Politik

Trotz Schäubles Absage im Fall Buback Aktenfreigabe verlangt

Die Bundesanwaltschaft beharrt trotz der Absage von CDU-Innenminister Wolfgang Schäuble auf einer kompletten Freigabe der gesperrten Geheimdienstakten zum Mordfall Buback.

Die Akten seien von wesentlicher Bedeutung, um die konkrete Rolle der früheren RAF-Terroristin Verena Becker als Mittäterin bei der Ermordung des einstigen Generalbundesanwalts Siegfried Buback und seiner beiden Begleiter zu klären, sagte Vize-Behördenchef Rainer Griesbaum in Karlsruhe. Er geht davon aus, dass die Indizien schon jetzt für eine Anklage reichen: "Wir sind auf dem Weg in eine Hauptverhandlung."

Verena Becker

Verena Becker

(Foto: AP)

Schäuble hatte am Dienstag zwar die Übersendung der erbetenen Akten nach Karlsruhe angekündigt, zugleich aber ihre Verwertung für ein etwaiges Gerichtsverfahren nach wie vor untersagt. "Wir sind damit keinen Schritt weiter", sagte Griesbaum. Den Inhalt der Akten kenne die Bundesanwaltschaft bereits, da die Ermittler vor zwei Jahren Einsicht nehmen durften. Entscheidend sei nun, sie mit Blick auf die neue Beweislage zu analysieren und gegebenenfalls in einem Prozess zu verwerten. "Das ist die ureigenste Aufgabe der Bundesanwaltschaft."

Computer werden noch untersucht

Die 57-jährige Becker, gegen die seit April 2008 erneut im Mordfall Buback ermittelt wird, war vor kurzem in Untersuchungshaft genommen worden. An den damaligen Bekennerschreiben waren ihre DNA-Spuren entdeckt worden. Zudem wurden bei einer Hausdurchsuchung schriftliche Unterlagen gefunden, in denen sie sich mit ihrer früheren Rolle in der "Roten Armee Fraktion" (RAF) auseinandersetzt. "Was wir jetzt schon ausgewertet haben, ergibt gewichtige Indizien gegen sie", sagte Griesbaum. Untersucht werden müssten unter anderem noch ein Laptop, drei Computer sowie Speichersticks.

Der Tatort in Karlsruhe nach dem Attentat am 7. April 1977.

Der Tatort in Karlsruhe nach dem Attentat am 7. April 1977.

(Foto: AP)

Becker war einen Monat nach dem Attentat vom 7. April 1977 im Besitz der Tatwaffe festgenommen, aber nur wegen anderer Taten verurteilt worden. Nach vier Jahren Haft arbeitete sie mit dem Verfassungsschutz zusammen und gab offenkundig RAF-Insiderwissen preis. Becker hat stets bestritten, auf Buback geschossen zu haben. Dies legt ihr die Bundesanwaltschaft auch nicht zur Last. Verurteilt wurden Christian Klar, Knut Folkerts und Brigitte Mohnhaupt. Laut Becker, die 1989 von Bundespräsident Richard von Weizsäcker begnadigt wurde, soll Stefan Wisniewski der Täter sein.

Sperrung wegen zugesicherter Vertraulichkeit

Die gesperrten Akten - ein gut 80-seitiger Auswertevermerk sowie eine mehr als 220 Seiten lange Fallakte - gehen auf Aussagen Beckers Anfang der 80er Jahre zurück. Das Ministerium begründet die Sperrung mit der zugesicherten Vertraulichkeit: "Die Zusammenarbeit mit Quellen aufgrund einer Vertraulichkeitszusage ist für die nachrichtendienstliche Tätigkeit des Verfassungsschutzes von essenzieller Bedeutung." Griesbaums hält dies für ein unzureichendes Argument, da Becker als Quelle inzwischen mehrfach öffentlich genannt worden sei. Das Angebot Schäubles, eventuell einzelne Passagen freizugeben, reicht aus Griesbaums Sicht nicht. "Fallakte und Auswertevermerk sind eine untrennbare Einheit."

Mit Hilfe der Akten wollen die Ermittler Beckers zentrale Rolle in der RAF bei der Planung und Ausführung der Anschläge des Jahres 1977 nachweisen. Dass sie am Tatort in Karlsruhe war oder - wie Michael Buback, Sohn des Opfers, behauptet - womöglich selbst geschossen hat, dafür gebe es keine Anhaltspunkte: "Wir haben nichts, was darauf hindeutet, dass Becker am Tattag in Karlsruhe war."

Auch Kurras-Akten freigeben

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, verteidigte die Entscheidung Schäubles als sachgerecht. Damit sei der böse Schein beseitigt, als würde die Strafverfolgung behindert. Er könne nachvollziehen, dass die Geheimhaltung bestehen bleibt, sagte Wiefelspütz.

Michael Buback hätte gerne mehr über die Arbeit des Verfassungsschutztes erfahren.

Michael Buback hätte gerne mehr über die Arbeit des Verfassungsschutztes erfahren.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Michael Buback kritisierte hingegen die Entscheidung. Es sei bedrückend und auch verwunderlich, dass die Akten gesperrt blieben, sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Im Radiosender NDR Info nannte er es merkwürdig, "dass nun diese Akte im Verlauf von 27 Jahren und insgesamt über 30 Jahre nach der Tat geheimer geworden ist".

Auch die FDP will eine vollständige Freigabe der Akten. FDP-Generalsekretär Dirk Niebel sagte der "Mittelbayerischen Zeitung", es sei nach über 30 Jahren sinnvoll und notwendig, diese Akten den Ermittlern der Bundesanwaltschaft zur Verfügung zu stellen, auch um Legendenbildungen über eine Zusammenarbeit des Verfassungsschutzes mit RAF-Terroristen vorzubeugen. Auch die Akten über den Westberliner Polizeibeamten und Stasi-Spitzel Karl-Heinz Kurras, der 1969 den Studenten Benno Ohnesorg erschossen hatte, müssten freigegeben werden.

Der rechtspolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, Wolfgang Neskovic, forderte Schäuble auf, die Geheimniskrämerei zu beenden. Michael Buback und die Öffentlichkeit hätten einen Anspruch darauf, die Wahrheit zu erfahren. Es sei inkonsequent, einerseits die Akten zu sperren, andererseits der Bundesanwaltschaft Einsicht zu gewähren.

Quelle: ntv.de, dpa

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