Politik

Berlin: "Thema ist erledigt" Athen fordert Milliarden für Nazi-Verbrechen

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"Eine historische und moralische Pflicht": Alexis Tsipras im Parlament in Athen.

(Foto: picture alliance/dpa)

Als das Parlament in Athen Berichten über Nazi-Gräuel im Zweiten Weltkrieg zuhört, herrscht gespenstische Ruhe. Danach beschließt das Plenum mit großer Mehrheit, von Deutschland Wiedergutmachung zu fordern. Es geht um bis zu 290 Milliarden Euro.

Das griechische Parlament hat beschlossen, offiziell von Deutschland Reparationszahlungen für die Schäden und Verbrechen im Zweiten Weltkrieg einzufordern. Eine Expertenkommission errechnete dafür eine Summe von bis zu 290 Milliarden Euro. Mit großer Mehrheit stimmte das Plenum für eine Vorlage des Parlamentspräsidenten Nikos Voutsis. Darin wird die griechische Regierung aufgefordert, alle notwendigen diplomatischen und rechtlichen Schritte einzuleiten. Zunächst soll es bei einer sogenannten Verbalnote bleiben, mit der Griechenland sich an das deutsche Außenministerium wendet.

Die Parlamentsdebatte prägten auch düstere Momente, etwas als Augenzeugenberichte von Nazimassakern in griechischen Dörfern verlesen wurden. Regierungschef Alexis Tsipras sagte: "Die Forderung von Reparationszahlungen ist für uns eine historische und moralische Pflicht." Er habe das Thema nicht mit der schweren Finanzkrise der vergangenen Jahre und den Schulden des Landes verquicken wollen. Jetzt aber, nach dem Ende der internationalen Hilfsprogramme, sei der richtige Zeitpunkt gekommen. "Wir haben jetzt die Chance, dieses Kapitel für beide Völker abzuschließen." Wichtig sei ihm, mit Deutschland auf Augenhöhe und freundschaftlich zusammenzukommen, sagte Tsipras in seiner Rede vor dem Parlament.

Auch die Populisten nutzten die Stunde: Ministerpräsident Alexis Tsipras wolle mit den Reparationsforderungen nur Stimmen für die im Oktober anstehende Parlamentswahl gewinnen, hieß es. Die rechtsextreme Partei "Goldene Morgenröte" machte eine eigene Rechnung über die Reparationen auf. Höhe: 400 Milliarden Euro.

Von Deutschland sei ohnehin nichts zu erwarten, warnten andere Parlamentarier: "Die deutsche Seite ist der Meinung, dass sie das Thema mit der Zahlung von 160 Millionen Mark an die Opfer und der Aufnahme von rund 420.000 Gastarbeitern abgegolten hat", sagte Oppositionspolitiker Vasilis Leventis.

Bundesregierung: Keine weiteren Reparationen vorgesehen

Tatsächlich sieht Deutschland das Thema als erledigt an. Die Bundesregierung stützt sich dabei auf den 1990 zur Wiedervereinigung unterzeichneten Zwei-plus-Vier-Vertrag, in dem es heißt, es seien "keine weiteren Reparationen" vorgesehen. Die Frage nach Reparationen sei abschließend geregelt, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.

Seibert fügte hinzu, die Regierung wisse "um die große Schuld und das große Leid", das Deutschland zu Zeiten des Nationalsozialismus über Griechenland gebracht habe. Auch könne er derzeit nicht beurteilen, wie die Debatte ende und welche Folgen sie haben werde. Dennoch habe sich an der Haltung der Regierung in der Reparationsfrage nichts geändert. Berlin betrachte das Thema als "juristisch wie politisch abschließend geregelt", sagte Seibert.

Juristen und Historiker beider Länder sind sich uneins über das Anrecht der Griechen auf Reparationen. Der Konflikt könnte schließlich vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag landen.

Quelle: ntv.de, mau/dpa/AFP

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