Politik

Deutsche spenden zu wenig Organe Bundesrat wagt neuen Anlauf bei der Widerspruchslösung

In Deutschland besteht ein Organspende-Notstand: Während im vergangenen Jahr 2877 Organe von 965 Menschen gespendet wurden, warteten fast 8385 schwer kranke Personen auf ein Organ.

In Deutschland besteht ein Organspende-Notstand: Während im vergangenen Jahr 2877 Organe von 965 Menschen gespendet wurden, warteten fast 8385 schwer kranke Personen auf ein Organ.

(Foto: picture alliance/dpa)

Tausende Schwerkranke stehen auf Wartelisten für Spenderorgane. Die Länder wagen daher einen neuen Vorstoß bei der Widerspruchslösung. Parallel dazu gibt es dazu auch im Bundestag Bewegung.

Neuer Anlauf für mehr Organspenden: Der Bundesrat hat beschlossen, einen Gesetzentwurf zur Einführung der sogenannten Widerspruchslösung beim Bundestag einzubringen. Dafür stimmte eine Mehrheit der Länder. Demnach sollen alle Personen mit Meldeadresse in Deutschland als Organspender nach dem Tod gelten - es sei denn, es liegt ein zu Lebzeiten erklärter Widerspruch oder ein "entgegenstehender Wille" des Verstorbenen vor. Derzeit sind Organentnahmen nur mit ausdrücklicher Zustimmung erlaubt.

Die Widerspruchslösung sei aufgrund geringer Transplantationszahlen "zwingend erforderlich", sagte Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manfred Lucha in der Länderkammer. Diese sei "keine Zwangsverpflichtung - jede und jeder ist frei zu sagen, ich spende meine Organe nicht".

Das Recht des Einzelnen, sich für oder gegen eine Organspende zu entscheiden, bleibt in dem Ländervorschlag ausdrücklich unangetastet. Der Widerspruch kann im Organspende-Register, einem Organspendeausweis, einer Patientenverfügung oder auf andere Art und Weise festgehalten werden. Bei Personen, die nicht in der Lage sind, Wesen, Bedeutung und Tragweise einer Organspende zu erkennen, soll eine Organentnahme grundsätzlich unzulässig sein.

Fast 8400 Menschen auf der Warteliste

Die Länder begründeten ihre Initiative mit der geringen Zahl an Organspenderinnen und -spendern: Diese stagniere seit über zehn Jahren auf niedrigem Niveau, heißt es in dem Entwurf. Im vergangenen Jahr hätten 8385 Betroffene auf ein Organ gewartet, gespendet worden seien jedoch nur 2877 Organe von 965 Menschen. Das im März 2024 in Betrieb gegangene Organspende-Register allein werde nicht zu einer spürbaren Verbesserung der Situation führen, warnen die Länder.

Mehr Organe wie Nieren, Lebern oder Herzen für schwer kranke Patienten werden seit Jahren dringend benötigt. Damit Spenden überhaupt infrage kommen, müssen zwei Fachärzte unabhängig voneinander den Hirntod eines Verstorbenen feststellen.

Der von acht Bundesländern initiierte Entwurf war bereits bei der letzten Bundesratssitzung Mitte Juni vorgestellt worden. Anschließend beriet der Gesundheitsausschuss der Länderkammer den Entwurf. Er geht nach der nun erfolgten Abstimmung an die Bundesregierung, welche ihn innerhalb von regelmäßig sechs Wochen mit einer Stellungnahme versieht und dann dem Bundestag zuleitet.

Bereits zwei Anläufe im Bundestag

Neben dem Bundesrat unternahm vergangene Woche auch eine fraktionsübergreifende Gruppe von Bundestagsabgeordneten einen neuen Anlauf für die Widerspruchslösung, um noch vor der Bundestagswahl 2025 eine Reform anzustoßen. Die Initiatorinnen und Initiatoren wollen ein Gesetzgebungsverfahren in Gang bringen, das im Frühjahr 2025 zu einem Gesetzesbeschluss führen soll. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hatte die beiden Initiativen für die Widerspruchslösung bereits begrüßt. Kritik kam hingegen von Patientenschützern und der FDP.

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Der Bundestag hatte bereits im Jahr 2020 über eine Widerspruchslösung abgestimmt, damals gab es aber keine Mehrheit dafür. Verabschiedet wurde dann das Modell zur sogenannten Entscheidungslösung: Das heißt, jeder Mensch soll von sich aus dokumentieren, ob er Organe spenden will oder nicht.

Die Initiative des Bundesrats hatte Nordrhein-Westfalen angestoßen, unterstützt wurde sie von sieben weiteren Ländern. Laut Grundgesetz kann auch der Bundesrat Gesetzesvorlagen in den Bundestag einbringen. Sie werden dem Parlament durch die Bundesregierung zugeleitet. Der Bundestag hat darüber dann "in angemessener Frist" zu beraten und einen Beschluss zu fassen.

Quelle: ntv.de, mes/AFP/dpa

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