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Forsa-Chef über die Union "Das schwächt die CDU und hilft der AfD"

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Unter Merz ist die Union weit von den Kompetenzwerten entfernt, die sie unter Merkel hatte, sagt Forsa-Geschäftsführer Matuschek.

Unter Merz ist die Union weit von den Kompetenzwerten entfernt, die sie unter Merkel hatte, sagt Forsa-Geschäftsführer Matuschek.

(Foto: IMAGO/dts Nachrichtenagentur)

Die Ampelkoalition hat massiv an Vertrauen verloren und liegt mittlerweile stabil unter 40 Prozent. Aber nicht die größte Oppositionspartei profitiert davon, sondern die AfD. Wie kann das sein? Forsa-Geschäftsführer Peter Matuschek sagt, Friedrich Merz erwecke den Eindruck, "dass die CDU ihren eigenen Diskurs danach ausrichtet, wie stark die AfD gerade ist". Das helfe der AfD. Matuschek ist sicher: Mit Merz als Kanzlerkandidat würde es für die Union "sehr schwer, ein deutlich besseres Ergebnis zu erzielen als 2021".

ntv.de: Im aktuellen Trendbarometer kommt die Union nur noch auf 25 Prozent, die AfD auf 21 Prozent. Ist das Umfrageergebnis der Union eine Folge davon, dass Friedrich Merz die "Brandmauer" zwischen CDU und AfD zumindest für die kommunale Ebene infrage gestellt hat?

Peter Matuschek ist Geschäftsführer von Forsa.

Peter Matuschek ist Geschäftsführer von Forsa.

(Foto: picture alliance / Britta Pedersen/dpa)

Peter Matuschek: Die Diskussion, die durch Friedrich Merz angestoßen wurde, hat mindestens dazu geführt, dass die Haltung der CDU in dieser Frage als unklar wahrgenommen wird. Aus vielen früheren Wahlen wissen wir, dass rechte Parteien gestärkt werden, wenn die anderen Parteien eine ambivalente Haltung zu ihr einnehmen oder wenn sie versuchen, sich sprachlich oder inhaltlich an sie anzunähern. Das ist aber das, was im Moment passiert, wenn ausdrücklich als Reaktion auf die guten Werte der AfD in den Umfragen aus den Reihen der CDU Forderungen wie die nach einer Abschaffung des Asylrechts oder nach Schnellverfahren gegen Gewalttäter in Schwimmbädern erhoben werden. Aus den östlichen Landesverbänden gibt es Stimmen, die sagen, die CDU müsse deutlich machen, "dass wir ein anderes Land wollen".

Der Thüringer CDU-Chef Mario Voigt hat dies im "Spiegel" gesagt.

Unabhängig davon, wie solche Äußerungen motiviert sind - am Ende entsteht der Eindruck, dass die Brandmauer zur AfD nicht mehr wirklich steht.

Warum wird die AfD gestärkt, wenn Merz die CDU als "Alternative für Deutschland mit Substanz" bezeichnet?

Die AfD hat immer davon profitiert, wenn sie Aufmerksamkeit bekommen hat, wenn die anderen Parteien und die Medien sich mit ihr beschäftigt haben. Auf eine Formulierung wie "wir sind eine Alternative für Deutschland mit Substanz" muss man als CDU-Vorsitzender erst mal kommen, vor allem in einer Situation, in der die AfD seit Wochen bei etwa 20 Prozent liegt. Egal, ob das als sprachliche Spielerei oder als ironische Formulierung gedacht war: Mit einer solchen Formulierung erweckt Merz den Eindruck, dass die CDU ihren eigenen Diskurs danach ausrichtet, wie stark die AfD gerade ist. Das schwächt die CDU und hilft der AfD, weil sie dadurch noch mehr Aufmerksamkeit bekommt.

In der vergangenen Woche hat eine Forsa-Umfrage ergeben, dass zentrale Positionen der AfD bei den Deutschen nicht mal ansatzweise mehrheitsfähig sind. Wie kann es sein, dass eine Partei in den Umfragen so erfolgreich ist, deren Kernanliegen von der Bevölkerung nicht geteilt wird?

Da muss man genauer hinschauen. Die 21 Prozent, die die AfD aktuell im Trendbarometer erreicht, beziehen sich ja auf die Wahlwilligen: also auf die Wahlberechtigten, die sich derzeit an der Wahl beteiligen würden. Wir haben aber auch einen steigenden Anteil von Wahlberechtigten, die sich nicht an der Wahl beteiligen wollen. Unter allen Wahlberechtigten liegt der AfD-Anteil daher zurzeit bei 14 bis 15 Prozent. Die anderen 85 Prozent würden eine andere Partei oder gar nicht wählen. Und es zeigt sich sehr deutlich, dass die AfD nicht wegen einzelner politischer Forderungen gewählt wird, sondern weil ihre Anhänger das gesamte jetzige politische System ablehnen und verdammen.

Im Schatten der Umfragewerte von Union und AfD wird kaum noch über die Zahlen der Ampelparteien gesprochen. Ist es zur Halbzeit einer Legislaturperiode normal, dass die Koalition zusammengerechnet nur auf 38 Prozent kommt?

Natürlich gab es auch bei früheren Regierungen gewisse Schwächephasen zur Mitte der Legislaturperiode. Dass aber die drei Regierungsparteien zusammen mittlerweile stabil unter 40 Prozent liegen und derzeit nur noch von 27 Prozent aller Wahlberechtigten gewählt würden, ist schon eine dramatische Entwicklung. Auch hat die Erosion der drei Ampelparteien für eine Regierung schon sehr früh - im Sommer 2022 - begonnen und sich seither weiter fortgesetzt. Neu ist auch, dass die Partei, die den Kanzler stellt, einen derart geringen Rückhalt in der Bevölkerung hat wie derzeit die SPD.

Bei der Kanzlerfrage fällt auf, dass Merz der einzige mögliche Kandidat ist, der schlechter abschneidet als seine Partei. Kann man sagen, dass er verantwortlich ist für die Umfragewerte der Union?

Man muss sich einmal vor Augen führen: Die Regierung wird extrem schlecht bewertet, auch zum Kanzler hat weniger als ein Drittel noch Vertrauen. Und nicht die größte Oppositionspartei profitiert davon, sondern die AfD, und der Anteil der Splitterparteien und die Zahl der Nichtwähler steigt. An dieser Situation hat Merz einen entscheidenden Anteil, denn mit seiner Arbeit als Oppositionsführer sind noch weniger zufrieden als mit der Arbeit des Bundeskanzlers. Selbst unter den Anhängern der Unionsparteien ist nicht einmal die Hälfte zufrieden mit seiner Arbeit.

Dann wäre ein mittigerer Kurs erfolgversprechender als der Versuch, konservativer zu werden?

Ohne jeden Zweifel. Allein die Wahlen, bei denen die CDU in den letzten Jahren - ob im Bund oder in den Ländern - erfolgreich war, belegen das ja in eindrucksvoller Weise. Und immer dort, wo die CDU sich in ihrem Profil nicht klar gegenüber der AfD abgegrenzt hat, profitierte am Ende nicht die CDU, sondern die AfD, von deren Wählern die allermeisten im Übrigen noch nie die CDU gewählt haben. Je mehr die CDU versucht, ihr konservatives Profil zu schärfen, desto mehr verschreckt sie Wählerinnen und Wähler in der politischen Mitte - darunter auch viele Frauen und Jüngere - die Merkel noch mit Mühe für die CDU gehalten hatte.

Der CDU hilft im Übrigen auch nicht, wenn die Leute - bei allem Frust über die Ampelkoalition - den Eindruck bekommen, dass die Union zumindest teilweise in Richtung Fundamentalopposition abgleitet. Die Leute wollen eine konstruktive Oppositionspartei, der sie auch zutrauen, dass sie morgen die Regierung übernehmen könnte. Das Problem der Union ist, dass ihr im Moment nur 12 Prozent der Deutschen zutrauen, die Probleme in Deutschland zu lösen. Bei der SPD sind es auch nur 10 Prozent, aber das hilft der Union ja nicht. Unter Merz ist die Union weit von den Kompetenzwerten entfernt, die sie noch unter Merkel hatte.

Nicht nur Friedrich Merz, auch alle anderen potenziellen Kanzlerkandidaten - Olaf Scholz, Robert Habeck und Annalena Baerbock - kommen nur auf vergleichsweise schlechte Werte. Ist es aus Ihrer Sicht für Parteien in einer politisch immer stärker zersplitterten Gesellschaft überhaupt noch möglich, einen Kanzlerkandidaten anzubieten, den eine Mehrheit der Deutschen gut findet?

Dass es durchaus noch solche Politiker gibt, zeigt ja der Fall des neuen Bundesverteidigungsministers, der bereits kurz nach seiner Ernennung zum beliebtesten Politiker in unserem Politikerranking aufgestiegen war. Dass seine hohe Beliebtheit nicht nur der Erleichterung über die Ablösung seiner überaus unbeliebten Vorgängerin geschuldet war, zeigt sich daran, dass mittlerweile sogar 63 Prozent mit seiner Arbeit zufrieden sind und das in einem ja wahrlich nicht einfachen Amt wie dem des Verteidigungsministers. Es ist also auch oder gerade in Krisenzeiten möglich, sich als Politiker ein hohes Maß an Vertrauen zu erarbeiten, und zwar - wie bei Pistorius - in fast allen Bevölkerungs- und Wählergruppen.

Wäre es aus Sicht des Demoskopen eine gute Idee, wenn die Union mit Söder als Kanzlerkandidat in den Wahlkampf 2025 ginge?

Wer bei der nächsten Bundestagswahl in zwei Jahren für die Union der aussichtsreichste Kanzlerkandidat sein wird, kann im Moment noch nicht gesagt werden. Markus Söder hat im Herbst zunächst einmal die Landtagswahl in Bayern zu bestreiten. Andere mögliche Kandidaten aus den Ländern sind bisher bundesweit noch nicht genug profiliert. Angesichts des verfestigten negativen Meinungsbilds der Bundesbürger zu Friedrich Merz würde es für die Union mit ihm als Kanzlerkandidaten aber in jedem Fall sehr schwer, ein deutlich besseres Ergebnis zu erzielen als 2021.

Mit Peter Matuschek sprach Hubertus Volmer

Quelle: ntv.de

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