Taliban verschärfen Kurs NGO-Mitarbeiterinnen bekommen Arbeitsverbot
24.12.2022, 19:10 Uhr
Fortschreitende Entrechtung: Taliban stehen in einem Klassenraum einer Polizei-Kaserne, wo Frauen zu Polizistinnen ausgebildet werden.
(Foto: picture alliance/dpa)
Wenige Tage nach dem Verbot für Frauen in Afghanistan, die Universitäten zu besuchen, verschärfen die Taliban ihren Kurs: Weibliche Angestellte von Hilfsorganisationen dürfen ab sofort nicht mehr zur Arbeit erscheinen, verfügen die radikalen Islamisten.
Die radikal-islamischen Taliban in Afghanistan schränken die Rechte von Frauen weiter ein. Das Wirtschaftsministerium wies alle Hilfsorganisationen im Land an, ihren Mitarbeiterinnen zu untersagen, zur Arbeit zu kommen. Das gelte für alle in- und ausländischen Nichtregierungsorganisationen, erklärte das Wirtschaftsministerium. Die weiblichen Angestellten dürften bis auf Weiteres nicht arbeiten, weil sich einige von ihnen nicht an die Auslegung der islamischen Kleiderordnung für Frauen gehalten hätten, sagte ein Sprecher.
Erst vor wenigen Tagen hatten die Taliban mit sofortiger Wirkung die Studentinnen des Landes von den privaten und öffentlichen Universitäten ausgeschlossen. Die Islamisten sind in Afghanistan seit August 2021 wieder an der Macht. Ihre Regierung wird international nicht anerkannt und ist mit Sanktionen belegt.
Inwieweit die Anordnung auch für Organisationen der Vereinten Nationen gilt, die in Afghanistan stark vertreten sind, blieb zunächst offen. Der Sprecher sagte, das Verbot gelte für Organisationen, die unter der afghanischen Koordinierungsbehörde ACBAR arbeiteten. Das umfasst rund 180 örtliche und internationale NGOs, nicht aber die UN. Allerdings vergeben die Vereinten Nationen Aufgaben oft an in Afghanistan registrierte Organisationen. Das UN-Büro für humanitäre Angelegenheiten kündigte an, ein Gespräch mit der Taliban-Führung führen zu wollen, um mehr Klarheit zu gewinnen. Hilfsanbieter erklärten, weibliche Mitarbeitende seien oft auch deshalb wichtig, damit Frauen den Zugang zu Hilfe bekämen.
Erste offene Proteste von Frauen
Die humanitäre Unterstützung ist für Millionen Afghanen von Belang. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist nach Angaben des Internationalen Rettungskomitees auf Hilfe angewiesen. Ramiz Alakbarov, stellvertretender Sonderbeauftragter der Vereinten Nationen für Afghanistan und Koordinator für humanitäre Hilfe, erklärte, er sei wegen der neuen Anordnung "zutiefst besorgt". Dies bedeute einen klaren Verstoß gegen humanitäre Grundsätze. Norwegens Außenminister Paul Klouman Bekken twitterte, der Schritt sei nicht nur ein Schlag gegen die Rechte der Frauen, "sondern wird auch die humanitäre Krise verschärfen und die schwächsten Afghanen treffen". Das Verbot müsse sofort aufgehoben werden. Klouman Bekken hatte im Januar Gespräche zwischen den Taliban und Mitgliedern der Zivilgesellschaft organisiert.
Bereits der Schritt der Taliban zu Wochenbeginn, die Studentinnen des Landes mit sofortiger Wirkung von den Universitäten auszuschließen, hatte zu scharfer Kritik geführt. Die USA und Großbritannien verurteilten das Vorgehen während einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats. "Die Taliban können nicht erwarten, ein legitimes Mitglied der internationalen Gemeinschaft zu werden, solange sie nicht die Rechte aller Afghanen respektieren, insbesondere die Menschenrechte und die Grundfreiheit von Frauen und Mädchen", hatte der US-Vertreter Robert Wood gesagt. Kleinere Gruppen afghanischer Frauen hatten zur Wochenmitte gegen das Verbot offen demonstriert.
Quelle: ntv.de, mau/rts