Aufnahmen nach Anschlag Amri zeigt Geste in Überwachungskamera
04.01.2017, 16:07 Uhr
Anis Amri bekannte sich in einem Handyvideo zur Terrormiliz Islamischer Staat.
(Foto: AP)
Der Attentäter von Berlin flüchtet nach der Tat offenbar zum Bahnhof Zoo. Dass er dort gefilmt wird, war ihm wohl nur allzu bewusst: Er soll sich extra in die Kamera gedreht haben.
Der Attentäter von Berlin, Anis Amri, ist direkt nach dem Anschlag wohl von einer Kamera am Bahnhof Zoologischer Garten in Berlin aufgezeichnet worden. Es sei davon auszugehen, dass der Mann auf dem Video der 24-jährige Tunesier sei, sagte die Sprecherin der Bundesanwaltschaft, Frauke Köhler. Er sei sich der Aufzeichnung offenkundig auch bewusst gewesen. Der Mann habe den erhobenen Zeigefinger in Richtung Kamera gezeigt. Köhler sprach von dem sogenannten Tauhid-Gruß. Dieser gilt zuallererst als Glaubensbekundung. Er symbolisiert den Glauben an den einen und einzigartigen Gott. Die Geste ist jedoch auch von IS-Anhängern bekannt.
Amri soll zuvor einen LKW in den Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz gesteuert haben. 12 Menschen starben bei dem Anschlag, mehr als 50 wurden verletzt. Köhler bestätigte zudem, dass der getötete polnische Lkw-Fahrer mit Amris Waffe erschossen wurde. Es sei die gleiche Waffe gewesen, die bei Amri in Italien gefunden wurde. Amri war am 23. Dezember bei einem Schusswechsel mit Polizisten in Mailand auf der Flucht erschossen worden.
Lkw-Fahrer auf Beifahrersitz erschossen
Der tödliche Schuss auf den polnischen Lkw-Fahrer ist der Sprecherin zufolge am Parkplatz des Lastwagens am Friedrich-Krause-Ufer erfolgt. Der Fahrer habe zu dem Zeitpunkt auf dem Beifahrersitz gesessen, sagte sie. Dies habe unter anderem die Untersuchung von Schmauchspuren ergeben. Eine am Lkw sichergestellte Hülse passe zu der in Italien entdeckten Waffe. Demnach befand sich zum Tatzeitpunkt keine dritte Person in der Fahrerkabine.
Die Bundesanwaltschaft ist davon überzeugt, dass Amri der Attentäter war. "Nach unseren Erkenntnissen, nach all dem, was wir zusammengetragen haben, gehen wir davon aus, dass Anis Amri den Anschlag begangen hat", so Köhler. Nun werde ermittelt, ob jemand etwas von den konkreten Anschlagsplänen Amris gewusst und ob es Helfer gegeben habe.
Bekannter Amris wird verhaftet
Eine Kontaktperson Amris sitzt derweil in Untersuchungshaft. Es handelt sich um einen 26-jährigen Tunesier. Bilel A. stand den Angaben der Bundesanwaltschaft zufolge unter Verdacht, in den Anschlag verwickelt zu sein. Für einen Haftbefehl im Zusammenhang mit dem Anschlag reichten die Verdachtsmomente laut Köhler aber nicht aus.
Nach bisherigen Erkenntnissen kannten sich der 26-Jährige und Amri seit Ende 2015. Die beiden besuchten am Vorabend des Attentats ein Restaurant im Berliner Stadtteil Gesundbrunnen, wo sie sich laut Köhler "sehr intensiv unterhalten" haben sollen. Bilel A. wurde am Dienstag in einer Berliner Flüchtlingsunterkunft vorläufig festgenommen. Dabei wurden Kommunikationsmittel sichergestellt, die nun ausgewertet werden.
Die Berliner Staatsanwaltschaft hat gegen den 26-Jährigen jedoch wegen eines anderen Vorwurfs Haftbefehl erlassen: Er soll Sozialleistungen erschlichen haben.
Terrorverdacht ließ sich nicht erhärten
Die Berliner Staatsanwaltschaft teilte zudem mit, dass gegen den 26-Jährigen bereits 2015 ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat geführt worden sei, das aber im Juni 2016 eingestellt worden sei. "Der Verdacht, dass der Beschuldigte sich Sprengstoff für die Begehung eines Anschlages beschafft hatte, konnte in jenem Verfahren nicht erhärtet werden", hieß es. Sprengstoff sei nicht gefunden worden.
Eine zweite Durchsuchung hatte es am Dienstag bei einem früheren Mitbewohner Amris in Berlin gegeben. Sie hätten sich im Herbst 2016 ein Zimmer in Berlin-Gesundbrunnen geteilt, hieß es von der Bundesanwaltschaft. Dieser ehemalige Mitbewohner komme als Zeuge in Betracht. Köhler sagte, Amri habe am Tattag versucht, den früheren Mitbewohner zu erreichen. Er habe versucht, ihn am Vormittag und am Nachmittag anzurufen. Ob sie miteinander sprachen, sei aber unklar. Auch hier wurden Kommunikationsmittel sichergestellt.
Amri ging in Moschee
Die Ermittler wissen inzwischen, wo sich Amri kurz vor dem Anschlag aufgehalten hat. Köhler zufolge war Amri am Nachmittag am Friedrich-Kause-Ufer, wo der Lkw stand. Später sei er in der nahegelegenen Fussilet-Moschee in der Perleberger Straße gewesen. Der Moschee-Verein gilt als Treffpunkt von Islamisten und stand seit Längerem im Visier der Sicherheitsbehörden. Gegen 19.30 Uhr sei er zum Lkw am Friedrich-Krause-Ufer zurückgekehrt und anschließend in Richtung Breitscheidplatz gefahren.
Auch die Fluchtroute Amris sei weitgehend geklärt, so die Sprecherin der Bundesanwaltschaft. Der 24-Jährige ist demnach zwei Tage nach dem Anschlag in die Niederlande gefahren - zuerst nach Nimwegen, dann nach Amsterdam. Dort wurde er an Bahnhöfen von Überwachungskameras gefilmt. Später gelangte er nach Lyon und Chambéry in Frankreich, dann Turin und schließlich Mailand. Nicht endgültig geklärt ist, wo sich Amri am Tag nach der Tat aufhielt. Es gebe Erkenntnisse, wonach er nach der Tat über Nordrhein-Westfalen reiste, sagte Köhler. Das müsse aber noch weiter untersucht werden.
Nach wie unklar sei auch, an wen Amri unmittelbar vor dem Attentat auf den Weihnachtsmarkt aus dem Fahrerhaus des Lkw heraus eine Sprachnachricht und ein Foto gesendet habe, sagte Köhler. Einzelheiten wollte sie nicht bekannt geben, weil dies die laufenden Ermittlungen beeinträchtigen könne.
Quelle: ntv.de, hul/dpa/AFP