Taliban wieder in der Defensive Bundeswehr-Team sondiert Lage in Kundus
29.09.2015, 15:21 Uhr
Taliban-Kämpfer (mit der weißen Flagge) durchsuchen Kundus nach Armeeangehörigen und feindlichen Milizionären.
(Foto: AP)
Kundus war mehr als ein Jahrzehnt Standort der Bundeswehr. Nach der Eroberung der Stadt durch die Taliban verschaffen sich Bundeswehrangehörige einen Überblick über die Lage vor Ort. Denn die afghanische Armee plant die Rückeroberung.
Nach der Eroberung von Kundus durch die radikalislamischen Taliban ist ein kleines Team der Bundeswehr in die afghanische Stadt geflogen. Die deutschen Soldaten hätten sich vorübergehend "zu Abstimmungsgesprächen" am Flughafen von Kundus aufgehalten, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Berlin. Der Flughafen unweit der Stadt wird von Regierungstruppen kontrolliert.
Dabei sei es darum gegangen, "zu verstehen, wie die afghanische Armee gedenkt, die Hoheit über die Stadt zurückzugewinnen", fügte er hinzu. Deutsche Soldaten hätten sich nicht an Evakuierungsmaßnahmen in Kundus beteiligt. Die Angehörigen der Ausbildungsmission der Bundeswehr in Afghanistan sind etwaa eine Flugstunde von Kundus entfernt in Masar-i-Scharif stationiert.
Ein Sprecher des Entwicklungsministeriums teilte mit, aktuell hielten sich keine deutschen Mitarbeiter von Hilfsorganisationen mehr in der umkämpften Stadt auf. Ein afghanischer Mitarbeiter eines Hilfswerks in Kundus, der anonym bleiben wollte, sagte, die Taliban hätten Fahrzeuge der deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und anderer internationaler Hilfsorganisationen in ihre Gewalt gebracht. Die staatliche GIZ verfügt in Afghanistan über zahlreiche gepanzerte Fahrzeuge. Ihre internationalen Mitarbeiter hatte sie bereits vor dem Fall von Kundus abgezogen.
"Die Stadt wird zurückerobert"
Die afghanische Armee kämpfte derweil mit Unterstützung des US-Militärs um die Rückeroberung der Stadt. Während das Verteidigungsministerium in Kabul erste Erfolge vermeldete, berichtete die Nato von einem US-Luftangriff in der gleichnamigen Provinz. Die Offensive habe am Morgen begonnen, teilte das Verteidigungsministerium in Kabul mit. Das Hauptquartier der Polizei und das städtische Gefängnis seien bereits zurückerobert worden.
"Die Stadt wird zurückerobert", versprach ein Sprecher des afghanischen Innenministeriums. Es seien Einheiten zur Verstärkung entsandt worden. Einwohner berichteten, es gebe weder Wasser noch Strom. Die Geschäfte seien geschlossen. Mit rund 2000 Kämpfern hatten die Taliban am Montag Kundus erobert und damit erstmals seit ihrer Entmachtung im Jahr 2001 wieder die Kontrolle über eine größere afghanische Stadt übernommen.
Waffen werden eingesammelt
Unklar ist, wie viele Menschen bei den Gefechten getötet wurden. Ein Sprecher des Gesundheitsministeriums in Kabul sagte, 16 Leichen seien in Krankenhäuser gebracht worden. 172 Menschen seien verletzt worden. "Wir wissen nicht, ob das Zivilisten oder Taliban sind." Einwohner sprachen von zahlreichen Leichen, die auf den Straßen lägen.
Ein Taliban-Kommandeur namens Mullah Usman in Kundus sagte, die Aufständischen durchsuchten Häuser nach Regierungsmitarbeitern und regierungsfreundlichen Milizionären. "Wir sammeln außerdem Waffen und Munition von den Bewohnern der Stadt ein und aus den Regierungsgebäuden und Polizeiposten, die wir eingenommen haben."
Taliban-Chef Mullah Achtar Mohammad Mansur versicherte, die Aufständischen würden "Leben, Besitz und Ehre der respektierten Bürger der Stadt Kundus schützen." In einer Mitteilung Mansurs zur "Befreiung" der Stadt hieß es, die Menschen dort könnten ihr Leben "in absoluter Sicherheit" weiterführen.
Quelle: ntv.de, mli/AFP/dpa