Politik

Einblick in die Psyche des Despoten Assad - Retter des syrischen Volkes?

In einem Interview mit der BBC gibt der syrische Machthaber Baschar al-Assad einen seltenen Einblick in sein Innenleben. Selbst- und Fremdwahrnehmung könnten kaum krasser auseinanderklaffen.

Baschar al-Assad muss über diese Frage einen Moment nachdenken. "Was mir den Schlaf raubt?", wiederholt er noch einmal. "Viele Dinge, die menschliche Wesen bewegen", antwortet er dann. "Es können persönliche Dinge sein, oder die Arbeit." Auf das Leid der mehr als 200.000 Menschen, die in vier Jahren des Bürgerkriegs in seiner Heimat ihr Leben verloren haben, kommt er erst zu sprechen, als ihn der BBC-Nahostexperte Jeremy Bowen ausdrücklich darauf anspricht.

Syriens Machthaber Assad hat dem britischen Sender ein bemerkenswertes Interview gegeben. Nachrichtlich hat es zwar wenig Wert. Assad räumt ein, dass die USA ihn über Mittelsmänner aus anderen Staaten über ihre Luftangriffe informieren. Deshalb kam es beim Einsatz gegen den Islamischen Staat (IS) bisher noch zu keinen Zusammenstößen zwischen Amerikas und Syriens Luftwaffe. Davon sind aber auch vor diesem Bekenntnis praktisch alle Militär- und Nahostexperten ausgegangen. Bemerkenswert ist das Interview, weil es einen seltenen Einblick in die Denkweise eines Mannes gewährt, dessen öffentliche Auftritte man seit Beginn des Bürgerkriegs beinahe an einer Hand abzählen konnte.

Alles ist schwarz-weiß

Dass Assad bei der Frage nach seinen schlaflosen Nächten nicht sofort auf die vielen Toten zu sprechen kommt, könnte einen naheliegenden Grund haben. In Assads Wahrnehmung gibt es, abgesehen von einigen Kollateralschäden, keine zivilen Opfer. "Aus den meisten Gebieten, in denen die Rebellen die Herrschaft übernehmen, fliehen die Zivilisten", sagt er. Seiner Darstellung nach, bevor die Bombardements der syrischen Luftwaffe oder die Aushungerungstaktiken der Landstreitkräfte beginnen.

Überhaupt glaubt er offenbar nicht daran, dass es je eine nennenswert große moderate Opposition gegeben hat. Deren Existenz bezeichnet er als "Fantasie". Assads Welt ist schwarz-weiß. Für ihn gibt es nur Unterstützer und Terroristen. Über die Zeit der ersten Proteste, als die Menschen im Zuge des arabischen Frühlings für Freiheit und Demokratie auf die Straße gingen, sagt er. "In diesen ersten Tagen wurden viele Polizisten erschossen. Ich glaube nicht, dass sie erschossen wurden von den Schallwellen der Demonstranten."

So kommt Assad auch zu dem Schluss, dass Syrien kein gescheiterter Staat sei. "Man kann nicht von einem Failed State sprechen", sagt er. Die Regierung erfülle schließlich noch ihre Aufgaben. Er hätte nie vier Jahre als Präsident überstehen können, wenn er nicht den Rückhalt der Bevölkerung hätte. "Laut Verfassung und der Ethik des Amtes ist es Aufgabe des Präsidenten, das Land zu beschützen, wenn es angegriffen wird, nicht zu fliehen und wegzulaufen. Und das tun wir." Assad als Retter des syrischen Volkes? Die Selbst- und Fremdwahrnehmung des Machthabers könnten kaum weiter auseinanderliegen.

Quelle: ntv.de

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