"Unwürdige" Bedingungen in Italien Ärzte ohne Grenzen beenden Hilfe
30.12.2015, 18:56 Uhr
Ein gerettetes Flüchtlingskind auf Sizilien. Für die Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" sind die Bedingungen vor Ort mittlerweile untragbar.
(Foto: dpa)
Die Situation für Flüchtlinge in Aufnahmezentren ist vielerorts schlecht. Auf Sizilien beendet die Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" deshalb nun ihre Arbeit - aus Protest. Die Mediziner befürchten, dass die schlechten Zustände zur Norm werden.
Aus Protest gegen "unwürdige" Bedingungen im europäischen Erstaufnahmezentrum in Pozzallo auf Sizilien beendet die Organisation "Ärzte ohne Grenzen" dort ihre Hilfseinsätze. Auch das psychologische Hilfsprogramm in den Aufnahmezentren in der sizilianischen Provinz Ragusa werde eingestellt, teilte die Organisation in Berlin mit. Die Mediziner befürchten, dass "ein strukturell unangemessenes Aufnahmesystem in Italien zur Norm wird". Sie wollen ihre Hilfe aber in anderen Projekten auf Sizilien und auf dem italienischen Festland fortführen.
Der Einsatzleiter von Ärzte ohne Grenzen in Italien, Stefano di Carlo, erhob schwere Vorwürfe gegen die italienischen Behörden. "Trotz unserer Forderungen sind die Aufnahmezentren nach wie vor überfüllt, es gibt zu wenige Informationen über den rechtlichen Status, die Menschen werden nicht ausreichend geschützt", sagte er und hob hervor: "Die Bedingungen, unter denen die Ankommenden in Sizilien aufgenommen werden, sind unwürdig". Unter ihnen seien Schwangere, Minderjährige und Folteropfer. Die Möglichkeiten für die Ärzte, auf deren Bedürfnisse angemessen einzugehen, seien "extrem eingeschränkt".
Wohlergehen soll oberste Priorität haben
Das Erstaufnahmezentrum Pozzallo auf Sizilien war Ende November zu einem der ersten sogenannten Hotspots in Europa geworden. Dort soll gleich nach der Ankunft entschieden werden, welche Ankömmlinge Aussicht auf Asyl haben und wer als mutmaßlicher Wirtschaftsflüchtling zurückgeschickt werden soll.
"Dem Schutz verletzlicher Personen, die nach langen Reisen über das Meer ankommen, wird immer weniger Beachtung geschenkt", erklärte Ärzte ohne Grenzen nun. Bei der Erstaufnahme in Pozzallo sollten die Gesundheit und das psychosoziale Wohlergehen der Neuankömmlinge oberste Priorität haben, forderte Federica Zamatto, die medizinische Koordinatorin der Organisation. Zusammen mit anderen Hilfsprojekten hatte Ärzte ohne Grenzen bereits im Oktober gegen die Zustände in Pozzallo protestiert.
Von den mehr als 150.000 Menschen, die im vergangenen Jahr über das Mittelmeer nach Italien gekommen sind, gingen der Organisation zufolge rund 15.000 im Hafen von Pozzallo an Land. Insgesamt kamen seit Anfang 2014 mehr als 320.000 Bootsflüchtlinge über das Meer nach Italien.
Quelle: ntv.de, spt/AFP