Anklage gegen Ex-SS-Sanitäter Auschwitz-Prozess muss von vorn beginnen
06.10.2016, 19:05 Uhr
Der Prozess gegen den früheren SS-Sanitäter ist vorerst geplatzt.
(Foto: picture alliance / dpa)
Der Prozess vor dem Landgericht Neubrandenburg gegen einen inzwischen 96-jährigen früheren SS-Sanitäter im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau ist wegen Zweifeln an der Objektivität der Richter geplatzt. Ein Neubeginn der Verhandlung ist ungewiss.
Alles auf Anfang im Prozess gegen einen früheren SS-Mann in Mecklenburg-Vorpommern. Zwar wirft die Staatsanwaltschaft dem greisen Angeklagten Beihilfe zum Massenmord in Auschwitz vor, fordert aber neue Richter. Das Landgericht Neubrandenburg sei allerdings nicht in der Lage, fristgerecht über mehrere Befangenheitsanträge gegen drei Richter zu entscheiden, teilte es mit. Wann die Hauptverhandlung von vorn beginnen könne, sei "nicht vorherzusagen".
Die Staatsanwaltschaft und die Nebenkläger hatten sowohl den Vorsitzenden Richter als auch einen seiner Beisitzer als befangen abgelehnt. Nach Angaben des Landgerichts zweifeln Staatsanwaltschaft und Verteidigung außerdem an der Unvoreingenommenheit eines Richters, der über die Befangenheit der anderen entscheiden sollte. Allen Richtern müsse eine angemessene Frist eingeräumt werden, um Stellung zu den Vorwürfen zu nehmen. Das sei bis zum ursprünglich nächsten Prozesstermin am kommenden Montag nicht zu schaffen.
"Warum sich die Staatsanwaltschaft Schwerin dem möglichen Vorwurf der Öffentlichkeit aussetzt, sie torpediere das von ihr selbst eingeleitete Verfahren mit den für eine Konfliktverteidigung typischen prozessualen Mitteln, erschließt sich mir nicht", erklärte der Vizepräsident des Landgerichts, Carl Friedrich Deutsch. Eine Sprecherin der zuständigen Schweriner Staatsanwaltschaft sagte, wenn die Staatsanwaltschaft den Eindruck gewinne, "dass das Gericht mit dem von ihr und den Nebenklägern gestellten Anträgen nicht objektiv und neutral umgeht, ist es ihre Pflicht, von den prozessualen Möglichkeiten Gebrauch zu machen" - also die Befangenheit zu beantragen.
Vorwurf der Beihilfe zum Mord
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten SS-Mann Beihilfe zum Mord in 3681 Fällen vor. Er soll 1944 während seines Einsatzes im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau gewusst haben, dass dort Menschen systematisch getötet wurden. Während seiner Zeit in dem Lager kamen dort 14 Deportationszüge an. Er habe sich in den Betrieb des Lagers "unterstützend eingefügt".
Das Landgericht hatte sich anfangs geweigert, den Prozess gegen den früheren SS-Sanitäter zu eröffnen und begründete dies mit dessen Gesundheitszustand. Erst nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts kam der Prozess doch ins Rollen. Nach zwei vergeblichen Versuchen im Februar und im April begann die Hauptverhandlung im September. Ungeklärt blieb, ob der Angeklagte verhandlungsfähig ist.
Quelle: ntv.de, red/afp/dpa