegentlich könne es auch danach noch zu heftigen Stürmen kommen.
Wie auch immer es kommt: Für den Greenpeace-Experten Feddern hat das Ausmaß der Katastrophe längst das des "Exxon Valdez"-Dramas im Jahr 1989 vor der Küste Alaskas übertroffen. "Die ausgetretenen Mengen sind weit überschritten. Man weiß ja zudem im Golf von Mexiko nicht, wie viel Öl noch austritt." Nach Fedderns Erkenntnissen wird es Jahrzehnte dauern, bis die Natur das Öl bewältigt hat. An der Küste Alaskas fänden sich immer noch Ölreste, "die so frisch sind, als wäre der Unfall gestern passiert. Das Ökosystem hat sich bis heute, nach 21 Jahren, immer noch nicht erholt." Im Golf von Mexiko herrschten, was etwa die Temperaturen in 1500 Metern Tiefe angehe, ähnliche Bedingungen wie damals im Fall der "Exxon Valdez". Bakterien, die Öl abbauen, brauchen Sauerstoff und möglichst hohe Temperaturen." Beides sei dort nur begrenzt gegeben. "Ob man das überhaupt jemals wieder rausbekommt, ist die Frage."
Quelle: ntv.de