EU-Länder machen sich Sorgen Befeuern russische Medien Balkan-Konflikte?
11.11.2017, 19:52 Uhr
(Foto: dpa)
Der Westen unterstützt den Balkan mit Milliarden-Hilfen. Doch der Einfluss Russlands auf osteuropäische Staaten bleibt groß. Grund dafür sind auch russische Medien wie RT. Doch unterscheiden sich diese noch von Propaganda? Einige EU-Staaten sind nervös.
Kroatische Medien gerieten ins Schwärmen: Russische Waffenbauer hätten das Präzisionsgewehr SVLK-14 Sumrak (Dämmerung) entwickelt, das mit einem Treffer über 4210 Meter einen "Weltrekord" erzielt habe. Im Streit um die verweigerte Auslieferung des französischen Hubschrauberträgers "Mistral" an Russland informierten serbische Medien, das jetzt entwickelte Landungsboot "Priboi" stelle "Mistral" technisch deutlich in den Schatten.
Die Quelle dieser "Nachweise" für die angebliche Überlegenheit russischer Waffentechnik: die Nachrichtenagentur "Sputnik". Während die USA und die EU "Sputnik" und seinen Bruder "RT" (einst Russia Today) als gefährliches Propagandainstrument Russlands einstufen, beharrt Moskau darauf, es handele sich um seriöse Informationsquellen. Neben Deutsch verbreiten die beiden Medien ihre Beiträge auch in serbischer und kroatischer Sprache.
Zeitungen und Internetportale in Kroatien, Serbien, Bosnien-Herzegowina oder Mazedonien übernehmen das kostenlose Material regelmäßig und meist eins zu eins unkommentiert. So erreichen Moskauer Positionen immer wieder große Bevölkerungsgruppen auf dem Balkan. Russlands Gegner unterstellen, es wolle Einfluss als Gegengewicht zu Washington und Brüssel aufbauen und verfahre nach dem Rezept "teile und herrsche". Aus ihrer Sicht heizt die Berichterstattung aus Moskau viele Konflikte an: Serben gegen Kroaten, Albaner gegen Serben, Serben gegen Mazedonier, Bosniaken gegen Serben, Montenegriner gegen Serben.
Balkanländer bekamen vom Westen Milliarden-Hilfen
Moskau wolle mit einer Verteufelung von EU und Nato verhindern, dass sich Staaten an euroatlantische Strukturen annähern - wie zuletzt im Fall Montenegro und Mazedonien. "Wenn Bosnien kollabiert, bekommen nicht nur die Serben einen (eigenen) Staat - Chancen dafür haben auch die Kroaten", titelte "Sputnik" vor zwei Wochen und befeuerte damit den ohnehin brodelnden nationalistischen Konflikt in diesem kleinen Balkanland.
Obwohl der Westen in den letzten zwei Jahrzehnten praktisch allein für Milliarden Euro-Hilfen an die Balkanländer stand, hat Moskau sich geschickt wirtschaftlichen Einfluss verschafft. Die Erdölindustrie in Serbien und bei den bosnischen Serben konnte es mit politischer Hilfe für einen Spottpreis kaufen und diktiert damit die Marktbedingungen. In Kroatien hatten russische Banken - allen voran die Sberbank - dem heute bankrotten Lebensmittelriesen Agrokor auch dann noch Kredite zur Verfügung gestellt, als westliche Institute abwinkten.
Vor kurzem sprach der russische Präsident Wladimir Putin in Moskau mit seiner kroatischen Amtskollegin Kolinda Grabar-Kitarovic über Wege aus dem Milliarden Euro-Dilemma. Der Vorstandschef des russischen Energieriesen Rosneft, Igor Setschin, elektrisierte die kroatischen Medien mit seinem Angebot, Kroatien könne mit dem Giganten eine "strategische Partnerschaft" eingehen.
Einzelfälle werden als Beleg für ein korruptes System dargestellt
Einen Coup landete zuletzt der russische Botschafter in Serbien, Alexander Tschepurin. Via "Sputnik" machter er sich über den für den Balkan zuständigen Abteilungsleiter im US-Außenministerium, Hoyt Brian Yee, lustig. Dieser ermahnte vor wenigen Tagen den EU-Beitrittskandidaten, er könne mit seinem besonders engen Verhältnis zu Russland nicht auf zwei Stühlen sitzen. Der US-Diplomat sei doch nur der "75. Vertreter des 24. Mitarbeiters des stellvertretenden Außenministers" und daher bitte nicht ernst zu nehmen, sagte Tschepurin. Sein Spott schlug ein - bei der serbischen Nachrichtenagentur Tanjug, dem Belgrader TV-Sender N1, dem Staatsfernsehen, dem größten Privat-TV-Sender Pink und dem Portal B92.
Dass solcherlei Details derart aufgebauscht werden, scheint eine gängige Strategie zu sein. „Einzelfälle werden als Beleg für ein angeblich insgesamt korruptes System des Westens präsentiert“, so bewertete Medienexperte Professor Martin Emmer, Direktor des Publizistikinstituts der FU Berlin das Vorgehen von Sendern wie RT in einem Bericht der Zeitung "Handelsblatt".
EU braucht mehr Mittel gegen Propaganda und Desinformation
Doch auch in Osteuropa werden die russischen Informationsangebote nicht nur positiv aufgenommen. Kürzlich wandten sich die Außenminister acht verschiedener Ländern in einem besorgten Brief an die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini, darunter neben Schweden, Großbritannien, Polen und Tschechien auch Litauen, Kroatien, Lettland und Rumänien.
Es gebe Versuche "externer Akteure", Misstrauen und Unzufriedenheit gegenüber der demokratischen Gesellschaftsordnung zu schüren und die Einheit der EU zu schwächen, heißt es in dem Dokument. Es sei deswegen dringend erforderlich, die Abwehrfähigkeiten in diesem Bereich zu stärken. Der Brief gilt als Grundlage für eine Diskussion, die es am Montag bei einem Treffen der EU-Außenminister in Brüssel geben soll.
Am Ende könnte ein Arbeitsauftrag an die EU-Außenbeauftragte stehen, eine Stärkung der europäischen Abwehrfähigkeiten in Angriff zu nehmen. Im Auswärtigen Dienst der EU gibt es zwar bereits Expertenteams, die durch Medien transportierte Fehlinformationen identifizieren und sie in eigenen Medienangeboten anprangern. Die Teams sind aber relativ klein und technisch nicht besonders gut ausgestattet.
Quelle: ntv.de, Thomas Brey, dpa