Überraschung vor Brexit-Gesprächen Britischer EU-Botschafter geht im Streit
04.01.2017, 08:52 Uhr
Galt Befürwortern eines harten Brexits als zu EU-freundlich: Ivan Rogers
(Foto: REUTERS)
Der Regierung in London stehen zähe Verhandlungen über den EU-Ausstieg Großbritanniens bevor. Mit dem bisherigen EU-Botschafter Rogers geht einer der erfahrensten Diplomaten des Landes überraschend von Bord. Er verabschiedet sich mit harschen Worten.
Paukenschlag in London: Der britische EU-Botschafter Ivan Rogers ist weniger als drei Monate vor dem geplanten Beginn des Brexit-Verfahrens zurückgetreten. In seinem Abschiedsschreiben übt er harsche Kritik. Im Londoner Regierungsviertel sei "ernsthafte Erfahrung bei multilateralen Verhandlungen Mangelware", schrieb er an Mitarbeiter im UKRep-Büro, das London bei Verhandlungen mit der EU vertritt.
Seine Kollegen forderte Rogers auf, sich nicht zu verbiegen, sondern ihre Meinung zu vertreten, selbst wenn sie nicht willkommen sei. "Ich hoffe, ihr werdet damit fortfahren, gegen schlecht begründete Argumente und unklare Gedanken zu kämpfen und dass ihr nie Angst haben werdet, den Machthabenden die Wahrheit zu sagen."
Rogers war für die Äußerung kritisiert worden, die Verhandlungen über ein Handelsabkommen zwischen der EU und Großbritannien, das wegen des Brexit erforderlich wird, könnten sich bis zu zehn Jahre hinziehen. Britische Medien berichteten zuletzt über Differenzen zwischen Rogers und Kabinettsmitgliedern in der Brexit-Frage. Am Dienstag verkündete Rogers schließlich seinen Rücktritt.
Rogers von Brexit "nicht überzeugt"
Die Briten hatten im Juni mit 52 Prozent der Stimmen für einen Austritt aus der EU gestimmt. Der auf zwei Jahre angelegte Austrittsprozess Großbritanniens aus der EU kann erst beginnen, wenn London das Ausscheiden nach Artikel 50 des EU-Vertrags beantragt hat. Premierministerin Theresa May will die Austrittserklärung bis Ende März abgeben.
Rogers hatte den Posten seit 2013 inne, zuvor war er EU-Berater des damaligen Premierministers David Cameron für europäische Fragen. "Für diejenigen, die mit ihm zusammengearbeitet haben, kommt sein Rücktritt nicht überraschend", sagte ein EU-Diplomat in einer ersten Reaktion auf Rogers' Entscheidung. Der Botschafter sei "sehr kompetent", von der Brexit-Entscheidung und der von London derzeit verfolgten politischen Linie aber "nicht überzeugt".
Jubel im Brexit-Lager
Führende Brexit-Anhänger zeigten sich erfreut über Rogers' Demission. Sein Rücktritt sei eine "Entscheidung in Würde, die auf der Hand lag", erklärte der Chef der Pro-Brexit-Organisation Leave.EU, Arron Banks. Rogers sei "viel zu pessimistisch", nun müsse jemand ans Ruder kommen, der "die Zukunft Brexit-Britanniens optimistisch" angehe.
Der frühere Chef der EU-feindlichen Ukip-Partei, Nigel Farage, begrüßte Rogers' Rücktritt mit dem Hinweis, das britische Außenministerium bedürfe eines "Großreinemachens".
Der Studienleiter am Zentrum für Europäische Reform Charles Grant erklärte, mit der Demission Rogers' sinke die Wahrscheinlichkeit für ein "gutes Brexit-Abkommen", denn Rogers sei einer der wenigen britischen Verantwortlichen, die die EU verstünden.
Quelle: ntv.de, shu/AFP