Politik

Klimakabinett tagt heute CO2-Preis kommt - was ist das eigentlich?

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Braunkohleabbau in der Lausitz.

(Foto: imago/Rainer Weisflog)

Am Abend kommt das Klimakabinett der Bundesregierung zusammen. Die Minister wollen darüber sprechen, wie der Ausstoß von CO2 am sinnvollsten mit einem Preis belegt werden kann. Die Zeit drängt: Schon im September soll der Entwurf eines Klimaschutzgesetzes fertig sein. Ein Überblick.

Warum diskutiert die Politik das Thema CO2-Bepreisung überhaupt?

Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen sind da die wöchentlichen Fridays-for-Future-Demonstrationen, die bei Politikern aller Parteien Eindruck hinterlassen haben. Die jungen Demonstranten weisen - das ist der zweite Grund - auf ein objektives Versäumnis der Politik hin: Über Klimaschutz wird seit Jahren geredet, passiert ist zu wenig.

Ein dritter Grund ist nicht ganz unwichtig: Deutschland ist in der EU konkrete Verpflichtungen zur Emissionsminderung eingegangen. Wenn die Bundesregierung diese nicht erfüllt, muss sie Emissionsrechte in anderen EU-Staaten erwerben. Nach Berechnungen des Think Tanks "Agora Energiewende" drohen im nächsten Jahrzehnt Kosten in Höhe von 30 bis 60 Milliarden Euro.

Ist wirklich zu wenig passiert?

Sowohl auf der Basis der Verpflichtungen, die Deutschland eingegangen ist, als auch mit Blick auf die Wissenschaft lautet die Antwort hier eindeutig: ja. Ein Sonderbericht des Weltklimarats IPCC schätzte das verbleibende CO2-Emissionsbudget im vergangenen Jahr auf 420 Gigatonnen CO2, um das international vereinbarte 1,5-Grad-Ziel mit einer 66-prozentigen Wahrscheinlichkeit zu erreichen. Bei anhaltend hohem Ausstoß von Treibhausgasen wird dieses Budget in weniger als zehn Jahren verbraucht sein. Dann dürfte die Welt ab dem Jahr 2028 gar kein CO2 und keine anderen Klimagase mehr emittieren.

Dass eine solche Vollbremsung gelingt, ist höchst unwahrscheinlich. Umso wichtiger ist es, jetzt mit der CO2-Reduktion anzufangen, um möglichst viel Zeit zu haben, in der Gesamtbilanz beim Ausstoß auf null zu kommen.

Hat die Bundesregierung Experten angehört?

Ja. Allein das Bundesumweltministerium der SPD-Politikerin Svenja Schulze hat drei Gutachten in Auftrag gegeben: eines vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), eines vom gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung und eines vom Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft. Auch die Wirtschaftsweisen haben ein Sondergutachten zum Thema CO2-Bepreisung erstellt. Der wissenschaftliche Beirat des CDU-geführten Bundeswirtschaftsministeriums hat ebenfalls ein Gutachten vorgelegt.

Welche Möglichkeiten der CO2-Bepreisung gibt es?

Grundsätzlich zwei: den Weg über Steuern und den Weg über ein Emissionshandelssystem (nach dem englischen Begriff ETS abgekürzt). In beiden Fällen geht es darum, Klimagasen einen Preis zu geben, um Unternehmen und Verbrauchern ein Motiv zu liefern, klimafreundlich zu produzieren und zu konsumieren. Eine CO2-Steuer gibt es beispielsweise in Großbritannien und in Schweden. Die Höhe wird, wie bei allen Steuern, vom Staat festgelegt.

In Emissionshandelssystemen müssen Unternehmen Zertifikate erwerben, um die Berechtigung zu erhalten, CO2 zu emittieren. Einen Grundstock an Zertifikaten erhalten die Teilnehmer kostenlos, um den Übergang in die CO2-Bepreisung abzufedern. Branchen, für die CO2-Einsparungen schwierig und teuer sind, können dann zusätzliche Zertifikate kaufen, um Emissionsrechte zu erwerben. Andere Branchen, in denen die Umstellung preisgünstiger zu haben ist, können Emissionsrechte verkaufen und so ihre Umstellung auf einen geringeren CO2-Ausstoß zumindest teilweise finanzieren. So soll ein Markt geschaffen werden, der den Teilnehmern einen Anreiz gibt, Verfahren zu entwickeln, die mit weniger CO2 auskommen.

Im Emissionshandelssystem der EU liegt der Preis für eine Tonne CO2 derzeit bei gut 28 Euro. Kritiker sagen, das sei zu billig, um echte Anreize zu schaffen. Ein weiteres Problem ist, dass längst nicht alle Verursacher von Treibhausgasen vom EU-ETS erfasst werden. Das System deckt weniger als die Hälfte der Treibhausgasemissionen in der EU ab. Ganze Sektoren wie Verkehr, Landwirtschaft und Gebäude nehmen nicht teil.

Aber wäre eine europäische Lösung nicht sinnvoller als eine deutsche Lösung?

Ja, natürlich, und noch besser wäre ein globales Vorgehen. Das Problem ist nur, dass internationale Lösungen mehr Zeit brauchen, die - siehe oben - nicht da ist. Eine deutsche Lösung oder auch ein erweitertes Emissionshandelssystem, an dem nur ein paar EU-Staaten teilnehmen, könnte hier einen Übergang schaffen.

Was ist der Debattenstand in den Parteien?

Alle Parteien mit Ausnahme der AfD haben mittlerweile eine Position zur CO2-Bepreisung entwickelt oder sind - das gilt für die Union - dabei, dies zu tun. FDP und Union bevorzugen ETS-Modelle, weil dies ein eher marktwirtschaftliches Instrument ist. SPD, Linke und Grüne sind für eine CO2-Steuer, weil die Einführung einfacher wäre.

Die Anhänger von steuerlichen Lösungen werfen der anderen Seite vor, den Klimaschutz nur auf die lange Bank schieben zu wollen. Umgekehrt betont etwa Unionsfraktionsvize Georg Nüßlein, bei diesem Thema gehe "Gründlichkeit eindeutig vor Schnelligkeit".

Was sagen die Gutachten?

Zunächst einmal sind sich die Experten einig, dass eine CO2-Bepreisung kommen muss. Die Gutachter des Umweltministeriums plädieren für eine CO2-Steuer, der Beirat des Wirtschaftsministeriums für ein ETS. Kurzfristig solle dieser die Bereiche Verkehr und Wohnen erfassen; mittelfristig sei es erforderlich, alle Sektoren in den europäischen Emissionshandel einzubeziehen. Die Wirtschaftsweisen unterstützen dies, plädieren aber für den Übergang auf eine rasche nationale Lösung. Ob das ein Zertifikate-System sein soll oder eine Steuer, da legen sich die Wirtschaftsweisen nicht fest.

Wird nun alles teurer?

Nein - nicht alles. Gutachten und Parteien stimmen darin überein, dass eine CO2-Bepreisung einen sozialen Ausgleich braucht. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung etwa schlägt vor, im Jahr 2020 mit einem Steuersatz von 35 Euro pro Tonne CO2 zu starten, der bis 2030 auf 180 Euro steigen soll. Die Energiesteuer auf Kraft- und Heizstoffe müsse dazu entsprechend erhöht werden. Der Staat soll die Mehreinnahmen jedoch nicht einfach einkassieren, sondern als "Klimabonus" an die Haushalte zurückgeben: "als einheitlicher Pro-Kopf-Transfer an jeden Einwohner in Höhe von 80 Euro im Jahr". Außerdem sollen Stromsteuer und EEG-Umlage, ein Zuschlag auf den Strompreis, gesenkt werden.

Löst ein CO2-Preis alle Probleme?

Nein. Das DIW schreibt in seiner Studie, insbesondere im Gebäude- und Verkehrsbereich seien "zusätzliche flankierende ordnungspolitische Maßnahmen notwendig", sprich: staatliche Eingriffe. Darüber könnte, zum Beispiel, das Bahnfahren billiger und attraktiver gemacht werden. Dennoch ist klar, dass ein CO2-Preis auch Verlierer produzieren wird. Das dürften vor allem Pendler sein, die nicht auf öffentliche Verkehrsmittel ausweichen können und kein Geld für Elektroautos und Solaranlagen haben.

Quelle: ntv.de, hvo

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