Politik

Arm trotz guter Wirtschaftslage Das Ruhrgebiet ist der neue Osten

Sozialkaufhaus der Diakonie bietet Bürgern mit einem Nachweis der sozialen Bedürftigkeit gebrauchte Möbel, Elektrogeräte, Kleidung oder Bücher zum Kauf an.

Sozialkaufhaus der Diakonie bietet Bürgern mit einem Nachweis der sozialen Bedürftigkeit gebrauchte Möbel, Elektrogeräte, Kleidung oder Bücher zum Kauf an.

(Foto: dpa)

Wie sind Armut und Reichtum in Deutschland verteilt? Wie groß sind die Abstiegsrisiken? Forscher und Sozialverbände stellen fest: Der Osten ist nicht mehr das Armenhaus Deutschlands und die Freude auf ein sorgloses Leben im Alter ist ein Trugbild.

Der Paritätische Gesamtbund hat in Berlin den Armutsbericht 2016 vorgestellt und darin ein "Verharren der Armutsquote auf hohem Niveau beklagt". Während in neun Bundesländern die Armutsquoten gesunken seien, belegt der Bericht einen Anstieg der Armut in den bevölkerungsreichen Bundesländern Bayern und Nordrhein-Westfalen. Hauptrisikogruppen seien Alleinerziehende und Erwerbslose sowie Rentnerinnen und Rentner, deren Armutsquote rasant gestiegen sei und erstmals über dem Durchschnitt liege.

Die Herausgeber sehen keinerlei Anlass zur Entwarnung und fordern von der Bundesregierung einen sozial- und steuerpolitischen Kurswechsel, um "dringend notwendige Maßnahmen zur Armutsbekämpfung auf den Weg zu bringen".

Das gute Wirtschaftsjahr 2014 habe zu keinem nennenswerten Rückgang der Armutsquote in Deutschland geführt, heißt es. Die Armut verharre mit 15,4 Prozent auf hohem Niveau, so der Bericht. Die Armutsquote sei zwar von 2013 auf 2014 um 0,1 Prozentpunkte gesunken. Ob der Negativtrend seit 2006, als die Armutsquote noch 14 Prozent betrug, damit gestoppt sei, sei jedoch offen.

Ruhrgebiet ist ärmste Region Deutschlands

Während es insbesondere in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern signifikante Rückgänge der Armutsquoten gegeben habe, setze sich der Negativtrend in Nordrhein-Westfalen ungebrochen fort. Das Ruhrgebiet bleibe mit Blick auf Bevölkerungsdichte und Trend die "armutspolitische Problemregion Nummer Eins" in Deutschland. Seit 2006 sei die Armutsquote im Ruhrgebiet um 27 Prozent angestiegen auf einen neuen Höchststand von 20 Prozent.

Die am stärksten von Armut betroffenen Gruppen sind nach dem Bericht Erwerbslose (58 Prozent). Auch die Kinderarmutsquote (19 Prozent) liege nach wie vor deutlich über dem Durchschnitt, wobei die Hälfte der armen Kinder in Haushalten Alleinerziehender lebe. Die Armutsquote Alleinerziehender liege bei sogar 42 Prozent, was an "systematischen familien- und sozialpolitischen Unterlassungen" liege.

Immer mehr Alte verarmen

Alarmierend sei die Entwicklung insbesondere bei Rentnerhaushalten. Erstmalig seien sie mit 15,6 Prozent überdurchschnittlich von Armut betroffen. Die Quote der altersarmen Rentnerinnen und Rentner sei seit 2005 um 46 Prozent und damit so stark angewachsen wie bei keiner anderen Bevölkerungsgruppe.

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider, sagte zu dem enormen Anstieg der Altersarmut bei n-tv: "Die Rentner gehörten zu einer Gruppe, die lange Jahre sehr unterdurchschnittlich von Armut betroffen war. Stets war die Rede davon, dass es 'denen doch eigentlich gut gehe'. Tatsächlich sind Rentnerinnen und Rentner jetzt erstmals stärker von Armut betroffen als der Rest der Bevölkerung." Die Zunahme sei so massiv, dass jetzt "politisch alle Alarmlampen angehen" müssten.

Ergänzend zu den empirischen Befunden beleuchten die Experten in dem Bericht auch umfassend die Lebenslagen einzelner nach der Statistik überdurchschnittlich von Armut betroffener Personengruppen wie beispielsweise Kinder oder Migrantinnen und Migranten, sowie derjenigen, die bisher gar nicht von der Statistik erfasst werden, wie Obdachlose oder Flüchtlinge.

Quelle: ntv.de, ppo

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