Politik

Wahl in Côte d’Ivoire Das Kakao-Zentrum der Welt entscheidet über seine Zukunft

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Deutschland importiert jährlich Kakao im Wert von mehreren hundert Millionen Euro aus der Côte d’Ivoire.

Deutschland importiert jährlich Kakao im Wert von mehreren hundert Millionen Euro aus der Côte d’Ivoire.

(Foto: picture alliance / abaca)

Seit über einem Jahrzehnt präsentiert die Regierung von Präsident Ouattara in der Elfenbeinküste einige der größten Wachstumsraten Afrikas. Die Infrastruktur wird ausgebaut, Kreditgeber loben das Land. Hinter den beeindruckenden Statistiken verbergen sich Ungleichheiten.

Das Land Côte d’Ivoire, weltweit führender Kakaoproduzent und eine der dynamischsten Volkswirtschaften Westafrikas, steht vor einer richtungsweisenden Wahl. An diesem Samstag sind die Ivorer aufgerufen, ihre Stimmen in einer Präsidentschaftswahl abzugeben, die von Kontroversen und wachsendem Misstrauen überschattet ist. Unter der Oberfläche des wirtschaftlichen Erfolgs, der sich vor allem in der Metropole Abidjan widerspiegelt, geraten die politischen Grundlagen des Landes erneut ins Wanken.

Côte d'Ivoire, früher bekannt als Elfenbeinküste, hat eine turbulente politische Entwicklung hinter sich und schwankt zwischen demokratischem Fortschritt und autoritären Rückfällen. Nach dem Militärputsch von 1999 führten aufeinanderfolgende Krisen - darunter der Bürgerkrieg zwischen 2002 und 2007 sowie die Präsidentschaftswahl von 2010 - zu einer Vertiefung der nationalen und identitätsbezogenen Spaltung. Unter Präsident Alassane Ouattara begann eine Phase relativer Stabilität und anhaltenden Wirtschaftswachstums, doch strukturelle Ungleichheiten und ein fragiler nationaler Zusammenhalt bestehen weiterhin. Trotz bedeutender Infrastrukturentwicklungen bleiben die sozialen Unterschiede akut. Die aufgrund von Verfassungsvorgaben umstrittene dritte Amtszeit von Ouattara, die 2020 begann, und der Eindruck ethnischer Bevorzugung unterstreichen zudem anhaltende Schwächen des politischen Systems: persönliche Herrschaft, politisierte Institutionen und die Instrumentalisierung von Identität.

Eine Kandidatin bei der Präsidentschaftswahl ist Simone Ehivet Gbagbo, Frau des ehemaligen Präsidenten und aktuelle Fraktionschefin der Front Populaire Ivoirien, kurz FPI.

Eine Kandidatin bei der Präsidentschaftswahl ist Simone Ehivet Gbagbo, Frau des ehemaligen Präsidenten und aktuelle Fraktionschefin der Front Populaire Ivoirien, kurz FPI.

(Foto: picture alliance / Matrix Images)

Die anstehende Wahl lässt alte Geister wieder aufleben. Trotz einer Begrenzung auf zwei Amtszeiten in der Verfassung strebt der seit 2011 amtierende Präsident eine vierte Amtszeit an. Der 83-Jährige argumentiert, dass die Verfassungsreform 2016 die Zählung seiner Amtszeiten zurückgesetzt habe. Der Verfassungsrat stimmte seiner Kandidatur zu und schloss gleichzeitig wichtige Herausforderer aus, darunter den ehemaligen Präsidenten Laurent Gbagbo und den ehemaligen CEO der Credit Suisse, Tidjane Thiam. Als Gründe wurde auf strafrechtliche Verurteilungen beziehungsweise Staatsangehörigkeitsstreitigkeiten verwiesen. Für viele Ivorer sieht dies weniger nach Legalität als nach Choreografie aus.

Repression auf den Straßen

In den letzten Monaten ist die Intoleranz der Regierung gegenüber abweichenden Meinungen immer deutlicher geworden. Kundgebungen der Opposition werden verboten, während regierungsfreundliche Demonstrationen unter Polizeischutz stattfinden. Dutzende Aktivisten wurden verhaftet, mysteriöse Verschleppungen sind teilweise noch immer ungeklärt. Wenn Bürger protestieren, riskieren sie Tränengas oder Schlimmeres. Zivilgesellschaftliche Gruppen beschreiben ein Klima der Angst, das an die Unruhen von 2010 und 2011 erinnert, als die umstrittene Präsidentschaftswahl mehr als 3000 Menschen das Leben kostete.

Für die Regierungspartei sind diese Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung gerechtfertigt. In Wirklichkeit schrumpft jedoch der zivile Raum, und die Opposition hat kaum noch Handlungsspielraum. Der neue Zusammenschluss der Oppositionskräfte, die "Front Commun", in der sich die drei Parteien PDCI-RDA, die PPA-CI und die FPI verbunden haben, kritisiert eine potenzielle vierte Amtszeit des regierenden Präsidenten und fordert unter anderem eine Wahlrechtsreform sowie die Wiedereinsetzung ausgeschlossener Kandidaten.

Die Kakao-Verbindung

Über die Politik hinaus ist das, was in Côte d’Ivoire geschieht, für die Schokoladenliebhaber dieser Welt von Bedeutung. Das Land liefert etwa 40 Prozent des weltweiten Kakaos und erwirtschaftet damit einen signifikanten Teil seines BIP. Politische Instabilität kann sich schnell auf die globalen Rohstoffmärkte auswirken. Wenn es in Kakaoanbaugebieten wie Bas-Sassandra oder Nawa zu Gewaltausbrüchen kommt oder wenn die Häfen in Abidjan oder San Pedro geschlossen werden, könnten die Preise an den internationalen Börsen in die Höhe schnellen. Die Kleinbauern würden die unmittelbaren Kosten tragen, aber auch die Konsumenten in Europa würden dies zu spüren bekommen.

Bounkani ist eine von 31 Regionen in Côte d’Ivoire. Glaubt man dem Plakat, ist "Ado", wie Alassane Dramane Ouattara genannt wird, dort populär.

Bounkani ist eine von 31 Regionen in Côte d’Ivoire. Glaubt man dem Plakat, ist "Ado", wie Alassane Dramane Ouattara genannt wird, dort populär.

(Foto: picture alliance / SIPA)

Für Deutschland, das jährlich Kakao im Wert von mehreren hundert Millionen Euro aus der Côte d’Ivoire importiert, steht viel auf dem Spiel. Die deutsche Schokoladenindustrie, eine der größten Europas, ist auf zuverlässige Lieferungen aus Côte d’Ivoire angewiesen. Jede Störung - von Streiks bis hin zu Gewalt - könnte die Lieferketten gefährden, die Preise in die Höhe treiben und die eigenen Nachhaltigkeitsinitiativen der EU in der Kakaoproduktion verzögern.

Wirtschaftswachstum trifft auf politisches Risiko

In einem Land, in dem Wohlstand von Stabilität abhängt, hat jede Andeutung politischer Unruhen wirtschaftliche Konsequenzen. Eine umstrittene Wahl könnte jahrelange Fortschritte zunichtemachen, die Kapitalflucht anfachen und die sozialen Unterschiede zwischen den boomenden städtischen Zentren und den marginalisierten ländlichen Gebieten vertiefen.

Um den Frieden während der Wahl zu "garantieren", hat die Regierung die Operation Espérance gestartet und 44.000 Soldaten und Polizisten im ganzen Land stationiert. Offiziell zielt die Mission darauf ab, Unruhen zu verhindern. Kritiker sehen darin jedoch eine Einschüchterung in Uniform.

Die Militarisierung der Politik ist in Côte d’Ivoire nichts Neues, aber sie ist besonders alarmierend angesichts der Putschregierungen in unmittelbarer Nachbarschaft, in Mali, Burkina Faso und Niger. Wenn die Gewalt auf Abidjan übergreift, könnte das fragile Gleichgewicht in der Region weiter ins Wanken geraten. Das Land, das einst ein Symbol für Stabilität war, läuft nun Gefahr, sich in die Liste der westafrikanischen Demokratien einzureihen, die unter Druck stehen.

Die Sichtweise aus Berlin und Brüssel

Europa beobachtet die Lage aufmerksam. Côte d’Ivoire ist nicht nur ein wichtiger Handelspartner, sondern auch ein wichtiger Akteur in den Bereichen regionales Migrationsmanagement, erneuerbare Energien und für die EU-Strategie für nachhaltigen Kakao. Deutschland hat unter anderem massiv in Infrastruktur, Regierungsprogramme und nachhaltige Wertschöpfungsketten investiert.

Internationale Akteure haben wiederholt freie, faire und inklusive Wahlen gefordert und betont, dass politische Glaubwürdigkeit für eine langfristige wirtschaftliche Zusammenarbeit unerlässlich ist. Hinter der diplomatischen Sprache verbirgt sich eine klare Botschaft: Wenn die Demokratie erodiert, schwindet auch das Vertrauen der Investoren.

Ein Zusammenbruch der Ordnung in Côte d'Ivoire würde auch die Versorgung Europas mit Kakao und anderen Rohstoffen belasten, und das zu einer Zeit, in der die Diversifizierung des Handels bereits durch geopolitische Spannungen unter Druck steht. Für Deutschland ist die Stabilität in Abidjan nicht nur eine moralische, sondern auch eine wirtschaftliche Frage.

Die Geschichte der Côte d’Ivoire ist komplex. Das Land hat sich schneller wieder aufgebaut als fast jedes andere Postkonfliktland in Afrika, doch es kämpft immer noch mit denselben Geistern, die es einst zerrissen haben. Derzeit befindet sich das Kakao-Zentrum der Welt in einer schwierigen Lage. Der Geschmack der Zukunft der Côte d’Ivoire - und vielleicht auch der Schokolade weltweit - wird zeitnah entschieden.

Die Autorin: Dr. Stefanie Brinkel leitet das Regionalprogramm Politischer Dialog Westafrika (PDWA) der Konrad-Adenauer-Stiftung mit Sitz in Abidjan.

Quelle: ntv.de

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