Politik

Präsidentschaftswahl in Österreich "Das Asylthema war das Wichtigste"

Norbert Hofer tritt für die rechtsgerichtete FPÖ an.

Norbert Hofer tritt für die rechtsgerichtete FPÖ an.

(Foto: REUTERS)

Österreich wählt am Sonntag einen neuen Bundespräsidenten. In den Umfragen zeichnet sich eine herbe Niederlage für die Kandidaten der Großen Koalition aus Sozialdemokraten (SPÖ) und Konservativen (ÖVP) ab. Beide gelten im Rennen um den Einzug in die Stichwahl als Außenseiter. Die großen Favoriten heißen Alexander van der Bellen, der als Unabhängiger antritt, aber von den Grünen unterstützt wird, und Norbert Hofer von der rechtspopulistischen FPÖ. Beide liefern sich einen Lagerwahlkampf, der sich vor allem am Thema Asylrecht entzündet. Auch wenn der Bundespräsident eigentlich keine große Rolle in der praktischen Politik spielt – beide machen mit spektakulären Ansagen von sich reden. Van der Bellen will eine Regierung unter FPÖ-Führung nicht vereidigen, Hofer will die aktuelle Regierung entlassen, wenn sie seinen Vorstellungen nicht entspricht. Einer der bekanntesten Politologen Österreichs, Anton Pelinka, erklärt im Interview mit n-tv.de, warum die Wahl eine neue Ära in der Politik von Deutschlands Nachbarland einläutet.

n-tv.de: Seit Monaten hören wir von einem Rechtsruck in Österreich, und nun steht mit Alexander van der Bellen ein Grüner an der Spitze der Umfragen zur Bundespräsidentschaftswahl – knapp vor dem FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer. Wie sind denn nun gerade die Kräfteverhältnisse im Land?

Anton Pelinka gehört zu Österreichs bekanntesten Politikwissenschaftlern. Er wirkte lange Zeit an der Universität Innsbruck und ist seit 2006 Professor an der Central European University in Budapest.

Anton Pelinka gehört zu Österreichs bekanntesten Politikwissenschaftlern. Er wirkte lange Zeit an der Universität Innsbruck und ist seit 2006 Professor an der Central European University in Budapest.

(Foto: CEU)

Anton Pelinka: Es gibt seit Jahrzehnten einen langfristigen Trend gegen die früheren Großparteien, gegen die Sozialdemokratie und die Volkspartei. Nutznießer sind einerseits die Freiheitlichen (FPÖ), die eher rechts von der Mitte stehen, und eben anderseits die Grünen, die eher links von der Mitte stehen. Bei den Umfragen zur Bundespräsidentschaftswahl kommt dieser Trend nun besonders deutlich zum Ausdruck.

Welche Rolle hat das Asylthema im Wahlkampf gespielt?

Es war das emotionalisierendste Thema mit klaren Positionierungen – vor allem von Seiten der Kandidaten von FPÖ und der Grünen. Norbert Hofer steht ganz eindeutig für eine restriktive Politik und van der Bellen für eine liberale Politik bezüglich Migration und Asylrecht. Es ist interessant, dass diese beiden Kandidaten, die auch am meisten polarisieren, in den Umfragen gut abschneiden – und die anderen offenkundig weniger erfolgreich sind. Ob sich das am Sonntag so auswirkt, ist offen. Aber die Polarisierung in der Flüchtlingsfrage hat van der Bellen und Hofer genutzt.

Schon vom Typ her erinnert Alexander van der Bellen ein bisschen an Ministerpräsident Kretschmann.

Schon vom Typ her erinnert Alexander van der Bellen ein bisschen an Ministerpräsident Kretschmann.

(Foto: dpa)

Spiegelt das die Stimmung in der Gesellschaft wider?

Es gibt sicherlich eine Polarisierung. Sehen wir uns den Faktor Generationen an: Die beiden Parteien, die sich am stärksten voneinander unterscheiden, FPÖ und Grüne, sprechen überproportional junge Menschen an. Die jüngeren Generationen sind polarisiert, und das ist eine brisante Ausgangslage für die Zukunft.

Wird sich das so fortsetzen?

Ich vermute ja. Es zeichnet sich schon ab, dass es keine Mehrheit einer Zweierkoalition mehr geben kann ohne die FPÖ. Das hieße, bei der kommenden Wahl 2018 gibt es entweder eine Koalition unter einem Kanzler der FPÖ oder eine Dreierkoalition ohne die FPÖ. Das sind eigentlich die einzigen beiden Optionen.

Im Wahlkampf wurde die Frage heftig diskutiert, ob die Kandidaten eine Regierung unter rechtspopulistischer Führung angeloben würden. Hat ein österreichischer Bundespräsident überhaupt so viel Einfluss?

Das Rennen um die Hofburg

Die Österreicher wählen am 24. April ihren neuen Bundespräsidenten. Anders als in Deutschland wird das Staatsoberhaupt direkt gewählt. Erreicht keiner der Kandidaten in der ersten Runde über 50 Prozent der Stimmen, entscheidet eine Stichwahl am 22. Mai, zu der die zwei Bewerber mit den meisten Stimmen antreten. Es kandidieren:

Der ehemalige Bundessprecher der Grünen, Wirtschaftswissenschaftler Alexander von der Bellen (72 Jahre alt) als unabhängiger Kandidat. Umfragen sehen ihn im ersten Wahlgang bei 24 bis 29 Prozent.

Der Dritte Nationalratspräsident Norbert Höfer (45), ein gelernter Ingenieur. Er geht für die rechtspopulistische FPÖ ins Rennen und liegt bei 22 bis 24 Prozent.

Irmgard Griss (69), ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichtshof und unabhängige Kandidatin. Sie kommt in Umfragen derzeit auf 18 bis 24 Prozent.

Für die SPÖ Rudolf Hundstorfer (64), ehemaliger Gewerkschaftsboss und Verbraucherminister. Seine Werte schwanken zwischen 14 und 17 Prozent.

Andreas Khol (74) für die ÖVP. Der Jurist arbeitete als Universitätsprofessor und war 2002 bis 2006 Nationalratspräsident. Umfragen sagen ihm 9 bis 13 Prozent der Stimmen voraus.

Richard Lugner (83) als unabhängiger Kandidat. Der Bauunternehmer ist mit 2 bis 5 Prozent in den Umfragen krasser Außenseiter.

Die Rolle des Bundespräsidenten ist widersprüchlich. Die Verfassung gibt ihm sehr viele Rechte: Die direkte Wahl, das Recht die Regierung zu ernennen und sie zu entlassen – da stand Hindenburg Pate, als dieses System 1929 eingeführt wurde. In der Praxis aber muss der Präsident eine Regierung ernennen, die von der Mehrheit des Nationalrats (der österreichischen Entsprechung des Bundestages, Anm.d.Red.) gestützt wird. Die Bundesregierung braucht diese Mehrheit, sonst kann sie durch ein Misstrauensvotum gestützt werden. Bisher haben das die Bundespräsidenten akzeptiert. Das heißt: In der Praxis ist der Nationalrat wichtiger als der Bundespräsident.

Der Grüne Alexander van der Bellen hat aber ausdrücklich und immer wieder betont, er würde eine Regierung unter FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache nicht angeloben.

Das ist ein taktisch-strategisches Spiel. Kandidaten neigen dazu, die Aufgabe, für die sie sich bewerben, wichtiger zu machen, als sie de facto ist. Van der Bellen versucht, eine Position zu besetzen: Er ist das große Hindernis für eine FPÖ-Regierung. Damit will er diese Position der Sozialdemokratie streitig machen. Das ist Strategie. Aber was soll ein Bundespräsident machen, wenn eine Mehrheit im Nationalrat entschlossen ist, eine bestimmte Regierung zu erzwingen? Der Präsident kann keine Regierung verhindern. Van der Bellen ist professionell genug, das zu wissen.

Die Sozialdemokraten sind in den vergangenen Monaten nach rechts gerückt, Kanzler Werner Faymann ist vom Verbündeten Angela Merkels zu einem weiteren Gegenspieler geworden. Der SPÖ-Kandidat Rudolf Hundstorfer hat bislang nicht davon profitiert. Hat sich der Schwenk in der Asylpolitik gelohnt?

Schauen Sie: Faymann kämpft natürlich um seine Position als Vorsitzender der eigenen Partei. Wir werden wir sehen, ob er dafür belohnt oder bestraft wird. Ich halte das für völlig offen.

Wen wünscht sich Angela Merkel als Wahlsieger?

Unsere Grünen ähneln den Grünen in Baden-Württemberg, das ist die Pro-Merkel-Partei schlechthin in Österreich. Vor allem, nachdem die SPÖ es nicht mehr ist, die hat sich eher der CSU angenähert. Dort war die ÖVP ohnehin immer. Die FPÖ steht noch weiter rechts davon. Die Grünen sind die Partei in Österreich, die ständig das Lied des Lobes für Angela Merkel singt.

Derzeit können wir annehmen, dass weder der Kandidat der SPÖ noch der Kandidat der ÖVP in die Stichwahl kommen. Was bedeutet das für die Regierung in Wien?

Unmittelbar gar nichts, für die Regierung ist die Wahl des Bundespräsidenten zunächst ohne Bedeutung. Anders sieht das innerparteilich aus, da würde natürlich die Autorität der Parteispitze in Frage gestellt werden, in der SPÖ wie in der ÖVP.

Jetzt schon geistert das Schlagwort von vorgezogenen Neuwahlen durch die Medien. Wie wahrscheinlich ist es, dass die Bundespräsidentschaftswahlen so ein Erdbeben auslösen könnten?

Die Große Koalition von Werner Faymann ist sicherlich am Ende. In absehbarer Zeit wird es keine Mehrheit mehr für eine gemeinsame Regierung dieser Parteien geben. Die Frage ist nun: Führen sie vorgezogenen Neuwahlen selbst herbei, wenn sie die großen Verlierer wären? Das wäre Selbstmord mit Ansage, warum sollten sie das tun? Es ist rational, davon auszugehen, dass aus Gründen des Selbsterhalts diese Koalition noch weitermacht bis 2018. Dann muss gewählt werden.

Mit Anton Pelinka sprach Christian Bartlau

Quelle: ntv.de

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